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Also der Titel führt schon einmal komplett in die Irre. Außer der Hauptdarstellerin Carole Laure, ist hier nämlich überhaupt nichts süß. Ganz im Gegenteil: Hier wird man mit Widerwärtigkeiten und Kontroversem überschüttet, wie kaum wo anders. Das dies allerdings einen Sinn hat, werden wir noch sehen.

Erstmal zur Handlung: Bei einer obskuren Misswahl, bei der nach der Jungfräulichkeit der Teilnehmerinnen entschieden wird, gewinnt die Hauptfigur des ersten Handlungsstrangs, die besagte süße Carole Laure, die Ehe mit einem texanischen Ölmulti. Ab hier überschlagen sich für sie die Ereignisse und sie wird auf ihrer Flucht über Paris bis nach Wien, Zeugin von allem möglichen gräulichen Sachen.
Im anderen Handlungsstrang begleiten wir Anna Planeta (Anna Prucnal), eine eingefleischte Kommunistin auf ihrem Schiff, samt Karl Marx-Gallionsfigur. Unterwegs trifft sie auf einen der letzten Matrosen vom Panzerkreuzer Potemkin, den sie aufnimmt und mit ihm eine Liebesbeziehung anfängt. Mit der Zeit wird der Zuschauer, dann allerdings auch Zeuge ihrer abartigen Neigungen...

Ja, es hört sich alles ziemlich abgefahren an. Ist es auch. Der Zuschauer wird hier bombadiert mit einer extremen Summe an Sex, Gewalt und Körperausscheidungen. Letzteres bekommt man ungestellt von Otto Mühl und seiner AA Kommune präsentiert, was sozusagen den Höhepunkt des Extremen darstellt. Den obwohl das andere Dargestellte auch kein Zuckerschlecken ist (wie zum Beispiel die Szene, in der Anna versucht eine Gruppe Minderjähriger zu verführen), ist das Treiben von Otto Mühls Jüngern, ihr Kotzen, ihr Urinieren, ihr Scheißen komplett real.

Das Alles würde "Sweet Movie" nur zu einem reinen Tabubrecher machen, hätte man hier nicht das Ganze auch noch gemischt mit  Archivaufnahmen aus einem KZ der Nationalsozialisten und von unsinnigen und abstoßenden Experimenten mit Neugeborenen. Beides liegt ebenso im Magen, wie die koprohile Kommune oder den extremen Mord, den Anna an ihrem Liebhaber begeht. Nur mit dem entscheidenen Unterschied: Hier haben wir reale Verbrechen gegen die Menschheit und die Menschenwürde, während wir sonst nur mit gestellten Gewalt- und Sexszenen oder abstrusen Exzessen, die zwar für die meisten ekelerregend sind, aber auf Freiwilligkeit beruhen, konfrontiert werden. Und so muss man sich am Ende fragen, was einen hier eigentlich am meisten geschockt hat. Die Realität oder die Fiktion? Dies wird auch noch in der Schlußszene verdeutlicht, als die Annas ermordete Opfer wieder zum Leben erwachen. Es ist nur ein Film.

"Sweet Movie" ist ein Schlag in die Magengrube des Zuschauers und einer ins Gesicht der Moral, die einem in Film und Kunst eingetrichtert werden. Als Zuschauer wird man ertappt und überrumpelt. Etwas Vergleichbares gibt es eher selten.

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