Mit „Verblendung“ hatte Niels Arden Oplev anno 2009 nicht nur den besten Film der Millennium –Trilogie hingelegt, sondern auch international Aufmerksamkeit erlangt, die ihm sein Hollywooddebüt mit „Dead Man Down“ bescherte.
Hauptfigur ist Victor (Colin Farrell), ein ungarischer Handlanger des Gangsterbosses Alphonse (Terrence Howard), der zur lokalen Größe aufsteigt. Ebenso wie sein Partner Darcy (Dominic Cooper) gehört Victor zu den unteren Chargen der Gang, doch als er Alphonse in einem Feuergefecht das Leben rettet, steigt er in dessen Gunst. Eine undurchsichtige Figur ist Victor, dessen Haltung von Anfang an darauf verweist, dass er kein Gangster mit Leib und Seele ist, dessen Motivation schwer zu verstehen ist, der jedoch auch nicht zögert den Abzug zu ziehen, der sich im Gangster-Business durchsetzen kann.
Privat ist Victor ein Enigma, das die Kosmetikerin Beatrice (Noomi Rapace) Tag für Tag aus ihrem Fenster heraus betrachten kann. Diese lebt zurückgezogen mit ihrer Mutter Valentine (Isabelle Huppert) zusammen, seitdem ein Unfall sie entstellte. Halb Stalkerin, halb Verehrerin, doch auf den Kontakt mit Victor bedacht, den sie auf ein Date überredet – und dann erpresst: Sie weiß um seine Taten, die nicht immer in Alphonse‘ Sinne sind und für ihr Stillschweigen soll er den Mann ermorden, der Beatrice entstellte. Mit dieser noirigen Attitüde stellt „Dead Man Down“ seine Hauptfiguren vor, die alles andere als lupenrein gut und doch nicht unsympathisch sind, die sich in der moralischen und gesetzlichen Grauzone bewegen.
Aus der Notlage heraus nimmt Victor den Auftrag an und hält Kontakt zu der wesensverwandten Kosmetikerin. Gleichzeitig macht dies seine Lage nicht leichter: Ein Unbekannter ermordet Alphonse‘ Männer und schickt seltsame Botschaften, während Victor ganz eigene Pläne hat…
Eigentlich eine schöne Prämisse, die „Dead Man Down“ da auffährt, denn die Geschichte des Mannes zwischen allen Fronten, der sich immer tiefer verstrickt, bietet nicht nur moderne Noir-Unterhaltung, sondern auch den einen oder anderen Plottwists und mixt Rachethriller- sowie Liebesdrama-Elemente. Doch das Grundkonstrukt krankt an einem schweren Makel: Je weiter der Film fortschreitet, desto klarer wird, dass die weibliche Hauptfigur beinahe komplett entbehrlich ist, der Film ohne ihre Mitwirkung genauso als schlanker und vermutlich spannenderer 90-Minüter funktionieren würde. Da ist es durchaus nett, dass die Annäherung der beiden Außenseiter durchaus romantisch dargestellt ist und die Chemie der Hauptfiguren stimmt, aber letztendlich ist besagte Romanze dann doch nicht stark genug, dass sie als unabdingbarer Teil der Handlung scheint, dass sie dem Film das gewisse Etwas geben würde.
Das ist schade, denn ansonsten bietet „Dead Man Down“ solide Genreunterhaltung, welche die Katze und damit ihren größten Plottwist vergleichsweise früh aus dem Sack lässt, während sich der halbwegs erfahrene Zuschauer die restlichen Wendungen und Motive anschließend schnell denken kann. Oplev erzählt diese Geschichte mit einer europäischen Sensibilität und einer stimmigen Düsternis, die „Dead Man Down“ von anderer Stangenware des Genres abhebt, doch auch nicht ohne große Längen, vor allem zu Beginn des letzten Drittels, welche den Film immer wieder etwas ausbremsen.
Auch sonst ist das Ganze handwerklich in Ordnung, aber nur passagenweise herausragend und teilweise auch zerfahren. Für die Actionfans gibt es drei größere Schießereien, mathematisch genau auf Beginn, Mitte und Ende des Films verteilt, wobei vor allem Auftakt und Showdown als reichlich fette Shoot-Outs zu gefallen wissen, gleichzeitig aber nicht ganz zum Ton des sonst eher ruhigen Thrillervehikel passen wollen. Ebenso eingestreut wirken Momente, welche Genreerwartungen brechen, etwa Beatrice‘ finale Entwicklung oder die Szene, in der Victor und Darcy am Ende unter veränderten Vorzeichen aufeinandertreffen – kurzum Szenen, welche das Rachegenre reflektieren und damit spielen, wie es den Film leider nur selten tut.
Colin Farrell als anfängliche Chiffre, deren Bedeutung man später erkennt, leistet einen tollen Job in der männlichen Hauptrolle und trifft stets den rechten Ton, wenn sich die Geheimnisse seiner Figur nach und nach entfalten. Noomi Rapace hingegen kann erneut nicht an ihre Salander-Performance anschließen, spielt aber durchaus okay, doch Terrence Howard als eitler Gangsterboss und Dominic Cooper als hemdsärmeliger Ganove bleiben da eher im Gedächtnis haften. Skurril: Isabelle Hupperts für den Film zwar eher unnötige Nebenrolle (noch unnötiger als Rapaces Part), in der sie als hörgeschädigte Mutter mit Tupperfetisch die Szenen an sich reißt, egal ob sie scripttechnisch etwas dazu beizutragen hat oder nicht.
So bleibt ein im Ansatz interessanter, inszenatorisch durchaus stimmiger, aber schreiberisch doch recht zerfaserter Mix aus Rachethriller, Außenseiterromanze und Liebesdrama übrig, dessen zusammengewürfelte Bestandteile in sich durchaus gelungen sind (beispielsweise die durchaus drückenden Shoot-Outs), aber unterm Strich nicht zusammenpassen wollen. Und wenn man die weibliche Hauptrolle fast schon bequem aus dem Film entfernen könnte, dann ist das durchaus ein Problem.