Im Jahre 2013 feierte der österreichische Werbe- und Videoclip-Regisseur Markus Blunder in Gestalt des hier nun zur Besprechung vorliegenden dramatischen Thrillers „Autumn Blood“ sein Spielfilmdebüt: In englischer Sprache – aber fast ohne Worte – mit einer internationalen Cast&Crew in den malerisch schönen Wäldern, Bergen und Tälern Tirols realisiert, handelt dieses beklemmende, abseits des Mainstreams zu verortende, seitens seines Schöpfers selbst mal als ein „alpiner Western“ umschriebene Werk von einer auf einem abgelegenen Alm-Hof lebenden jungen Familie, deren glücklich-friedfertige Existenz eines Tages jedoch ein jähes Ende erfährt, als der Ehemann und Vater (Jonas Laux) im Rahmen einer Konfrontation mit dem von Peter Storemare verkörperten Bürgermeister eines unweit entfernten Örtchens auf offener Straße erschossen wird. Diverse Monate verstreichen, in denen sich die Mutter (Jacqueline Le Saunier) so gut es nur geht sowohl um die Weiterführung ihres (von der übrigen Bevölkerung nahezu völlig abgegrenzten) Alltags als auch um ihre inzwischen 16-jährige Tochter (Sophie Lowe) und deren seit jenem traumatischen Ereignis verstummten kleinen Bruder (Maximilian Harnisch) kümmert. Es ist in diesem Kontext, dass das Schicksal gleich doppelt unerbittlich zuschlägt: Just als ihre Mutter unerwartet an den Auswirkungen einer Krankheit verstirbt, vergewaltigt ein Jäger (Samuel Vauramo) das Mädchen am Ufer eines Baches, wo er sie zuvor beim Sonnenbaden entdeckt hatte. Aus Angst (u.a. vor einer Trennung der Geschwister) verheimlichen sie beide Vorfälle – was ihnen allerdings nur eine Zeit lang gelingt. Eines Nachts verschafft sich der Jäger dann zusammen mit zwei Freunden (Gustaf Skarsgård und Tim Morten Uhlenbrock) Zugang zu ihrem Zuhause: Eine in einem neuerlichen Missbrauch der Teenagerin mündende Tat. Unmittelbar darauf taucht im Ort eine dank eines besorgten Post-Angestellten (George Lenz) alarmierte Sozialarbeiterin (Annica McCrudden) auf, deren Nachforschungen die Vergewaltiger kurzerhand zu der Entscheidung animieren, die Kinder töten zu wollen, um auf diesem Wege weder Spuren noch Zeugen zu hinterlassen: Eine erbarmungslose Hetzjagd durch die raue Wildnis der Alpen setzt ein...
Bei „Autumn Blood“ sind es vor allem die mit einem stimmungsvollen Score Robert Millers unterlegten Bilder, welche die von Blunder und Stephen T. Barton co-verfasste Geschichte erzählen: Frei solcher Eigenschaften wie Namen, per Voiceover mitgeteilten Gedanken Schrägstrich inneren Monologen sowie mit nicht mehr als einem absoluten Minimum an gesprochenen bzw. zu vernehmenden Dialogzeilen aufwartend, oblag es somit dem gesamten Team (vor und hinter der Kamera) in einem herausfordernden Maße, alle zentralen Botschaften, Informationen und Empfindungen ohne der „Zuhilfenahme“ inhaltsschwerer Konversationen oder anderweitiger detaillierter verbaler Ausführungen zu vermitteln. Während einige unweigerlich erkeimende Fragen im Zuge der Verlaufsentfaltung eine Beantwortung erfahren – etwa was es wohl mit dem Streit zwischen der Mutter und dem Bürgermeister auf sich hatte, der letztlich in dem Tod ihres Ehegatten resultierte – verbleiben andere dagegen (wie die nach der Art ihrer Erkrankung) bis zum Ende hin unaufgeklärt. Obgleich sich der Betrachter so manches selbst zu erdenken vermag, ist das Erlangen des betreffenden Wissens in vereinzelten Fällen auch überhaupt nicht notwendig. Unabhängig spezieller Story-Elemente, die einem (in verwandter Form) u.a. bereits aus konventionelleren Werken verschiedener Genres vertraut sind, ist diese für Programmkinos bestens geeignete Veröffentlichung in erster Linie einem „Indie“-affinen Publikum zu empfehlen: Zuschauer, die (z.B. basierend auf der Thematik oder Aufmachung gewisser Poster- und Cover-Motive) eher einen „Reißer“ in der Tradition von „I spit on your Grave“ erwarten, dürfte das Gebotene vermutlich (mehr oder minder stark) enttäuschen oder gar verärgern – in diesem Zusammenhang würde ich einfach mal Ingmar Bergman´s „the Virgin Spring“ zur groben Orientierung benennen. Trotz des frühen Ablebens des Vaters und einiger unheilschwangerer Momente sind die ersten 23 Minuten von einer angenehmen, harmonisch-friedfertigen, ja geradezu poetischen Atmosphäre geprägt: Die anmutige Landschaftskulisse, das Dasein im Einklang mit der Natur sowie das ausgelassene Spielen der Kinder – all dies wandelt sich für jene dann allerdings binnen weniger Stunden. Die Idylle zerbricht...
Aufgrund der unbekümmert-beschaulichen Umstände ihres behüteten Aufwachsens kommen dem Mädchen keinerlei mit Unsicherheiten (oder so) behaftete Gedanken in den Sinn, als sie an einer entlegenen Stelle unbekleidet in einem Wildbach schwimmt und sich anschließend an dessen Ufer in die wärmende Sonne legt. Die darauf folgende Schändung durch den Jäger wird eindringlich, unausgewälzt, unvoyeuristisch sowie im Prinzip komplett in Gestalt von Nahaufnahmen dargeboten – vollkommen anders als (beispielsweise) im Fall der ähnlich gearteten Sequenzen in den betreffenden Filmen Meir Zarchis und Steven R. Monroes. Parallel dazu findet ihr Bruder ihre zuvor im Schlaf verschiedene Mutter: Zwei bewegende, den „Verlust der Unschuld“ markierende Ereignisse. Diese neue, fortan vorherrschende Situation versagt ihnen zugleich die eigentlich notwendige Ruhe und Zeit für eine ergiebige Verarbeitung des Widerfahrenen: Vereint beerdigen sie sie neben dem Grab ihres Mannes an einem nahebei gelegenen See, kümmern sich weiter um den Hof und behalten beides strikt für sich: Sie haben ja bloß nur noch einander und fürchten potentielle Schritte wie eine Unterbringung in Institutionen oder Pflegefamilien fernab ihres „heimischen Fleckchen Erdes“. Und an wen genau sollten sie sich auch wenden? Es gibt keine Polizei im Ort, die spärlichen Anwohner bilden eine enge Gemeinschaft, der Bürgermeister hat ihren Vater erschossen und der aktuelle Täter ist zudem gar direkt mit letzterem verwandt. Die Streifblicke der Leute sprechen Bände. Nur ein Post-Bediensteter wagt es schließlich, jemanden „von Außerhalb“ zu kontaktieren. Bevor jene eintrifft, wird das Mädchen allerdings erneut vergewaltigt: Eine vorrangig seitens eines mit dem Jäger befreundeten Metzgers ausgehende Tat, deren konkreter Ablauf (erfreulicherweise) ungezeigt belassen wird – die beklemmenden, von Angst erfüllten Ereignisse unmittelbar im Vorfeld sind in der Hinsicht zweifelsohne ausreichend. Rührend kümmert sich der Junge nach dem Übergriff um seine physisch wie psychisch verletzte Schwester: Pflegt sie fürsorglich und hält u.a. Wache vorm Haus – und das mit einem Gewehr in Händen, welches annähernd so groß ist wie er…
Das Auftauchen der Sozialarbeiterin sorgt auf Anhieb für verschiedenartige Unruhe unter den Beteiligten: Während die Waisen sich vor ihr verbergen, da sie der Fremden nicht trauen und eine „von Behörden bestimmte Zukunft“ unbedingt vermeiden bzw. abwenden möchten, löst ihre Anwesenheit bei den Missbrauchern eine zunehmende Nervosität aus, welche wiederum den Entschluss erwirkt, dass es (im Angesicht der Lage und Aussichten) wohl „notwendig“ sei, sich so schnell es geht den Zeugen Schrägstrich Opfern zu entledigen. Im Alltag sind die drei übrigens fest im Dorfleben integriert – nehmen regelmäßig an Gottesdiensten teil, gehen ihren Jobs nach, sind verheiratet oder befinden sich in festen Beziehungen – doch (wie so häufig in vergleichbaren Kontexten) lauern „düstere Abgründe“ unterhalb ihrer nach außen hin getragenen „konservativen Fassaden“. Verkörpert wird eben jenes Trio vom Finnen Samuel Vauramo (TV´s „H+“), dem Schweden Gustaf Skarsgård (TV´s „Vikings“) sowie dem Brandenburger Tim Morten Uhlenbrock (TV´s „der Schwarzwaldhof“). Losgelöst ihrer passablen Darsteller-Leistungen ist jedoch weder zu verkennen noch zu verleugnen, dass ihre Parts allesamt nicht gerade sonderlich tiefschürfend gezeichnet daherkommen: Speziell das Auftreten des Butchers war mir einen Zacken zu klischeehaft geraten – etwas, das nicht allein bloß daran liegt, dass er im Bereich seines Arbeitsplatzes öftermals eine Blut-befleckte Schütze trägt. Unterdessen gibt Peter Storemare („Constantine“) – seines Zeichens ja ebenfalls ein Skandinavier – einmal mehr eine „zwielichtige Persönlichkeit“ zum Besten: Im Vorliegenden (dieses Mal) allerdings wohltuend zurückhaltend, was mir relativ gut zuzusagen wusste. Als Eltern treten Jonas Laux (TV´s „SOKO Wismar“) und Jacqueline Le Saunier („das Haus der schlafenden Schönen“) jeweils ohne Anlass zur Klage in Erscheinung – wohingegen sich Maximilian Harnisch („Wer hat Angst vorm schwarzen Mann?“) definitiv ein hervorzuhebendes Lob verdient hat, welcher ihren traumatisierten, seit dem Tod seines Vaters schweigenden, nichtsdestotrotz aber die verbliebene Familie tatkräftig (wo er denn nur kann) unterstützenden Sohn rundum überzeugend mimt…
Dank ihrer klangvollen Stimme, markanten Ausstrahlung sowie Auftritte in Filmen á la „the Philosophers“ (plus Serien wie z.B. „the Slap“ und „Once upon a Time in Wonderland“) ist die australische Schauspielerin und Singer-Songwriterin Sophie Lowe ein aufstrebendes, definitiv im Blick zu behaltendes Talent: Ihre kraftvolle wie vielschichtige Performance hier, im Zuge derer sie über ihre Mimik, Gestik und (wunderschönen) Augen mehr Charaktereinsichten und Emotionen transportiert bzw. preisgibt als es mit jeder noch so prima geschriebenen Dialogzeile möglich gewesen wäre, untermauert diese Anschauung eindrucksvoll. Generell fällt kaum auf, dass eigentlich nahezu nie gesprochen wird: Die von Regisseur Blunder inspiriert arrangierten Szenen sind aussagekräftig genug – welche Cinematographer Reed Morano („Frozen River“) dann wiederum vortrefflich ins rechte Licht gerückt hat. Dargereicht in Gestalt imposanter Panorama-Aufnahmen, entfalten sich die Geschehnisse inmitten der grandiosen Natur-Kulisse der malerischen Bergwelt Tirols: Ein wahres „optisches Schmankerl“ also. Obgleich die Story an sich nicht allzu komplexer oder origineller Beschaffenheit ist, erfüllt sie ihren angedachten Zweck dienlich und mündet schließlich in eine finale Hetzjagd durch dichte Wälder und tiefe Schluchten, welche rund eine halbe Stunde lang andauert sowie dem Publikum ein solides Maß an Spannung beschert. Vergebens wartet derjenige allerdings, der davon ausgeht, dass das Mädchen in dieser Phase gewiss aktiv sowie „mit angepasster Härte“ zurückschlägt – so wie es im betreffenden Sub-Genre gewöhnlicherweise ja der Fall ist: Ein solches Verhalten liegt schlichtweg nicht in ihrer Natur. Und dennoch wird der Gerechtigkeit am Ende Genüge getan – nur halt nicht auf jenem Wege. Eingebettet in einem geradezu „zeitlosen“ Setting, ist Blunder mit seinem Debüt (im Ganzen) ein reizvolles, mit Eigenschaften wie einem feinen Sound-Design, tollen Locations, kompetenten Akteuren und einer ansehnlichen Kameraarbeit aufwartendes Werk gelungen – da vermag man dem Ergebnis durchaus die eine oder andere „kleinere Unebenheit“ zu verzeihen, wie dass die Anwohner allesamt Englisch sprechen oder Sophie doch ein Stückchen zu alt für die Rolle einer Sechzehnjährigen ist…
Fazit: Bei „Autumn Blood“ (2013) handelt es sich um eine ungewöhnliche Kombination aus einem klassischen Heimatfilm, einer tragischen „Coming of Age“-Geschichte, einem dramatischen „Survival“-Thriller und einem beklemmenden „Rape&Revenge“-Streifen: Bildgewaltig, bewegend und unterhaltsam – allerdings frei „Hollywood-typischer“ Vergeltung und aufgrund seiner gesamten Konzeption und Machart gewiss nicht für jedermann geeignet…
starke „7 von 10“