Review

Eine Annäherung an eine unbekannte Szene...

Als Heterosexueller und Nicht-Kenner der Gay Community war dieses Thema lange Zeit ein rotes Tuch für mich. Ehrlich gesagt hatte es mich nie großartig interessiert, wer in meinem Bekannten- und Kollegenkreis schwul oder lesbisch ist. Getreu dem Motto "Leben und leben lassen" hatte ich jedem das Seinige zugestanden, so lange ich selbst nichts Näheres damit zu tun hatte... In gewisser Weise war ich dann doch auf die TV-Ausstrahlung des Rosa von Praunheim-Klassikers "Nicht der Homosexuelle ist pervers..." neugierig, zumal es in Deutschland (und nicht nur hier...) leider immer noch Regionen oder Gesellschaftsschichten gibt, die nicht normal mit diesem Thema umgehen können. Der Rundfunk aus dem erzkatholischen Bayern hatte ja damals sogar die Erstausstrahlung im Fernsehen untersagt...

Hauptprotagonist der Geschichte ist der junge Daniel, der - zumindest dem Dialekt zu Folge - irgendwo aus dem kurpfälzer Raum entstammt, jedoch seit einpaar Wochen in Berlin lebt. Dort verliebt er sich in Clemens, zu dem er sich eigentlich sehr hingezogen fühlt, die Suche nach dem Neuen und dem Abenteuer jedoch stärker ist. Und so streift Daniel durch die Bars und Cafés, die Toiletten und Strandbäder, Parks und Privatpartys, um die Facetten des Schwulendaseins kennenzulernen...

Halb dokumentarisch, halb als Spielfilm präsentiert von Praunheim die Odysee seiner Hauptfigur. Begleitet wird das Ganze durch Kommentare aus dem Off, welche die Situation der Homosexuellen Anfang der 70er Jahre schildern: was Schwulsein bedeutet, aber auch die Missachtung der Gesellschaft oder die eigenen Probleme wie Vereinsamung, Narzissmus, Selbstverachtung etc. werden darin angesprochen.

"Sind die wirklich so??", habe ich mich während des Filmes nicht nur einmal gefragt. Zugebenermaßen tat ich mich etwas schwer mit diesem Werk, dass meiner Meinung nach schon fast parodistische Züge und viel unfreiwillige Komik beinhaltet. Als Nicht-Kenner der Szene hatte ich meine Probleme, mich in diesen Microcosmos aus Kitsch, Travestie, Modefimmel, Homo-Erotik, aber auch kritischen sozialen Untertönen hineinzufinden. So präsentiert der Regisseur nicht selten eine einzige Aneinanderreihung von Klischee, für das die Gays von anderer Seite aus als Witzfiguren abgestempelt werden: Tunten, Transvestiten, weibisch-hysterische Kerle, eitle Modefuzzis, Ledermachos etc. In diesem Zusammenhang fällt mir der Andy Milligan-Kurzfilm "Vapors" ein, den ich vor einiger Zeit hier auf der OFDb besprochen habe. Das Thema Homosexualität wird hier eindeutig einfühlsamer und künstlerischer dargestellt. Vor allem werden Homos als normale Menschen präsentiert, die mit ihren Neigungen in erster Linie selbst zurecht kommen müssen.

Trotzdem sind ambitionierte Projekte wie "Nicht der Homosexuelle ist pervers..." jederzeit begrüßenswert. Bekanntermaßen resultiert der meiste Hass und die meiste Verachtung aus dem Nichtkennen und Nichtwissen (bzw. altbackenen religiösen oder spießbürgerlichen Ansichten) und das beste Mittel dagegen ist immernoch die Aufklärung. So bietet der von Praunheim-Film neben einem ordentlichen Unterhaltungswert doch einige neue Erkenntnisse für Außenstehende. Es ist deshalb unverständlich, dass Menschen immer noch aufgrund einer sexuellen Ausrichtung - die in keinster Weise moralisch wie gesetzlich verwerflich ist - immernoch gemobbt und diskriminiert werden. In meinen Augen kann ein Schwuler oder eine Lesbe genauso wenig etwas für ihre Neigung wie beispielsweise ein Afrikaner für seine dunkle Hautfarbe. Trotzdem misst unsere Gesellschaft immernoch zu sehr mit zweierlei Maß: sagt man was gegen den einen, ist man ein Rassist; sagt man was gegen den anderen, ist es völlig legitim. Es wird Zeit, dass wir mal von dieser unsäglichen Doppelmoral wegkommen!

Andererseits sollten die Homosexuellen mit mehr Vehemenz dafür eintreten, wollen sie gesellschaftlich wirklich akzeptiert werden. Eine Präsentation von Klischees, für die sie ja in bestimmte Schubladen gesteckt werden, ist der falsche Weg! Viel eher sollten die Homos bewusst das "Normale" herauskehren, um zu zeigen, dass sie nicht anders sind als die anderen...

Fazit (zum Film): Auf jeden Fall unterhaltsam und auch aufschlussreich. Vielleicht nicht der ganze große Wurf in punkto Appell an die Toleranz, aber mit Kuriositätenbonus starke 7 von 10 Punkten wert!

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