Die Bewertung von Bad Guy hat mich sehr lange beschäftigt, ja offen gesagt hatte ich zuviel Respekt diesen Film zu beurteilen. Nun ziehe ich voller Überzeugung und auch weil ich mich nicht mehr dagegen wehren will die Höchstwertung.
Ich habe ihn nun 5 oder 6-mal gesehen, dachte vielleicht verliert er damit die Wirkung auf mich. Nein Bad Guy verliert auch nach wiederholtem Sehen nicht die Spur von Wirkung. Man entdeckt vielmehr, dass alle Szenen und Kleinigkeiten einen tieferen Sinn haben und nichts an dem Film wirklich zufällig ist. Bad Guy ist nicht der erste Film von Kim Ki-Duk den ich gesehen habe, allerdings hat er mich am meisten von allen aufgewühlt.
Der Zuhälter Hang-gi ( gespielt von Cho Jae-Hyeon ) sieht ein junges und unschuldig aussehendes Mädchen auf einer Parkbank sitzen. Sun-Wha ( gespielt von Seo Won ) wartet dort auf ihren Freund. Sie entgeht den aufdringlichen Blicken des Mannes, indem sie die gemeinsam genutzte Bank verlässt und sich in die Arme ihres Freundes rettet. Als die Situation eigentlich geklärt scheint, greift sich Hang-Gi das Mädchen plötzlich und küsst sie. Sun-Wha verlangt eine Entschuldigung die sie nicht bekommt, selbst das Eingreifen von drei Soldaten bringt Hang-gi nicht dazu sich zu entschuldigen. Am Ende beschimpft Sun-Wha ihn und spuckt ihm ins Gesicht. Schwer gedemütigt verlässt Hang-gi die Szenerie. Aber er schafft es ihre Identität festzustellen und lockt sie in eine perfide Falle. Dadurch zwingt er sie einen Kredit zu unterschreiben, den sie nie und nimmer zurückzahlen kann. Sun-Wha muss ihren Körper verkaufen, um Geld zu verdienen und wird für Hang-gi arbeiten müssen.
Zuerst wehrt sie sich eisern und versucht ihrem Schicksal zu entfliehen, aber die Ausweglosigkeit ihrer Situation führt zu der ungewöhnlichsten und bittersten Liebesgeschichte, die ich bisher im Film bewundern durfte.
Schon oft habe ich von Huren gehört die vorgaben ihren Zuhälter zu lieben, ja zu verehren. Für mich ein vollkommen unverständliches Verhalten. Nachdem ich nun Bad Guy gesehen habe, kenne ich natürlich nicht alle Antworten, aber der Film versucht zumindest dieses Verhalten plausibel zu machen. Kim Ki-Duk beschreibt bei Sun-Wha so etwas wie ein Stockholm-Syndrom, das Verdrängen der Gefahren und negativer Einflüsse beim Opfer und das sich Solidarisieren mit der Gefahr. Dies erscheint überlebenswichtig, da die Todesangst ansonsten alle Aktivitäten lähmen würde. So beschreiben Psychologen das Stockholm-Syndrom. Geiseln solidarisieren sich mit Entführern, bei Mördern und Vergewaltigern wird bis zum Schluss noch etwas Gutes gesucht und Huren beginnen halt ihre Zuhälter zu lieben.
Diese Entwicklung beschreibt Kim Ki-Duk wie in einem Kammerspiel, Hang-Gi kann das Zimmer von Sun-Wha durch einen Spiegel beobachten. Sie ahnt nichts davon und er kann ihre Verzweiflung und Demütigung, ihr seelisches Sterben beim Verlust ihrer Unschuld, ihr unermessliches Leiden aber auch ihre Überlebensstrategie, hautnah miterleben. Und mit ihm wird der Zuschauer gequält und geschockt, er sitzt vor dem Schirm und sieht wie die Gardine aufgeht und das Spiel beginnt. Hang-gi scheint beim Anblick der leidenden Sun-Wha ebenfalls zu leiden, man kommt zu dem Schluss, dass er sie in seine Welt holt weil er in ihrer nichts werden kann. Er beginnt sie zu schützen und auch seine zwei "Angestellten" hegen Interesse an Sun-Wha. Sie ist das College-Girl von dem alle geträumt haben, einmal mit ihr schlafen zu können, einmal mit ihr ausgehen zu können. In der Männerwelt des Films wird sich so etwas gekauft. Und so bezahlt ein "Angestellter" Hang-gi´s Geld für die Dienste Sun-Wha´s, der Anfang vom Ende seiner kleinen Organisation. Denn dort sind Huren nunmal Huren und Zuhälter bleiben Zuhälter, der erste seiner "Angestellten" macht sich lächerlich und gesteht ihr wie ein Liebeskasper seine Gefühle, der zweite untergräbt bei ihr die Loyalität zu seinem Chef. Am Ende wird nichts mehr sein wie vorher.
Und Hang-gi sieht diese Entwicklung hinter seinem Spiegel, längst liebt er Sun-Wha ebenfalls, bleibt aber der Zuhälter und behandelt sie gnadenlos wie eine Hure. Somit ist auch klar, dass der einzige Weg mit Hang-gi zusammen darin besteht seine Hure zu bleiben, gleichzeitig aber seine Liebe und seinen Schutz so anzunehmen, wie er es zu zeigen vermag. Diese Situation wird eindeutig als ein Verteilungskampf im Milieu beginnt, Mordanschläge auf Hang-gi und Antworten darauf. Hang-gi landet im Gefängniss und soll obwohl unschuldig hingerichtet werden. Verbrecher stehen für Verbrecher ein, morden zum Schutz des anderen, Kim Ki-Duk lässt kein Klischee aus.
Inmitten dieser brutalen und unmenschlichen Welt gibt es aber so traumhaft schöne Bilder, ruhige Szenen voller befremdlicher Zärtlichkeit und eine Schlüsselszene im Gefängniss. Dort wird deutlich dass Sun-Wha längst ihre Welt verlassen hat und unfähig ist ohne Hang-gi zu leben ; die intensivste Szene des Films überhaupt.
Am Ende ist Bad Guy ein bitterer und unendlich trauriger Film, aber es ist auch ein Film der nicht gänzlich hoffnungslos ist. Wenn ein Überleben in solch einer Welt möglich ist, wenn eine wie auch immer geartete Zuneigung oder Liebe in einer solchen Welt wachsen kann, dann ist das eine kleine Hoffnung am Ende.
Ein faszinierender und mutiger Film und ein Film mal wieder aus Korea.
10 Punkte.