Das Prequel zur beliebten „Herr der Ringe“-Saga, die Verfilmung eines weltbekannten Jugendbuches und noch dazu der erste Film, der die 48-FPS-Technologie benutzt: „Der Hobbit – Eine unerwartete Reise“ war sicherlich einer der größten Eventfilme des Kinojahres 2012.
Die technische Seite rief viel Unmut hervor, nötig waren wohl weder das 3D noch die 48 FPS, doch störend ist dies wiederum auch nicht: Während des Prologs, der den Angriff des Drachen Smaug auf das Zwergenkönigreich Erebor zeigt, muss man sich noch eingewöhnen, danach ist man aber bald im Film und seiner Ästhetik drin. Smaugs Angriff jedenfalls bringt nicht nur den gewaltigen Goldschatz des Königs in seine Gewalt und tötet Unmengen von Zwergen, sondern macht die Überlebenden zu Vertriebenen, die heimatlos durch die Lande ziehen.
Eingebettet in eine Rahmenhandlung, die Frodo (Elijah Wood) noch einen Gastauftritt beschert, geht es weiter nach Beutelsend im Auenland, sechzig Jahre vor den „Herr der Ringe“-Geschehnissen: Bilbo Beutlin (Martin Freeman) will faul sein und seine Ruhe haben, doch Zauberer Gandalf (Ian McKellen) verlegt das Treffen zwergischer Abenteurer gegen Bilbos Willen in dessen Hütte. Es folgt eine Einführung aller Charaktere rund um den charismatischen Zwergenhelden Thorin Eichenschild (Richard Armitage), Gefeiere, Gesinge, Hintergrundgeschichte – kurz fasst sich „Der Hobbit“ nicht, will er doch ein vergleichsweise dünnes Buch für drei Filme nutzen, wo die ursprüngliche HdR-Trilogie bei einem Film pro dickem Einzelbuch blieb.
Die illustre Zwergentruppe nebst Gandalf will Erebor zurückerobern, könnte aber noch Bilbos flinke Finger als potentiellen Meisterdieb gebrauchen – nicht zuletzt, da der mittlerweile schlafende Smaug den Geruch von Hobbits nicht kennt. Erst sträubt sich Bilbo mit aller Kraft, doch schließlich obsiegt die Lust auf Abenteuer…
„Der Hobbit“ ist am Ende das geworden, was man davon erwartet hat: Der kleine Bruder der „Herr der Ringe“-Trilogie, mit den zu erwartenden Stärken und Schwächen, wobei erstere klar überwiegen. Schon nach kurzer Zeit stellt sich das altbekannte „Herr der Ringe“-Flair ein, der liebevollen Inszenierung durch Peter Jackson sei Dank, der man den Respekt vor und die Begeisterung für die Vorlage ganz klar anmerkt. Ein atemberaubenden Landschaftsaufnahmen und state of art Effekten schwelgendes, phantastisch bebildertes Filmerlebnis, dessen Messages man vermutlich in jedem Gegenwartsfilm naiv finden würde (glaube an dich selbst, dann schaffst du alles und so), die hier aber im Fantasykontext tatsächlich funktionieren, ebenso wie dosiert eingesetztes Pathos.
Um das erwähnte HdR-Feeling zu erzeugen, haben sich Jackson und seine Autoren auch fleißig der künstlerischen Freiheiten bedient und die Vorlage abgewandelt: Neben Frodo haben auch Galadriel (Cate Blanchett), Saruman (Christopher Lee) und Elrond (Hugo Weaving) ihre Auftritte, die den Zuschauer an Ring-Trilogie erinnern sollen, außerdem ist die Handlung ausgebaut worden, damit genug Stoff für drei Filme da ist. Neben Smaug warten also noch ein fieser Nekromant und eine rachsüchtige Ork-Horde, die es auf Thorin abgesehen hat, als potentielle Gefahrenquellen, wobei der Todeszauberer nur kurz eingeführt und vermutlich im Folgefilm eine größere Rolle spielen darf. Als Buch war „Der Hobbit“ ein Stoff für die Jüngeren und das merkt man dem Film durchaus an: Weniger Gesamtzusammenhänge, mehr einfaches Abenteuer in der kleinen Gruppe, das zeichnet die Handlung aus, die den Weg der Truppe beschreibt.
Besagte Handlung ist da kein reiner Vorwand für Action, doch es fällt auf, dass die Kampfszenen zu den gut verteilten Höhepunkten des Fantasy-Abenteuers gehören: Immer wieder darf man sich mit Orks und Goblins anlegen, eifrig werden die Gegner mit Waffengewalt, Magie oder anderen Tricks zerlegt, man wird durchs Grasland und durch eine Minenstadt gejagt – pures eye candy, dynamisch inszeniert und ebenso wunderbar choreographiert, dann stören auch die sichtlichen Kinderbucheinflüsse nicht, wenn trotz toter Orks im Hundertpack Verletzungen auf Heldenseite Mangelware sind. Einzig und allein daneben ist die physikalisch gänzlich unglaubwürdige Mega-Rutschpartie in der Minenstadt, Fantasyszenario hin oder her, da wäre Zurückhaltung deutlich besser gewesen.
Ebenfalls etwas unschön ist der Humor in der Bergtroll-Sequenz, der mit dem Hinternkratzen eines Trolls und dem Vollschnäuzen Bilbos genau auf der Linie des „Transformers 2“-Humors liegt. Ansonsten ist „Der Hobbit“ jedoch ein warmherziger Blockbuster, dessen dosierter Witz sich kaum Plattheiten erlaubt, gelegentlich etwas spielerisch-albern ist (etwa wenn die Zwerge Bilbos Speisekammer leerfressen), aber angesichts der Vorlage ist das vollkommen in Ordnung.
Auch beim Casting beweisen Peter Jackson und seine Crew das Feingefühl, das schon die HdR-Trilogie auszeichnete: Der vor allem als „Sherlock“-Sidekick bekannte Martin Freeman als gemütlicher Hobbit mit Heldenherz schlägt sich famos in der Hauptrolle, doch die wahre Entdeckung ist Richard Armitage als charismatischer zwergischer Thronaspirant, der hier immer wieder die Szenen stiehlt. Ian McKellen als Gandalf ist gewohnt lässig, Andy Serkis in seiner Paraderolle als Gollum hat zwar nur ein wenig Screentime gegen Ende, beweist aber erneut, dass man auch Motion-Capture-Performances wie die seinen bei Award-Vergaben berücksichtigen sollte. Die restlichen HdR-Regulars liefern gewohnt Gutes in kleinen Rollen ab, der Rest vom Cast schlägt sich wacker, wobei nicht alle Zwergendarsteller genug Screentime erhalten, um sich so richtig zu profilieren. Für einen von ihnen kann man sich allerdings freuen: Graham McTavish („John Rambo“, „Hooligans 2“) darf als Zwergenkrieger endlich auch mal dem ganz großen Mainstreampublikum sein Talent zeigen.
Auch wenn Jacksons neuer Film nicht an seine epochale HdR-Trilogie heranreicht, so bietet „Der Hobbit“ dennoch kurzweilige 3 Stunden schicker Fantasyunterhaltung, die trotz einiger Schwächen als kleiner Bruder besagter Filmreihe zu gefallen wissen. Ein einfaches, aber mit unglaublicher Liebe inszeniertes Fantasyabenteuer zum Drinversinken, auf dem Niveau oder noch höher darf es gerne weitergehen.