Mitte der 60er Jahre reihte Godard in "Pierrot le fou" (1965) ein halbes Dutzend Genres aneinander, zitierte wild & ausgelassen aus Hoch- und Populärkultur und legte über alles eine ironische Distanz. Das stand damals noch ansatzweise den Aneignungen fremden Materials durch die Situationisten nahe, war zugleich aber auch schon Wegbereiter eines postmodernen Kinos.
Mitte der 90er machte Tarantino mit "Pulp Fiction" (1994) grundsätzlich nichts anderes (auch wenn er noch das - zu diesem Zeitpunkt ebenfalls schon seit Jahrzehnten erprobte - Aufbrechen der Chronologie hinzufügte), und Kritik und Publikum taten so, als hätte man das Kino neu erfunden und kürten den Film zu einem der größten Kultfilme des Jahrzehnts. Dabei machte Tarantino aus seinem Vorbild keinen Hehl: neben Hommagen an "Vivre sa vie" (1962), "Alphaville" (1965) und "Bande à Part" (1964) war schließlich noch der Name des letztgenannten Films zugleich der Titel seiner Produktionsfirma A Band Apart, mit der er bereits "Reservoir Dogs" (1992) hervorbrachte. Dass Godard jedoch nicht bloß ein Motivlieferant neben vielen anderen war (darunter u. a. Robert Aldrich, Billy Wilder, Nicholas Ray, Roger Corman, Alfred Hitchcock, Francois Truffaut, Sergio Leone, Michael Cimino), sondern bereits die Struktur des Zitierens, Anspielens, Verweisens und Einbauens vorgegeben hatte, blieb von den meisten Zuschauern unbemerkt - was um so ärgerlicher ist, wenn man berücksichtigt, dass die zitierende Arbeit bei Godard sich beständig reflektierte und zum eigenen Thema erhob, während sie bei Tarantino weitestgehend oberflächliches Fanboy-Gehabe blieb und bloße Ausstattung für einen Stoff abgab, der genau das war, was sein Titel versprach: pulp fiction, spaßig und doof!
Dieses Interesse für pulp führte in seinen nächsten Filmen vermehrt zu einer sanften, aber spürbaren Schwerpunktverlagerung von den großen Klassikern des Kinos zu den schäbigeren Nischenfilmen, zu den Exploitationfilmen. In "Jackie Brown" (1997) verbindet die erste Einstellung bereits den Blaxploitationfilm mit dem New Hollywood - in "Kill Bill: Vol. 1" (2003) & "Kill Bill: Vol. 2" (2004) zählen schließlich der Eastern und vermehrt auch der Italowestern zu den Bezugspunkten, stets durchzogen von überdeutlichen Rape & Revenge-Bezügen, die in "Thriller - en grym film" (1973) ihr Vorbild haben. Im Double Feature-Streifen "Grindhouse" (2007) ist der Titel schließlich treffender & programmatischer für Tarantinos Gesamtwerk als damals bei "Pulp Fiction" - und "Inglourious Basterds" (2009) nimmt als historisch unkorrektes Kriegs-Actionspektakel (erneut von deutlichen Italowestern-Bezügen begleitet) im Titel Bezug auf Enzo Castellaris "Quel maledetto treno blindato" (1978) und zelebriert einmal mehr die seit "Kill Bill: Vol. 1" bei Tarantino bemerkbare Splatterästhetik.
"Django Unchained" wurde dementsprechend von vielen Anhängern als dreckige Italowestern-Hommage erwartet, erfüllt diese Erwartungshaltungen allerdings nur teilweise. Tatsächlich nutzt Tarantino Italo- & US-Western-Bezüge als Spielbrett, auf dem er eine Rassismusfabel ausbreitet, mit der er Klischees des Blaxploitationfilms gegen die Bestandteile des klassischen Südstaatendramas zwischen D. W. Griffith und David O. Selznick ausspielt. Gerade die Westernbezüge bleiben letztlich etwas willkürliche, nette Gags für Genrefans, während die beiden anderen Punkte dieses Dreiecks durchaus clever ineinandergreifen. Schon in "Inglourious Basterds" waren Tarantinos Bezüge erstmals reflexiv und gaben zumindest teilweise relativ geistreiche Kommentare auf die angeschnittenen Aspekte der Filmgeschichte ab. "Django Unchained" setzt "Inglourious Basterds" in dieser Hinsicht (und nicht nur in dieser!) fort und gerät zu einer Reflexion über die Inszenierung des Farbigen in der (US-)Filmgeschichte.
Die Geschichte ist simpel und wird - bei Tarantino keinesfalls selbstverständlich - weitestgehend linear dargereicht: der deutsche Zahnarzt Schultz (Waltz, der nach dem bösen Deutschen aus "Inglourious Basterds" nun einen guten Deutschen für Tarantino mimt) verdingt sich in Amerika als Kopfgeldjäger und befreit [Achtung: Spoiler!] den Sklaven Django aus der Sklaverei, um über ihn an die gesuchten Brittle Brothers zu gelangen, deren Gesichter ihm selbst nicht bekannt sind. Das Vorhaben gelingt und ermöglicht es Django zugleich, sich an seinen einstigen Peinigern zu rächen. Aus der Zusammenarbeit entsteht eine dauerhafte Partnerschaft und Freundschaft - und bald will Schultz Django dabei helfen, dessen Frau Broomhilda ebenfalls zu befreien. Diese - als ehemaliges Eigentum deutschstämmiger Besitzer der deutschen Sprache mächtig - zählt derzeit zu den Sklav(inn)en Calvin Candies, der sich unter anderem als Besitzer erfolgreicher Mandingo-Kämpfer einen Namen gemacht hat. Um an Broomhilda zu gelangen, wollen sich Schultz und Django in das Mandingo-Geschäft einkaufen und Candie erst einen Kämpfer und dann - scheinbar ganz nebenbei - auch Broomhilda abkaufen. Candies farbiger Hausdiener und heimlicher Berater Stephen durchschaut die Taktik und Candie droht infolgedessen mit Broomhildas Ermordung, sollten die Käufer nicht 12000 Dollar für sie bezahlen. Schultz schließt das Geschäft ab, wird jedoch von Candie genötigt, dessen Hand zu schütteln - woraufhin er es sich nicht nehmen lässt, Candie zu erschießen. Schultz muss daraufhin sein Leben lassen und Django richtet unter Candies Männern ein kleines Massaker an, muss aber kapitulieren, als man Broomhilda als Geisel nimmt. Django soll sich - nachdem der ursprüngliche Plan, ihn zu kastrieren und verbluten zu lassen, aufgegeben worden ist - als Sklave in einer Mine buchstäblich zu Tode schuften, kann sich aber mit List & Gewalt befreien, kehrt zurück, erschießt und foltert seine Widersacher, befreit Broomhilda und reitet mir ihr, nachdem er noch das Anwesen Candyland in die Luft gejagt hat, davon.
Tarantinos Schilderung der Behandlung der Slaven durch ihre Besitzer ist - ohne allzu explizit zu werden - ausgesprochen drastischer Natur. Drakonische Strafen, Züchtigungen & Hinrichtungen sind hier eine Alltäglichkeit und geraten bisweilen gar zum sensationellen Schauspiel für die Anwesenden, verschaffen ihnen geradezu eine Befriedigung sadistischer Gelüste: Djangos Sklaventreiber genießen sein Flehen, während sie Broomhilda peitschen, Candie lässt einen seiner Neger von Hunden zerfleischen, in den Mandingo-Kämpfen muss ein Kämpfer zur Belustigung des Publikums dem Gegner die Augen ausdrücken, ehe er ihn mit einem Hammer erschlägt. Wer angesichts dieser Kämpfe nach historischer Korrektheit fragt, macht es sich nach "Inglourious Basterds" unnötig schwer: auch "Django Unchained" geht mit historischen Fakten recht frei um, orientiert sich eher an der Filmgeschichte und greift Richard Fleischers "Mandingo" (1975) als vagen Bezugspunkt auf.[1] Die Mandingo-Kämpfe wirken sich günstig auf die Dramaturgie des Films aus - werden doch Schultz und Django zwangsläufig dazu genötigt, den Sadismus Candies aus nächster Nähe zu erleben und in gewisser Hinsicht gar zu unterstützen - und geben auch als Fiktion ein treffendes Bild einer menschenverachtenden Gesellschaft, die mit teilweise drastischer Gewaltbereitschaft ihre Neger versklavt; ob die körperliche Gewalt nun auf Strafe und Erziehung beschränkt geblieben ist, oder noch zum Zweck der reinen Unterhaltung Verwendung gefunden hat, ist bloß noch ein gradueller Unterschied im Bereich der Unmenschlichkeit.
Zugleich aber entgeht Tarantino mit der Figur eines farbigen Django der Gefahr, das Bild des hilf- und machtlosen Negers in der Opferrolle zu reproduzieren: er borgt sich ein Heldenklischee aus dem Blaxploitationkino (und nicht zufällig lautet Broomhildas voller Name: Broomhilda von Shaft), um dem Western einen farbigen (und damit eher seltenen) Westernhelden zu verschaffen. Mit den Figuren des Hausdieners Stephen und des Kopfgeldjägers Schultz entgeht er zugleich einer der Schwachstellen des Blaxploitationfilms: nicht selten ist dieser nämlich in seiner berechtigten Abwehrhaltung ein wenig über das Ziel hinausgeschossen und mit seiner Black Power-Mentalität zu einem Beispiel von Black Supremacy geworden; in dem - der Blaxploitation-Ecke nahestehenden - Porno "Hot Summer in the City" (1976) (nebenbei übrigens einer von Tarantinos Lieblingspornos) lehnt sich etwa eine militante schwarze Gang auf, indem ihre Mitglieder eine weiße Frau entführen und über den gesamten Film hinweg vergewaltigen. Solche Tendenzen bildeten dann das Thema im eher ungewöhnlichen Blaxploitationfilm "Black Gestapo" (1975). In "Django Unchained" zeichnet Tarantino schließlich ein möglichst ausgewogenes Bild: es gibt gute und böse Neger, gute und böse Weiße... und bloß gendermäßig bleibt alles ganz genregemäß reichlich traditionell (auch wenn Zoe Bell recht vermummt einen der Tracker gibt): vielleicht liegt es an diesen schwachen, unscheinbaren Frauenfiguren, dass "Django Unchained" der erste Tarantino-Film geworden ist, in dem sich nicht der Fußfetischismus seines Regisseurs niederschlägt.
Den schwarzen Hausdiener Stephen, der unter vier Augen sogar mal Calvin Candie zurechtweisen darf, hat sich Tarantino allerdings nicht aus dem Hut gezaubert. Diese Figur ist im Grunde eine Variation des guten Negers bei D. W. Griffith: in "Birth of a Nation" (1915) gibt es etwa die dicke Neger-Hausmagd, die ihren Herren gegen alle Bedrohungen beisteht, bis dann am Ende endlich Hilfe in Gestalt des Ku-Klux-Klans eintrifft. Das ist vermutlich das bekannteste Beispiel für Treue & Zuneigung der Negersklaven bei Griffith, denn "Birth of a Nation" ist (übrigens völlig zurecht) wegen seiner filmtechnischen Mittel, seiner wegweisenden Formgebung einer der wichtigsten Meilensteine in der Geschichte des Films. Aber in seinen unzähligen Kurzfilmen wird Griffith teilweise noch viel deutlicher: da wäre sein früher Bürgerkriegs-Kurzfilm "His Trust" (1911), der den bezeichnenden Untertitel "The Faithful Devotion and Self-Sacrifice of An Old Negro Servant" trägt, samt der Fortsetzung "His Trust Fulfilled" (1911). Das rassistische Ideal bestand bei Griffith in einem treu ergebenen & zugleich freundschaftlich-innigen Gefüge zwischen Herren und Sklaven, wobei eine White Supremacy geradezu selbstverständlich erschien, war sie doch Teil jenes Aryan Birthrights, das in "Birth of a Nation" durch die Zwischentitel geistert.[2] Wenn nicht gerade der Ku-Klux-Klan ein zusätzliches Thema bildete, konnte man noch über Jahrzehnte an diesem Bild des treuen, guten Negers festhalten: noch bei Douglas Sirk finden sich in den 50er Jahren wahrlich unerquickliche Beispiele.
Tarantino greift Griffith ziemlich deutlich auf - am auffälligsten vielleicht in der Szene, in der eine KKK-Vorläufer-Gruppierung durch die Landschaft prescht (allerdings nicht zu Wagners Walkürenritt, sondern zu Verdis Requiem) - und übernimmt dessen Figur des guten Negers; in einem Film, der den White Supremacy Gedanken freilich nicht teilt und darüber hinaus seinen Helden an den zahlreichen Blaxploitationfilmen der 70er Jahre orientiert, ist diese Figur jedoch zwangsläufig ganz anders konnotiert: als treuer Diener seines Herrn ist Stephen so rassistisch wie dieser selbst, entbehrt als sich selbst verleugnender, angepasster, rassistischer & von Selbsthass befallener Schwarzer völlig den aufbegehrenden, kämpferischen Charakter des Blaxploitation-Helden. Durch das Verpflanzen griffithscher Figurenkonstellationen in den Kontext des Blaxploitationfilms gelingt Tarantino ein cleverer Kommentar des griffithschen Rassismus, der noch über Jahrzehnte hinweg zum mainstreamtauglichen Inventar des US-Films zählte.
In seinem antirassistischen Anliegen kommt "Django Unchained", der Versatzstücke der Filmgeschichte sinnvoll und zielgerichtet miteinander kombiniert, recht ausgewogen daher und entgeht den Fallstricken des Blaxploitationfilms ebenso, wie er den Rassismus des klassischen US-Films anprangert. Und dennoch bleibt ein unschöner Nachgeschmack, ist "Django Unchained" letztlich doch ein ausgesprochen inhumaner Film. Gewalt war in den besseren Exploitationfilmen stets auch dann noch ein verstörendes Geschehen, wenn sie von den Heldenfiguren ausgeübt worden ist: in "Witchfinder General" (1968) oder in "Last House on the Left" (1972) verlieren die positiv konnotierten Figuren durch erbarmungslose Gewaltanwendung ihre Unschuld. "Django Unchained" hingegen verzichtet auf solch eine verstörende Wirkung - verstörend ist nur die Gewalt der Sklaventreiber: ihre Gewalttaten sind hart und grausam, bleiben aber unblutig oder finden gar im Off statt. Die Gewalt der Heldengestalten jedoch wird vollkommen überzeichnet: Blutfontänen & over the top-Splatter begleiten sie, hippe Musik untermalt sie, Situationskomik begleitet sie. Tarantino feiert die Gewalt als spaßiges Spektakel und gibt die Schurkengestalten genüsslich der Lächerlichkeit preis, wenn er sie heulen und schreien lässt, während Kugelfeuer ihre Leiber zersiebt. Nach den Nazis in "Inglourious Basterds" sind es nun die Sklaventreiber, die Tarantino in Gewalttaten zwischen Notwehr und Rache grausam sterben & leiden lässt, um das Ganze als großen Spaß zu verkaufen.
Gewiss, Django kann sich schon auf reine Notwehr berufen, wenn er sich seiner rassistischen Peiniger entledigt; und auch einen großen Spaß an seiner ganz persönlichen Rache kann man ihm nach all seinem Leiden kaum verübeln. (Und überhaupt: wer mag schon als Advocatus Diaboli für Sklaventreiber oder Nazis Partei ergreifen, besonders in Zeiten, in denen herrschendes Recht ohnehin ungerecht ist - das ist Tarantinos Masche in seinen zwei letzten Filmen, um mit spekulativer Exploitation recht ungeschoren durch die Kritik zu kommen.) Allerdings ist es nicht bloß die Figur Django, die Freude & Genugtuung bei ihrer Rache verspürt, sondern die ganze Inszenierung ist von dieser Freude & Genugtuung erfüllt: Wenn der gepeinigte, ehemalige Sklave längst wehrlosen Gegnern in die Kniescheiben oder ins Gemächt schießt, dann fehlt dem Film jede Distanz, die das Verstörende dieser Rache herausstellt. Tarantino hat in einem Interview mit dem Spiegel davon gesprochen, dass Djangos Gewalt rechtschaffen sei. Es ist eine sonderbare Vorstellung von Rechtschaffenheit, die Tarantino hier verfolgt: Rechtschaffen wäre wohl ein kurzes und schmerzloses Erschießen der Herrschenden, die nach Lust & Laune über das Leben ihrer Sklaven verfügen und Sklaverei für eine gerechte Selbstverständlichkeit halten. Der vermeintlich rechtschaffene Held jedoch quält seine Opfer nach Möglichkeit - das hat mit Rechtschaffenheit wenig zu tun. Und im Vergleich mit den Meisterwerken des Exploitationkinos, in denen die Racheakte der Helden ihr verstörendes Potential entfalteten, wirkt das schlichte Happy End bei Tarantino arg enttäuschend.
Dabei weisen Schultz und Django durchaus ambivalente Züge auf (im Italowestern keine Seltenheit): Schultz ist weniger ein fairer, als vielmehr ein praktisch denkender Revolverheld (treffender: ein Kopfgeldjäger)... und Django ist durchaus in der Lage, Candies Sklaven zu terrorisieren und ihre grausigen Bestrafungen ungerührt zuzulassen, um seinem persönlichen Ziel näher zu kommen. Vielleicht hätte "Django Unchained" recht unspektakulär mit dem bloßen Freikaufen von Broomhilda (also mit dem Sich-arrangieren, mit dem Zum-Mittäter-werden) enden müssen, um diesen ambivalenten Anstrich bis zum Ende beizubehalten. So jedoch endet der Film mit einer ungeschickten Dramaturgie und einem einfältigen Happy End voll spekulativer Gewalt, die als teils unnötig brutaler Racheakt zu allem Überfluss als rechtschaffene Gewalt in Szene gesetzt wird. Damit kommt "Django Unchained" den reißerischen Exploitationfilmen (wohlbemerkt: den schwächeren, unkritischeren Vertretern!) wieder näher, als es einem lieb sein kann: letztlich setzt Tarantino nicht bloß dessen Versatzstücke ein, um eine Botschaft zu vermitteln, sondern entspricht ihnen völlig, indem er eine ehrbare Botschaft als Deckmantel nutzt, um spekulative Gewaltszenen zu inszenieren.
Wie schon in "Inglourious Basterds" hat Tarantinos Umgang mit der Filmgeschichte eine im Vergleich zum Frühwerk recht schlüssige Systematik gewonnen und macht aus "Django Unchained" sicherlich einen seiner besseren Filme. Ein gut aufgelegtes Schauspielerensemble sorgt zusätzlich für gehobene Qualität: Waltz versprüht als Schultz jede Menge Charisma, Jackson spielt als Stephen erfolgreich gegen sein Image an, Di Caprio brilliert als kaltschnäuziger und andauernd freundlich lächelnder Sadist und bloß Jamie Foxx bleibt als farbiger Django enttäuschend blass. Zugleich aber rücken exploitative, spekulative Gewaltszenen mehr und mehr in den Vordergrund und trüben neben einigen dramaturgischen Schnitzern den Eindruck wieder ein wenig. Herausgekommen ist ein (in der dt. Synchro erheblich an Witz verlierender) teils geschickter Metafilm (durchzogen von zahlreichen Anspielungen und Bezügen, die sich von "The Great Train Robbery" (1903) bis hin zu "Inglourious Basterds" erstrecken und auch die Literatur- und Musikgeschichte streifen), der am Ende in banaler Exploitation versumpft...
7,5/10.
1.) Fleischers auf Skandal gebürstetes Südstaatendrama verdankt vieles Prosperis und Jacopettis "Addio Zio Tom" (1971) und nimmt zugleich vieles von "Django Unchained" vorweg: Das durchaus mit Sex und Gewalt spekulierende Sittengemälde im Sklavenbesitzer-Milieu zeigt ein schwarzes Kapitel amerikanischer Geschichte von seiner ungeschönten Seite; dass er ein mündiges Publikum voraussetzt und auf eindeutige Wertungen verzichtet, dass er in seiner Gewaltdarstellung beklemmend bleibt und an keiner Stelle mit kruden Vorstellungen von vermeintlich rechtschaffener Gewalt aufwartet, macht aus ihm (verglichen mit "Django Unchained") letztlich - obwohl weniger hip - den besseren Film.
2.) Bevor man jedoch Griffith zum schlimmstmöglichen Rassisten kürt, sollte man beachten, dass er seinerzeit in "Birth of a Nation" den Rassismus in dem zugrundeliegenden Bestseller "The Clansman" (1905) von Thomas Dixon jr. erheblich abgemildert hat: dort waren Verachtung und aggressive Gewalt die Haltungen, die man den Sklaven entgegengebrachte - moralisch überhaupt kein Problem für Dixon, siedelte er den Neger doch auf der Stufe wilder Tiere an, die man jagen und zu Tode hetzen darf. Dass "Birth of a Nation" bei seinem Erscheinen für erhebliche Skandale sorgen konnte, liegt nicht allein am - vergleichsweise noch ziemlich gemäßigten - Rassismus des Films, sondern auch daran, dass er als abendfüllendes Werk im noch jungen Medium derartig ins öffentliche Interesse gerückt war: weder die nicht weniger rassistisch orientierten Kurzfilme von Griffith, noch der erheblich rassistischere Bestseller von Dixon polarisierten in dem Maße wie eines der ersten dreistündigen Spielfilmepen. (Entsprechend erschrocken und entsetzt reagierte Griffith, der sich selbst natürlich keinesfalls als Rassisten sah, auf die Rassismusvorwürfe: "Intolerance" (1917) war dann sein - gewohnt naiver - Versöhnungsversuch.)