Review

Der Hobbit SEE
Okay, ich liebe den Roman, ich verehre den Herrn der Ringe als Roman und Film und bin seit fast 45 Jahren Tolkienfan. Also Zeit, sich mal die SEE des Hobbits möglichst ungefiltert um die Ohren zu hauen…
Die Idee, aus dem Kinderbuch „Der kleine Hobbit“ nicht nur einen sondern gleich drei dreistündige Filme zu verwandeln, wurde als Geldmache verstanden. Zu Recht. Es gibt keinen Grund, das dünne Buch über 9 Stunden zu erzählen. Das ist die eine Crux dieser Verfilmung und führt leider schon im Ansatz dazu, dass sie nicht erfolgreich sein kann. Um die kurze Handlung auszuweiten greift man auf Stoff aus den Anhängen des Herrn der Ringe usw. zurück, was zum zweiten, noch größeren Problem führt, einer tief gehenden Unbalance im Film. Einerseits gibt es viele Gags und Albernheiten, die in die Vorlage passen würden, andererseits siedelt man das Geschehen im Mittelerde der ersten Trilogie an und alles soll schwer und episch wirken. Die Vorlage wechselt gelegentlich zwischen Kinderbuch und großem Rahmen, letzterer wird aber nur angedeutet, hier geht das wild durcheinander und an diesem Konflikt zerbricht die Filmreihe (und an dem Übereinsatz von CGI, den man dem Kinderfilm verziehen hätte, dem epischen aber nicht). Trotzdem funktioniert viel an der Verfilmung, Peter Jackson sei Dank.
Warum die Geschichte Erebors so früh erzählt wird, erschließt sich nicht wirklich, dafür funktionieren die Szenen im Auenland umso besser. Jackson weiß, dass der gute Wille des Publikums auf den wunderbaren Herr der Ringe Filme basiert, deshalb wird intensiv die Brücke geschlagen und Ian Holm darf noch einmal den alten Bilbo geben. Und wenn er die Worte „in a hole in the ground…“ rezitiert, unterlegt mit dem Auenlandthema, dann bekomme ich eine Gänsehaut. Martin Freeman übernimmt dann und ist natürlich eine Traumbesetzung als Bilbo, der einfach nur in Ruhe gelassen werden will, bis Ian McKellen in seiner Paraderolle auftritt. Der Auftakt im Auenland ist dann auch noch gelungen, wenn Bilbo über den Markt schlendert und danach unerwarterweise eine Party feiert und langsam aber sicher durchdreht. Hier sind wir noch in Kinderbuchland. Doch dann kommt Thorin Eichenschild, der von Anfang an viel zu gravitätisch schwer daherkommt. Trotzdem ist der Teil im Auenland noch wunderschön und passt sowohl zur Vorlage als auch in die Filmreihe. Im Prinzip hätte man diesen Teil als erste Folge einer Serie inszenieren können und damit recht viel Kritik obsolet gemacht (aber Kino bringt natürlich mehr Kohle). Kaum ist man auf der Reise wird es dann „episch“ in einer (computergenerierten) Schlacht Zwerge gegen Orks, die das Ganze stärker in die „große Geschichte“ stellen soll. Das passt nur leider nicht zu den ausgelassenen Zwergen, die wir 5 Minuten früher gesehen haben (ganz davon abgesehen, dass die Orks im Hobbit noch „Kobolde“ heißen). Eine eigentlich überflüssige Ergänzung, die ich trotzdem feiere, ist dann der Subplot um Radagast den Braunen. Auch hier soll künstlich Drama erzeugt und Laufzeit gestreckt werden, auch wenn der kauzige Radagast in den Kinerbuchzusammenhang passt. Nötig ist das wie ein Kropf, und das einzige Argument ist Sylvester McCoy. Der siebte Doctor kann so kauzig-alberne Charaktere, weshalb sein Auftritt zwar rückstandslos entfernt werden könnte, aber trotzdem Spaß macht (schade, dass Ace nicht dabei ist). Die Sequenz mit den Trollen darf natürlich nicht fehlen (hätte man das Ganze als Adaption ernst genommen, wäre sie sicher geflogen, aber so ist man froh über den Füller), da sie für Bilbos Entwicklung zentral ist, die man sonst, oh mein Gott, FILMISCH hätte darstellen müssen anstatt rein auf Storyebene. Hier bekommen wir eine übertirebene Actionszene mit dämlicher Auflösung (der Thorin, der vor zehn Minuten noch gesehen hat, wie sein halbes Volk gemeuchelt wurde, knickt hier ein wegen eines Hobbits, den er fünf Minuten kennt?). Auch hier – bei einer Serie hätte ich mir das gefallen lassen, aber in einem Film… Die Szene, als Gandalf und Thorin die Schwerter finden und Bilbo Stich bekommt ist dann Kinogold, 5 Minuten Magie in dem ganzen aufgeplusterten Bombast. Der dann auch in einer sinnfreien Actionsequenz weitergeht, bei weitem nicht der letzten. Diese endet in Rivendell (die Feen der Vorlage hätten auch wirklich nicht zu den Elben aus den anderen Filmen gepasst, also musste man sie anders einführen), was man aus einem Film hätte streichen können, aber in der großen Geschichte natürlich wichtig ist – und hier etwas Ruhe in die Geschichte bringt. Der Humor in der Sequenz ist allerdings völlig deplatziert, weder passt er zu den Zwergen, noch zur Situation (Thorin misstraut Elben und fasst nur langsam Vertrauen), bringt aber mal wieder 5 Minuten. Keine zehn Minuten später haben wir dann einen unheilsschwangeren Dialog über den Wahnsinn in Thorins Familie und einen (epischen) Auftritt von Galadriel und Saruman – Balance geht einfach anders.
Und dann fällt der Film leider völlig auseinander, sobald die Gruppe in den Minen von Orks angegriffen wird. Das ist albern, lächerlich, überproduziert und ein absoluter Tiefpunkt, die letzte Stunde reißt alles an Atmosphäre ein, was bisher aufgebaut wurde (Ausnahme natürlich die „Rätsel im Dunkeln“ Sequenz) und ist die schlechteste Phase der kompletten Saga (ja, ich ziehe sogar die alberne Flusssequenz in Smaugs Einöde vor). Nach dieser Sequenz dürfte man die Orks keine Sekunde mehr ernst nehmen – die Zwerge und Gandalf schnetzeln ein ganzes Volk, ohne einen Kratzer abzubekommen, was soll die Grütze? Ausgerechnet die ist parallel montiert zu Bilbos Begegnung mit Gollum, die natürlich ein Herzstück ist, als er den Einen Ring findet, habe ich noch einmal Gänsehaut. Gollum ist hier noch ein echtes Monster, was noch stärker wirkt, da man ja die Entwicklung kennt. Die Sequenz vertraut auf Freeman und Serkis und ist ein Highlight des Films (eingebettet in den Dunghaufen um den Goblin King. Ich will David Bowie. Und das sage ich nicht oft.), das wenigstens nicht groß unterbrochen wird, aber am Schluss noch einen Riessenbock schießt, als die Zwerge an Gollum und Bilbo vorbei laufen und er sie nicht um Hilfe ruft. Warum nicht? Die Szene, als er dann Gollum verschont ist dann wieder großartig. Das Schlimmste an der Goblinsequenz ist übrigens, dass sie noch weiter geht, als die Zwerge und Bilbo entkommen sind, und das Finale des ersten Teils bildet. Der zweite beginnt dann damit, dass man eine der besten Szenen des Buches, die häppchenweise Vorstellung bei Beorn, zugunsten einer überflüssigen Hetzjagd über Bord wirft bzw. atemlos durchhetzt. Dafür hat man dann keine Zeit, genauso wie für die Wanderung durch Finsterwald, die ebenfalls sehr straff abgehandelt wird, man muss ja Zeit für die Actionstepieces sparen anstatt für die Atmosphäre Zur Erinnerung - im Herrn der Ringe hatten wir nach der Laufzeit das Auenland, Bree, Rivendell, Moria und das Zerbrechen der Gemeinschaft gesehen, ohne das Gefühl zu bekommen, dass es zu wenig Action gab. Man ärgert sich mehr über die Dummheit der Zwerge, die viel zu schnell (im Verhältnis zur Laufzeit) den Weg verlassen, weil das langsame Zerbrechen in dem (atmosphärisch gestalteten) Wald zu schnell geht. Dafür kommt dann die Spinnensequenz und Jackson ist wieder in seinem Element. Hier wird es gruselig und atmosphärisch dicht, „nebenbei“ macht Bilbo sich mit seinem Ring vertraut, ohne dass das zu sehr in den Vordergrund gespielt wird. Der Film kommt wieder auf die Beine, auch die Gefangennahme durch die Elben ist dann gelungen. Dass Legolas auftaucht ist dabei nur folgerichtig, auch wenn er im Roman nicht namentlich erwähnt wird, immerhin kommt er aus Mirkwood. Die Erwähnung Gimlis ist kaum mehr als ein Schmunzler, aber immerhin ein gelungener. Die sich anbahnende Zwerg-Elbin-Love-Story ist peinliches Fillermaterial, das mich persönlich aber nicht wirklich stört, sondern zum Augenrollen bringt. Der nächste Augenroller ist dann die Flucht auf den Fässern, die so gar keinen Sinn ergibt, weil sie die Rolle Bilbos bei der Flucht und Rettung der Zwerge, die im Buch zentral ist, auch und vor allem für seine Entwicklung, reduziert. Zudem nervt wieder, dass Dutzende Orks gekillt werden, aber kein einziger Zwerg (oder Elb) ins Gras beißt, insgesamt ist das aber als Actionsequenz okay und stört nur, tut aber nicht aktiv weh. Die Talsohle ist durchschritten, die letzten fünf (!) Stunden werden unterhaltsam, aber leider nur stellenweise richtig gut. Bard schon so früh einzuführen ist eine gute Entscheidung, da er in einer Filmfassung fast automatisch zur Hauptfigur werden muss. Auch die Backstory um Dol Guldur und Sauron kommt endlich in die Gänge und fängt an, wirklich etwas zur Saga beizutragen. Ganz im Gegensatz zu der viel zu langen Sequenz in der Stadt am langen See, die „innenpolitischen“ Querelen tragen gar nichts zur Entwicklung der Charaktere oder der Handlung bei, außer vielleicht zu Bard. Das ist jetzt keine totale Katastrophe, bremst aber die Haupthandlung, genau wie der Vergiftungsblödsinn, der der Love Story geschuldet ist. Hier hätte man ohne Probleme eine ganze Stunde rausschneiden können (und dafür Beorn und Mirkwood ausbauen). Tiefpunkt ist dann, wenn Thorin Kili zurück lässt, weil er die Mission nicht gefährden kann – ähem, hatte er nicht bei den Trollen noch aufgegeben, um einen Hobbit zu retten, von dessen Fähigkeiten er nicht mal überzeugt ist? Relevant wird es dann erst wieder am Erebor und bei Gandalfs Erlebnisse in Dol Guldur, die im Hobbit nur ganz am Rande erwähnt werden (eigentlich nur, um seine Abwesenheit zu erklären, hier wird deutlich, dass eigentlich die Handlung um Bilbo, Thorin und Co die Randerscheinung ist). Gandalf darf endlich mal aktiv werden und selbst ein paar Orks verprügeln.
Bilbo trifft derweil den mächtigen Smaug und das Duell der beiden Sherlock-Stars ist natürlich ein weiteres Highlight, weniger hingegen die angreifenden Orks, die mittlerweile schon mit Tellerwerfen besiegt werden können. Nach dem Erwachen des Drachen gibt es dann wieder eine dieser laangen Actionsequenzen, die hier aber der Charakterisierung und Entwicklung Thorins dient und dank der Kulisse wirklich imposant daher kommt. Der Kampf der Stadt gegen Smaug ist dann das beste der ganzen überzogenen Actionsetpieces und ausnahmsweise auch nicht überflüssig. Smaugs Ende ist zentral, um zum Kern der Story, Gier, vorzustoßen und es ist wichtig zu zeigen, welchen Preis die Menschen dafür zahlen müssen und welches Leid dieser Krieg – und entsprechend der drohende Ringkrieg – verursacht. In einer perfekten Welt ist das Böse an dieser Stelle besiegt und alle sind glücklich. Dafür ist Tolkien aber zu sehr Realist und die bisher angesprochenen aber nicht ausformulierten Themen wie Gier, Krieg und die Frage, wie die Welt gerecht gestaltet werden kann, treten ins Zentrum der Geschichte (so nervig der opportunistische Helfer des Seefürsten  auch ist, dafür eignet er sich gut). Personifiziert wird dies an Thorin, der dem Gold verfällt (und leider bisher nicht wirklich edel gezeichnet wurde) und an Bilbo, der jetzt zum moralischen Kompass wird (nicht zu vergessen, er wird das erste Lebewesen sein, das den Ring freiwillig abgibt, die Saat wird spätestens hier gelegt). Die Szenen zwischen den beiden sind dann auch die absoluten Highlights. Aus der kleinen Geschichte um Zwerge, die in ihren Berg zurück wollen, wird ein Kapitel aus der großen Saga um Mittelerde, weshalb auch der Auftritt von Galadriel, Elrond, Saruman  und Radagast passen und wir den Rat  - vor allem Saruman vor seinem Fall - endlich einmal in Aktion sehen. Vor allem nimmt man sich hier endlich die Zeit, die Geschichte aufzubauen. Die einzelnen Elemente werden nicht wild ineinander gewürfelt sondern aufgebaut und es scheint auf eine Schlacht hinauszulaufen, die niemand wirklich will, aber auch keiner verhindert. Bis auf Bilbo, den unwahrscheinlichsten Kandidaten, der seinen Lohn, seine Loyalität und sogar sein Gewissen aufgibt, um das Blutvergießen zu verhindern – ein Blutvergießen, dass durch die aufziehende Gefahr durch Mordor einen Keil zwischen die freien Völker treiben würde, der das Ende Mittelerdes bedeuten würde. Leider macht der Film den Fehler, es wirklich zu Kampfhandlungen zwischen Elben und Zwergen kommen zu lassen, zum Glück nur für Sekunden. Mit noch 90 Minuten auf der Uhr kommt es zur titelgebenden Schlacht (Beorn und die Adler fehlen irgendwie?), die im Buch in ein paar Sätzen abgehandelt wird, weil Tolkien, der Kriege und Schlachten kannte, ein Einsehen hatte und Bilbo betäubt zu Boden schickt. Hier sehen wir den Kampf in epischer Breite. Nein, das kommt nicht an Helms Klamm ran, auch nicht an den Fall der nördlichen Mauer. Cool ist es ehrlich gesagt trotzdem, wenn auch sehr ausgewalzt. Aber ein Zwergenheer zusammen mit Elben und Menschen kämpfen sehen, das at einfach was. Allerdings auch hier – die Orks haben sich jahrelang auf so etwas vorbereitet und lassen sich von Zivilisten und Kindern zurück treiben… an dieser Stelle des Films ist das echt schwierig, da wir es hier eindeutig nicht mehr mit einer Kinderstory zu tun haben.  Auch fehlt hier der „für Frodo!“ Moment, der so zentral im dritten Herr-der-Ringe ist, weil er mit zwei Worten (dank eines überragenden Viggo Mortensen) das ganze Pathos erdet. Hier gibt es Action und Eye Candy, aber nicht wirklich Emotion. Schwierig finde ich, dass Bilbo zu lange in die Kampfhandlungen involviert ist – so wird er quasi zum Kriegshelden, was der Figur widerspricht. Auch, dass Tauriel (eine ELBIN!) am Schluss natürlich gerettet werden muss (also Mann/Frau sticht Elbe/Zwerg), stößt ein wenig sauer auf, dass es am Ende nicht Zwerge, Elben oder Menschen sind, die die Wendung bringen, sondern die im letzten Moment eingreifende Natur in Form von Adlern, Bären und Radagast dagegen ist folgerichtig. Thorins Tod in Bilbos Armen ist zwar als emotionaler Moment konzipiert, funktioniert aber dennoch, weil die beiden eben am Anfang mehrere wichtige Szenen hatten. Das Ende gerät dann natürlich sehr sentimental, wobei vor allem Bilbo und Gandalf nebeneinander sitzend eigentlich alles sagen, was man zu wissen braucht. Man fragt sich schon, warum ausgerechnet Fili, Kili und Thorin aufwendig betrauert werden, wo doch so viele gefallen sind.
Bilbos Heimkehr bringt dann die Leichtigkeit des Auenlands zurück in die Geschichte und  zeigt subtil den Preis für große Heldentaten – der kleine Hobbit hat Großes geleistet und dabei fast sein Zuhause verloren. Tolkien schenkt ihm am Ende einen ruhigen Lebensabend, ein Teil davon sogar in Rivendell, während sein Neffe Frodo das nächste Abenteuer übernehmen muss. Hier werden die beiden Trilogien wunderbar verbunden, wenn das Ende  in den Anfang in die Gemeinschaft des Rings überleitet und über den Abspann (Christopher Lee!) „The Last Goodbye" ertönt und man Mittelerde verlässt, am Ende einer großen Saga, auch wenn Der Hobbit nicht an Der Herr der Ringe heranreicht. Aber was tut das schon?
Der Anfang mach leider viel falsch und der Mittelteil hat sehr viel Füllmaterial, der dritte Teil versöhnt dann mit Vielem und rettet die Erfahrung. 9 Stunden sind viel zu lang, aber verdammt, es sind 9 Stunden in Mittelerde.

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