Review

Rikuo Ishibashi ist ein verdammt cooler Hund. Als ein Yakuza wild schießend in die Bar eindringt in der er arbeitet, haut er den Typen mit der Aussage „Ruhe!“ und einem Barhocker außer Gefecht. Der Boss, der das eigentliche Ziel des Killers war, ist natürlich beeindruckt und macht Ishibashi zu einem Vollmitglied seiner Familie. Aber Rikuo Ishibashi ist ein gewalttätiger Psychopath, der aus einem Missverständnis und seiner eigenen Raserei heraus sogar versucht seinen Boss zu töten. In der Yakuzasprache sagt man, dass er den Mantel falsch zuknöpft. Doch das erneute Öffnen des Mantels und das richtige Knöpfen ist in der Yakuza-Welt nicht gestattet: Er wird geächtet und von allen Yakuza Tokios gejagt, außer von Imamura, der im Gefängnis sein Bruder geworden ist. Dummerweise beschwört diese Situation einen möglichen Bandenkrieg hervor, da Imamura einer anderen Familie angehört. Aber Ishibashi ist das alles scheißegal: Er hat mittlerweile das Heroin für sich entdeckt, und zieht jetzt fixend, schießend, und prügelnd durch die Tokioter Unterwelt.

Ein Remake des 1975-er Yakuza-Klassikers GRAVEYARD OF HONOR von Kinji Fukasaku? Mmh, im Prinzip ja, aber … Miike verleiht seiner Version eine ganz eigene Aura, und wo das Original mit sehr viel Action und einer betont düsteren und dreckigen Nachkriegsatmosphäre glänzte, steckt im sogenannten Remake erheblich mehr als “nur“ ein Yakuza-Action-Streifen. Ausgestattet wie eine Ballade, mit melancholischem Cool-Jazz unterfüttert und mit wenigen, dafür aber plötzlichen und blutigen Gewalteruptionen gewürzt, bringt GRAVEYARD auf seinem Weg in den Abgrund sehr viele Bilder und Hommagen mit. Letzten Endes ist es halt so, dass hier vor allem ein Streifzug durch die Geschichte des Gangsterfilms stattfindet. So lassen sich etwa Seijun Suzuki und Jean-Pierre Melville genauso finden wie Lars von Trier. Der nun zwar keine Gangsterfilme gemacht hat, aber beim Ansehen hatte ich oft den Eindruck einen Dogma-Film zu sehen: Die Handkamera immer auf Augenhöhe, immer mitten im Geschehen, und oft mit der Verwendung langer Einstellungen, die den Schauspielern einiges abverlangt haben dürften. Die Szene, nachdem Ishibashi seinen Bruder versuchte zu töten und auf einer vereisten Straße flüchtet, erinnerte mich stark an den Schluss von Werner Herzogs COBRA VERDE: Ein verzweifelter Mann, dessen Lebenswille zunehmend versiegt, im stilisierten Kampf gegen den Rest der Welt. Und danach dann wieder eine Schnittmontage im Stil der Nouvelle Vague, gefolgt von wilden Jump Cuts bei einer Actionszene. Das dynamische Kino des Takashi Miike ist definitiv immer spannend und immer abwechslungsreich!
Trotz einiger Längen (vor allem in der Liebesgeschichte um Ishibashi und Chieko) insgesamt ein Fest für Augen und Ohren, für Bauch und Verstand. Die Geschichte eines Mannes, der unaufhörlich und mit der Wucht einer Dampfwalze in den Abgrund seines Lebens rollt – Solange man nicht selber dieser Mann ist, immer wieder faszinierend, und bei Takashi Miike ganz besonders.

Details
Ähnliche Filme