Review

Rosa von Praunheim ist großartig und trotz meiner Heterosexualität Teil meines jugendlichen Punkseins. Seine Attitüde, sein Gespür für empfindliche Themen und seine schmerzhafte Ehrlichkeit und Menschlichkeit sind erfrischend und sein Film "Männer, Helden, schwule Nazis" bot mir damals mit knapp 17 einen interessanten, aber mitunter auch verstörenden Einblick in das emotionale Innenleben homosexueller Rechtsextremisten. Plus: mit "Die Bettwurst" hat er sich im deutschen Befremdlichkeitskino verewigt. Seine filmische Kampfschrift "Nicht der homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt" sah ich einige Jahre nach meiner Begegnung mit den schwulen Nazis und ließ mich kopfschüttelnd zurück. Nicht ob des Filmes oder der ihm innewohnenden Botschaft, sondern ob der Gesellschaft, deren Ignoranz Filme wie diesen erst notwendig machte - und immer noch macht. Nicht bei mir: nach einigen bibelinduzierten Irrungen erzkatholischer Auswirkungen und einer langen Reflektion darüber habe ich recht früh begriffen, dass Diskriminierung scheiße ist.

Aus der Sicht des jungen Daniel, eines jungen feschen Burschen vom Lande, wird der schwule Großstadtalltag mit seinen Verlockungen und Gefahren gezeigt. Nach zwei zerbrochenen Beziehungen lenkt sich unser Protagonist in Cafés und Clubs ab, tingelt zwischen den Klappen der Stadt hin und her und kommt doch nirgendwo zur Ruhe. Erst beim Zusammentreffen mit einer Gruppe queerer Aktivisten in einer Herrensauna findet er tatsächliche Unterstützung in seinem Schwulsein und in seinem Bestreben nach einem besseren Leben in einer von Heteronormativität diktierten Gesellschaft, wo es verführerisch ist, sich hinter der harten Maske lederner Fetischrocker oder der kitschigen Scheinwelt von Varietéshows zu verstecken. Begleitend zur Handlung wird der Film von den Thesen des Sexualwissenschaftlers Martin Dannecker begleitet.

Soweit, so gut, so richtig. Aber irgendwie fehlt da doch etwas: Der Titel impliziert eine Kritik an der schwulenfeindlichen Gesellschaft, selbige Kritik richten von Praunheim und Dannecker aber gegen die vermeidlich politisch und sozial passiven Schwulen, die sich gefälligst zusammenzureißen haben. Aber wo bleibt die verdiente Keule gegen ignorante Heten und vor allem: wo bleibt sie in einer Zeit, in der die deutsche Politik nachhaltig von Altnazis geprägt wurde? Die Aufstände der Bewegung in den USA werden von den Protagonisten angesprochen, aber warum zeigt man es nicht? Eine einzige Szene, in der eine Queer Person sich erfolgreich gegen einen diskriminierenden Verbalübergriff oder körperliche Gewalt wehrt wäre ausreichend gewesen, um zumindest in der Welt der Kunst etwas mehr ausreichende Gerechtigkeit zu schaffen. Gerade, da in Deutschland nie etwas vergleichbares wie die Stonewall Riots stattfand fehlen solche Momente. Vom inhaltlichen abgesehen empfinde ich die Inszenierung als Semistummfilm, der fast ausschließlich im Voice over erzählt wird schwierig, was aber wohl finanzielle und / oder technische Gründe gehabt haben mag.

Die Wichtigkeit dieses Filmes bleibt unbestritten, der Fokus hingegen müsste auch dieser Tage und trotz vieler (scheinbarer) positiver Veränderungen ein anderer sein: eine klare Kritik an dem damals wie heute herrschenden Ungeist. So oder so, von Praunheim und Dannecker haben ihr erklärtes Ziel erreicht, wenn auch über einen langen Umweg. In Sachen queeres Kino ist der Film Pflichtprogramm und man(n) sollte ihn auch als Heterosexueller und trotz aller Kritikpunkte mal gesehen haben. Und sei es nur, um sich bewusst zu machen, wie lange der Weg ist, den wir in Sachen Akzeptanz hinter uns haben und wie viel der Strecke noch vor uns liegt. 




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