Da ist er also, der neue Tarantino. Getrieben von seiner Leidenschaft zum Film und seiner Ambition sich künstlerisch zu entfalten würdigt er jedes Filmgenre als cineastischer Freigeist mit seiner persönlichen Interpretation und liefert dabei ein Endprodukt ab, das trotz (oder gerade wegen) der Verbeugung vor den Vorbildern wie die höchste Vollendung Selbiger wirkt.
Es hat dabei den Anschein, dass Tarantino trotz etablierter Größen wie "Pulp Fiction" und "Jackie Brown" erst mit "Kill Bill" seinen Stil gefunden hat und damit (mit Ausnahme von "Death Proof") seine kommenden Filme in genau dieselbe Richtung einschlagen lässt.
Längst vorbei sind die Zeiten der eher geerdeten Gangster Filme aus den 90ern. Seit 2003 bestimmen außergewöhnliche Grundprämissen, übertriebenes Gemetzel und das bewusst Absurde einen Tarantino Film. Hier reiht sich nun auch der neue "Django Unchained" ein, der treu dem Stil von "Kill Bill" und "Inglorious Basterds" folgt und wieder eine recht simple Rache-Story erzählt, in der aber Charaktere und Dialoge dermaßen aufblühen, dass eine Laufzeit von knapp 3 Stunden nur gerechtfertigt ist.
In vielerlei Hinsicht ist "Django Unchained" ein typischer Tarantino, doch auf der anderen Seite hat der Regissieur auf gewisse andere seiner Trademarks verzichtet. Einige davon sind nicht der Rede wert (wie die Tatsache, dass es sich hier um keinen Episodenfilm handelt), andere schmälern den Gesamteindruck des Filmes schon ein wenig.
Es dominieren mal wieder lange, ausufernde Dialoge, die gewohnt großartig geschrieben sind und von den Schauspielern brillant vorgetragen werden. Allein bei den eloquenten Ausführungen von Christoph Walz' Figur Dr. Schulz hängt man diesem förmlich an dessen Lippen. Die Dialoge entfalten mit zunehmender Gesprächsdauer messerscharfe Akzente, die Bälle werden sich immer härter zugeworfen und die unterschwellige Bedrohlichkeit nimmt zu. Das ist Tarantinos großes Trademark, das ihm auch hier wieder hervorragend gelungen ist.
Tarantino setzt seine Geschichte auch wieder gekonnt in Szene und schafft in wichtigen Schlüsselszenen memorable Bilder, die durch das Zusammenspiel von Kameraführung, Score und dem skurillen Inhalt sich in die Köpfe der Zuschauer einbrennen. Darüber hinaus darf auch die authentische Ausarbeitung des Grundszenarios gelobt werden. Hier in den US-Südstaaten Ende des 19. Jahrhunderts herrscht eine klare gesellschaftliche Trennung zwischen Hautfarben und dennoch wagt es der Film keine reine Schwarz-Weiß Malerei zu betreiben und zeigt auf beiden Seiten sowohl gutmütige Freidenker, als auch griesgrämig Rassisten.
Gerade diese Verschiebung der Grenzen ist es, die oftmals für Lacher im Kinosaal sorgt. Django Unchained ist sicherlich der humorvollste Tarantino Film, auch wenn die durchaus gut pointierte Situationskomik meist schwarzer Natur ist. In allen anderen Fällen ist es lediglich die inflatinoäre Verwendung des Schimpfwortes "Nigger", die die schlichten Gemüter im Kinosaal zu Schenkelklopfern reizt. Ebenso kann die drastische Gewaltdarstellung mit ihren breitflächigen Blutspritzern verblüffen und provoziert in ihrer grotesken Absurdität weitere Lacher. Höhepunkt des Ganzen ist sicherlich, die Frau, die physikalisch vollkommen inkorrekt von einer abgefeuerten Kugel in eine völlig andere Richtung katapultiert wird. Tarantino setzt solche unrealistischen Slapstick Momente gerne bewusst ein, was auch durchaus legitim ist, doch in anderen Fällen, wie zum Beispiel der Tatsache, dass Kugeln hier grundsätzlich in Nahaufnahme Körper durchbohren und gleichzeitig Leichen als Schutzschilder verwendet werden, darf man Tarantino auch mal Schlamperei vorwerfen. In anderen Filmen würde man einfach von Logikfehlern sprechen, im Falle von Tarantino neigt man dazu sich in Interpretationen zu flüchten, um dessen Unfehlbarkeit zu erhalten. Doch der Mann ist nunmal doch nicht unfehlbar und hat damit einen etwas madigen Restgeschmack hinterlassen.
Auch das Drehbuch ist trotz der gewohnt guten Dialoge und der erwachsenen Darstellung des Settings nicht frei von Fehlern. Sowohl der von Leonardo DiCaprio dargestellte fiese Großgrundbesitzer Calvin Candle, als auch Walz' Schulz agieren gegen Ende nicht so, wie man es hätte erwarten dürfen. Candle hätte in der entscheidenden Szene die Unmenschlichkeit eines Hans Landa an den Tag legen können und Schulz ist am Ende trotz seiner hohen Intelligenz seinem eigenen Ego erlegen. Davon abgesehen wirkt auch der Wendepunkt von Jamie Foxx' Titelfigur wie nachträglich hinzugefügt, nur um die Handlung nochmal um 30min verlängern zu können. Ein solch plumper "Easy Way Out" ist im Rahmen des Potentials eines Quentin Tarantinos doch eher unwürdig. Und zum Schluss ist da noch der Soundtrack, der sich gewohnt erstklassik präsentiert, doch in einigen Szenen treibt es Tarantino dann doch ein wenig zu weit mit seiner unkonventionellen Musikuntermalung und knallt einem mit zwei Colts ballernden Django einen hippen Hip-Hop Track um die Ohren, dass man glaubt, sich in einem schlechten Musikvideo wiederzufinden.
Aber das ist Meckern auf hohem Niveau. Tarantino Filme polarisieren nunmal. Mir jedenfalls hat der Braten, trotz einiger Schrotreste im Fleisch geschmeckt. Die Schlussszene die begleitet wurde vom Titeltrack aus "Die rechte und die linke Hand des Teufels" zusammen mit dem frech grinsenden, Zigarre kauendem Jamie Foxx und seinem ulkig tanzendem Gaul kreisen immernoch durch meinen Kopf.