Review

Nach Nazis jetzt Cowboys. Mit "Django Unchained" inszeniert Kult-Regisseur Quentin Tarantino seine ganz persönliche Hommage an den Italo-Western.

Und da beginnt es schon bei mir selbst. Western von früher sind einfach nicht mein Gebiet, Westernfilme beginnen für mich mit "Zurück in die Zukunft 3" und hören mit "Young Guns" auf. Meine Frage an mich selbst war dementsprechend: Kann ich mir diesen Film anschauen und wenn ja, darf ich überhaupt eine Kritik verfassen ohne jegliches Hintergrundwissen auf die tausend Western im letzten Jahrhundert?
Auf beide Fragen lautet die Antwort "Ja" - denn auch wenn ich niemals wirklich mit Western warm geworden bin, weiß ich jedoch, dass Tarantino neben der Hommage auch seine ganz eigene Interpretation in einem Film unterbringt - immerhin wurde auch in "Inglorious Bastards" Hitler niedergeschossen und die Geschichte verdreht  - also was soll´s. Auf ins Kino...


Um die berüchtigten Brittle-Brüder aufzuspüren, befreit der deutsche Kopfgeldjäger Dr. King Schultz (Christoph Waltz) den Schwarzen Django aus der Gewalt von Sklavenhändlern. Der kennt die Brüder ganz genau, hatten sie doch einst seine Frau Broomhilda (Kerry Washington) verschleppt. Nach einem ersten Showdown auf der Farm von Big Daddy (Don Johnson) steigt Django mit ins Kopfgeldjäger-Geschäft ein, dafür verspricht Schultz, ihm bei der Suche nach Broomhilda zu helfen. Eine Spur führt die beiden zu Calvin Candie (Leonardo Di Caprio), der seine Farm Candyland mit harter Hand regiert. Unter dem Vorwand, einen Sklaven kaufen zu wollen, schleichen sich beide bei Candie ein und stoßen dort tatsächlich auf Broomhilda. Aber Candie´s Haussklave Stephen (Samuel L. Jackson) scheint die Lunte zu riechen...


Django ein Schwarzer?
Ja, denn neben diverser Versatzstücke des Spaghetti-Westerns legt Tarantino viel Wert auf die geschichtliche Aufarbeitung von der schwarzen Bevölkerung dieser Zeitepoche. Mich traf es zutiefst, wie das menschenunwürdige Leben eines "Niggers" aussieht und mir kamen dabei Parallelen in den Kopf, was die Juden im 2. Weltkrieg durchmachen mussten. Nicht anders werden hier die Schwarzen behandelt. Ein Schwarzer ist ein "Nichts" und auch kein Lebewesen. Er darf arbeiten bis er tot umfällt und wenn er nicht von alleine umkippt, kann man auch mal einen ohne Grund erschießen oder von Hunden zerfleischen lassen - schließlich ist der Nigger ja das Eigentum.
Neben dieser tragischen und berührenden Aufarbeitung glänzen nebenbei die brillianten Dialoge, gespielt und gesprochen von noch brillanteren Darstellern. Ich muss es ganz klar sagen: Jamie Foxx und Di Caprio agieren sehr gut, doch beide stehen weit  hinter einem so großen Darsteller wie Christoph Waltz. In  "Inglorious Basterds" brannte sich mir sein Name  direkt ins Hirn, wurde leider in weiteren Filmen ("Green Hornet", "Der Gott des Gemetzels") regelrecht verheizt. Aber wenn man ihm gewisse Rollen gibt wie auch hier in "Django Unchained", blüht dieser Teufelskerl wie kein anderer Schauspieler auf. Ich kann mich nicht erinnern, dass ich, seitdem ich mich für Filme interessiere, jemals so einen perfekt agierenden Schauspieler gesehen habe, der jeden Cent seiner Gage wert ist. Warum Waltz nur für den Oscar "als Nebenrolle" nominiert wurde, bleibt mir ebenso ein Geheimnis. Hallo? Wenn nicht er, wer denn dann spielt  in diesem Film die Hauptrolle? Aber es ist ja auch irgendwo egal, da ich auf diese Verleihung eh einen dicken Haufen drauf lege.

Kommen wir wieder zum Film zurück: Also, in meinen Augen würde der Film ohne Waltz nicht funktionieren, denn sein Charakter und seine Dialoge sind es, die die 165 Minuten Laufzeit wie im Fluge vergehen lassen und nur im Schlusskapitel mit Leonardo Di Caprio einen würdigen Gegner im Wort- und Psychofest findet. Jamie Foxx spielt auch seinen Django gut, doch wie eben schon erwähnt. Über allen filmischen Zutaten steht das Damokles-Schwert eines Christoph Waltz.
Die Faszination, was dieses Filmerlebnis ausmacht ist die Mischung aus drastischer aber pointierter Gewalt, gelegentlichem Humor, der Geschichte um die MENSCHEN mit einer anderen Hautfarbe und, ich weiß nicht ob ich es schon erwähnt habe, dem Kopfgeldjäger Waltz zuzuschauen.

Dennoch reicht es zu keiner Höchstbewertung, da es dann doch im Schlussdrittel einige Sachen gibt, die mir gar nicht schmecken und den ansonst verdammt gut aufgebauten Film fast den Boden unter den Füßen wegreißen. Alles beginnt mit einem Samuel L. Jackson (der hier nicht aussieht wie 64 sondern ungefähr 84 Jahre alt), dessen Figur so grotesk geraten ist, das sie mit dem ganzen davor Geschehenen nicht mehr harmonieren will. Nicht nur, dass ab dieser Stelle der Humor ins Lächerliche driftet, nein, dieser Charakter ist es, der dem Film den Sargnagel gibt. Samuel L. Jackson dürfte einen typischen Tarantino-Charakter spielen, aber - selten so unpassend wie hier und somit lenkt Tarantino die Geschichte in eine komplett andere Richtung, erlaubt sich sogar, einen wichtigen Charakter aus dem Script zu schreiben, um schließlich dann in einem blutigen, aber dennoch nicht passenden Finale, enden zu lassen. Das alles hat so sehr einen faden Beigeschmack, dass ich auch Tage später, nachdem ich den Film erst mal sacken lassen habe, nur auf den Nenner komme, dass sich Tarantino mit seinem ach so geilen Finale selber ein Bein gestellt hat.
Zurück bleibt für mich ein Western, dessen Wiedersehwert ich alleine auf Waltz schieben kann, da das absolut grottenschlechte Finale keine Lust auf mehr macht.


"Django Unchained" ist eine erstklassige Hommage an den Western und auch für Leute wie mich, die sich gar nicht mit Westernfilme identifizieren können, eine absolute Bereicherung. Letztendlich lebt der Film von seinen Figuren und seinen Dialogen und eben den Mann unter den Männern: Christoph Waltz.
Eine Höchstwertung bleibt dennoch aus, da das Finale in meinen Augen total daneben war.

8/10

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