Dank emsiger Kleinlabels kommen in letzter Zeit eine Vielzahl vergessener Genreperlen ans Licht. DIE GESCHÄNDETE ROSE wurde 1969 von Claude Mulot inszeniert und kürzlich von X-Rated als DVD veröffentlicht
Frederic Lansac (Philippe Lemaire), ein erfolgreicher, aber irgendwie mit seinem Leben nicht recht zufriedener Maler, führt eine Liebesbeziehung zu der exzentrischen Moira (Elizabeth Teissier), doch irgendwie bleibt vieles oberflächlich/belanglos. Dann lernt er die junge Anne (Anny Duperey) kennen, verfällt ihr mit Haut und Haaren, flüchtet mit ihr auf sein abgelegenes altes Schloss und macht sie zu seinem einzigen Modell, ja zu seiner Muse. "Solange du mich liebst, werde ich schön sein" sagt sie zu ihm. Auf einer Kostümparty anlässlich ihrer Hochzeit bedrängt die verstoßene Moira die junge Frau, die dabei hinterrücks in ein Lagerfeuer fällt. Ihr Gesicht wird durch die Flammen zerstört, auch ist sie fortan an den Rollstuhl gefesselt. Sie lässt sich der Öffentlichkeit gegenüber für tot erklären. Nur die blonde Krankenpflegerin Agnes (Michelle Perello) kümmert sich um sie. Ihr Mann, verlassen von der Kreativität, mehr und mehr apathisch wirkend, verfällt den Reizen der Pflegerin, was Anne dazu veranlasst, diese in einem wahnsinnigen Akt von Eifersucht mit Hilfe einer giftigen Pflanze zu töten. Diese stammt aus einem Institut für Pflanzenheilkunde, dessen Mitinhaber der Maler ist. Dort arbeitet auch der von Howard Vernon gespielte Prof. Romer, der früher ein versierter Gesichtschirurg war und nun für die Unterwelt arbeitet. Lansac erfährt durch Zufall davon, erpresst Romer und zwingt ihn, seiner Frau die frühere Schönheit zurück zu geben. Doch was dafür benötigt wird, ist das Gesicht einer lebenden Frau.
Das alles klingt nach wüster Horror-Exploitation, nicht zuletzt, weil der Film seinerzeit als erster Sex-Horror-Film angepriesen wurde. Doch nichts könnte falscher sein. Wer sich heftige Splatter-Effekte und exzessive Sex-Szenen erhofft, ist hier definitiv an der falschen Adresse. Zum Glück. Der Film verweigert sich solchen Plattheiten, sondern bietet stattdessen eine traurige, poetische Ode an die Vergänglichkeit der Schönheit und der Liebe. Atmosphärisch dicht inszeniert serviert er dennoch genug schaurigen Grusel, um als veritabler Genre-Beitrag durchzugehen. Vage angelehnt an Franjus AUGEN OHNE GESICHT und die Ästhetik der Filme Jean Rollins bleibt er dennoch über weite Strecken völlig eigenständig. Vernon gibt den Chirurgen z.B. nicht als skrupellosen Skalpellschwinger, sondern als von Zweifeln zerrissenen Wissenschaftler, der dann seine ganz spezielle Lösung findet, um diesem Zwiespalt zu entrinnen. Lemaire macht seine Sache ebenfalls sehr gut, zeigt den Maler als komplexe Figur, die von ihren Begierden getrieben ist, aber gleichzeitig an seinen Plänen leidet, als ihm gewahr wird, wohin ihn diese treiben.
Und dann: Die Frauen. Überhaupt, wieso sehen eigentlich fast alle Frauen in den Filmen der 60er und 70er so umwerfend gut aus? Ob Anny Duperey als Muse, Elizabeth Teissier als rachsüchtige Moira, Michelle Perello als Agnes oder Olivia Robin als deren Schwester, die auf der Suche nach Agnes in das Schloss und mitten in die verwerflichen Pläne Lansacs gerät. Erotik pur, völlig ohne die hingeschminkte Oberflächlichkeit heutiger Hollywood-"Schönheiten". Megan Fox, Lindsay Lohan, Selena Gomez, Kristen Stewart usw. usf. Kleine Mädchen mit zu viel Schminke in den ausstrahlungslosen Gesichtern. Zum Heulen und Gähnen gleichzeitig.
Damit wird endgültig klar: DIE GESCHÄNDETE ROSE ist ein feiner, uneingeschränkt empfehlenswerter Film.
08/10