"In einem Loch im Boden, da lebte ein Hobbit."
Mehr als überrascht ist der Hobbit Bilbo Beutlin aus dem Auenland, als er sich völlig unvorbereitet einer dreizehnköpfigen Gruppe von Zwergen in seinem Haus gegenübersieht. Noch verwunderlicher scheint es ihm, dass der ebenso anwesende Zauberer Gandalf ihm eröffnet, dass er das letzte Mitglied dieser Truppe sein soll, welche gen Osten zu dem einsamen Berg Erebor zieht. Diese einstige Heimat der Zwerge wurde von dem Drachen Smaug zerstört und besetzt und nun scheint die Zeit gekommen, sie zurückzuerobern.
Und so beginnt eine unerwartete Reise. Die lange Einführung ist dabei meines Erachtens gelungen und notwendig, bedenkt man die Ausmaße der Geschichte, die sich über eine Trilogie erstreckt. Natürlich kommen da Zweifel auf, wie man das (verhältnismäßig) dünne Buch zu solch einem überlangen Gesamtfilm strecken will. Doch kann man zumindest für den ersten Teil Entwarnung geben. Kennern des Buches werden einige Änderungen auffallen. So wurde zum Beispiel die Szene mit den drei Trollen abgewandelt, den Steinriesen mehr Zeit als im Buch eingeräumt und auch Charaktere, die im Buch nicht oder nur kurz erwähnt werden, bekommen einigen Platz. Im Gesamten funktioniert das gut und stört nicht den Fluss des Films.
Der Humor, von manchen Seiten und stellenweise zutreffend als kindisch bezeichnet, fügt sich oftmals passend in das Bild ein. Man sollte auch nicht vergessen, dass der Hobbit kein Düsterepos wie "Der Herr der Ringe" darstellt, der Ton märchenhafter ist und somit nicht diese teils bedeutungsschwangere Schwere bzw. Weltuntergangsstimmung verbreitet. Allerdings wirkt er dadurch auch nicht so episch wie sein "großer Bruder". Trotzdem ist die Umsetzung dunkler und rabiater als ich sie erwartet hätte und somit wäre das Prädikat Kinderfilm hier nicht angemessen.
Zugegeben, die erste Zeit war ein gewisses Fremdeln vorhanden. Zwar wirkt der Stil gleich dem in der Ringe-Trilogie und es lag vielleicht an all den neuen Figuren und eben der anderen Ausrichtung des Abenteuers. Doch irgendwann stellte sich wieder das heimelige Mittelerde-Gefühl ein, als ob man wieder in eine bekannte, liebgewonnene Welt zurückkehrt. Und ab dem Punkt hatte mich der Film einfach, ein vertrautes Gefühl breitete sich in mir aus und am Ende war es wie vor 10 Jahren, dass ich kaum erwarten konnte, wie es weiterging. Und das trotz der Kenntnis der Buchvorlage.
Die Reise beginnt langsam, steigert sich aber bis zum Ende erheblich im Tempo. Die zweite Hälfte ist durchzogen von überbordenden Actionsequenzen, tritt aber auch immer auf die Bremse, bevor es zu viel wird. "Eye Candy" ist reichlich vorhanden und die auch hier wieder für die Effekte verantwortliche Besatzung von Weta Workshop hatte mehr als ordentlich zu tun. Zweischneidig mutet hier die Tatsache an, dass die Effekte denen in den Ring-Filmen stark ähneln. Gut ist dies, da sich so ein Gesamtbild ohne Stilbruch erkennen lässt. Schlecht, weil die gleichen (allerdings nicht gravierenden) Mängel wie bei erwähnter Trilogie erkennbar sind. Aber dies ist Meckern auf sehr hohem Niveau; die phantastischen Bilder werden einem hier nur so um die Ohren gehauen. Gleiches gilt für die Maskenabteilung, den Schnitt und überhaupt die technischen Aspekte des Films. Zumindest bei der 2D-Version, die ich gesehen habe.
Howard Shore steuert wieder die Filmmusik bei, bedient sich passenderweise aus seinem eigenen Fundus an Themen der Ring-Trilogie, fügt aber auch viele wunderbare Melodien hinzu. Schwelgend in epischer Breite, passend zu den wunderschönen Landschaftspanoramen; dramatisch oder rasant wie eine Hatz durch die unterirdischen Anlagen der Goblins.
Ein freudiges Wiedersehen gibt es mit einigen bekannten Gesichtern aus dem Herrn der Ringe. Ian McKellen, Cate Blanchett, Hugo Weaving und Christopher Lee geben sich in ihren bekannten Rollen ein Stelldichein und selbst Ian Holm als alter Bilbo und Eliah Wood als Frodo haben zu Beginn einen Auftritt. Man merkt, dass eine Verbindung zu den Ring-Filmen aufgebaut werden soll.
Der darstellerisch beste Neuzugang ist Martin Freeman als Bilbo Beutlin, der die Rolle von Anfang an gekonnt verkörpert und schnell Sympathien einheimst. Aus der etwas unübersichtlichen Zwergenschar stechen ein paar Figuren heraus, andere bleiben eher im Hintergrund. Insgesamt funktioniert das Ensemble gut, wirkt dynamisch und lebendig.
Was auch auf eine Figur zutrifft, die eine der Highlight-Szenen für sich verbuchen kann. Andy Serkis gibt wieder den Gollum, der in seiner Darstellung seinen früheren Auftritten mindestens ebenbürtig ist, wenn nicht sogar darübersteht. Der Abschnitt mit ihm und Bilbo ist intensiv, spannend und besitzt zu seinem Ende hin gar einen beeindruckenden Moment.
Peter Jackson knüpft mit dem Hobbit zwar inszenatorisch nicht gleichwertig an seine Ring-Filme an, doch gelingt ihm (wieder) ein großes Abenteuer in Mittelerde mit bekannten und neuen Figuren, großen Bildern und einem audio-visuellen Erlebnis.
Im Dezember geht es weiter. Das Warten wird lang.