Es kommt ja selten genug vor, dass der von der Kritikerschar ausgesprochene Tenor mehr oder weniger einstimmig ausfällt. Fritz Langs „Metropolis“ aus dem Jahre 1927 ist einer jener seltenen Fälle. Doch das war nicht immer so: Heute als unumstrittener Meilenstein und „Mutter des Science-Fiction-Films“ bezeichnet, hatte Lang seinerzeit nicht überall die Reputation für seine Dystopie erhalten, die ihm heutzutage zuteil wird. So urteilte beispielsweise Herbert Ihering bereits eingangs seiner am 11.01.1927 (einen Tag nach der Premiere) im Berliner Börsen-Courier erschienenen Besprechung:
Mit größten Erwartungen ging man in diesen Film; Einzelheiten faszinierten; das Ganze enttäuschte.
Und auch die UFA dürfte seinerzeit nicht sonderlich begeistert vom filmischen Werk Langs gewesen sein: Mit 5 Millionen Reichsmark Produktionskosten die bis dato teuerste deutsche Filmproduktion, war der Film an den Kinokassen ein unsäglicher Flop. Kurzerhand wurde das ursprüngliche Werk von ca. 210 Minuten Laufzeit auf massentaugliche 80 Minuten gekürzt. Ein Schritt, den vor allen Dingen heutige Filmliebhaber aufs Übelste verfluchen dürften, da durch diesen Schnitt (und einige spätere Eingriffe in das Ursprungsmaterial) ein Großteil des ursprünglichen Werks verloren ging. So fehlen auch in der dieser Rezension zugrunde liegenden von der Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung restaurierten Fassung noch ca. 60 Minuten. Nichtsdestotrotz gewährt auch diese kürzere Fassung von „Metropolis“ einen beeindruckenden Einblick in das herausragende filmerische Können, mit dem Fritz Lang gesegnet war.
Dass seiner dystopischen Science-Fiction-Mär der dramaturgische Feinschliff fehlt, die gesamte Geschichte reichlich naiv und flach erscheint, wurde Lang bereits 1927 vorgeworfen und auch heute kann man sich nicht des Eindrucks verwehren, dass der Regisseur sich viel lieber mit technischen Spielereien auseinandersetzte als mit dem Drehbuch seiner Gattin Thea von Harbou. Sicherlich beinhaltet Metropolis politische, sozialkritische und auch philosophische Untertöne, diese verfliegen jedoch in der visuellen Bombast-Inszenierung Langs allzu schnell.
„Metropolis“, die Stadt, in der Arm und Reich streng getrennt voneinander leben und in deren Untergrund es bereits zu brodeln beginnt, erinnert in seiner optisch beeindruckenden, zeitweise bedrückenden Erscheinung ein wenig an das New York des frühen 20. Jahrhunderts. Wunderschön und zugleich eigenartig bedrohlich machen die Kulissen den besonderen Reiz dieses Klassikers aus und so finden sich auch etliche Szenen aus „Metropolis“ in zeitgenössischen Filmen wieder (u.a. „Blade Runner“, „Batman“, „Brazil“, „Minority Report“…). Der wegweisende Charakter dieses Filmes ist also nicht abzustreiten, wird er doch – zumindest visuell – so oft zitiert wie wohl kein anderer Film. Mit seiner technisch auf höchstem Niveau befindlichen Inszenierung, die sich in der hervorragenden musikalischen Untermalung fortführt, vermag „Metropolis“ auch heute noch jeden zu überzeugen, der sich einmal fern von modernen Sehgewohnheiten auf einen märchenhaften Science-Fiction-Film aus der Stummfilmzeit einlässt.
Bei all der Technik seien jedoch die schauspielerischen Leistungen keineswegs vergessen: allen voran Rudolf Klein-Rogge als psychopathischer Wissenschaftler Rothwang und Brigitte Helm als Maria bzw. Maschinenmensch sind da herauszuheben. Gerade an der Darstellung dieser beiden Schauspieler ist eindrucksvoll ersichtlich, wie stark zur Zeit des Stummfilms der Einfluss von Mimik und Gestik auf das Filmerlebnis war, beide entpuppen sich als Meister im schauspielerischen Fach.
Mittler zwischen Hirn und Händen muss das Herz sein.
Wo der Verstand und die Tatkraft nichts mehr anrichten können, schaltet sich das Herz, schalten sich die Emotionen ein. Doch muss man sich hier wirklich an diese Worte aus „Metropolis“ halten, um jenen Film beurteilen zu können? Nicht unbedingt, denn bereits der Verstand des Filmfreundes sagt, dass es sich bei Langs Meisterwerk um einen der wichtigsten Vertreter der Filmgeschichte handelt, den man nicht so ohne weiteres mit einem Pauschal-Urteil bewerten darf. Und genau da schaltet sich das Herz als Mittler zwischen dem bereits Erkannten und den Händen, die just in diesem Moment diese Kritik tippen, ein und gibt den endgültigen Antrieb, die Höchstwertung zu vergeben.