Review
von El Chuncho
Nazi-Bastards of the South,
wäre für mein Dafürhalten jener Titel, mit dem ich (noch) zufriedener sein würde. Die von mir mit enormer Vorfreude erwartete Hommage an den Spaghetti-Western per se oder an Corbuccis Ur-Django ist "Django unchained" nicht. Auch kein identitätsloses Django-Remake, maximal ein weiteres Sequel mit gewaltiger Eigenständigkeit ist Freund Tarantinos neuester Geniestreich. Bei "Django unchained" kommt auch viel zu selten richtiges Italowestern-Feeling auf. Viel zu süd-östlich ist das Setting der Story, viel zu grün und saftig dadurch die Landschaft, viel zu farbig ist der Protagonist namens Django und viel zu viel wird hier geredet. Lediglich manche Stellen des 160-Minuten Films sind von wunderbarer originaler Musik von Bakalov oder Morricone untermalt und wirken somit gleich reminiszent, doch die unaufdringliche Kamera und die selten vorhandene Verspieltheit und Raffinesse früherer "Leone/Corbucci & Konsorten-Tage" versetzen mich viel mehr in eine durchwegs neuartige, sehr eigenständige Weiterentwicklung des Genres. Quentin Tarantino, Filmnarr und Regie-Kapazunder, der es schon so oft hervorragend verstanden hat, exploitatives europäisches Bahnhofs-Kino einer breiten lukrativen Masse zugänglich zu machen, ist dies einmal mehr großartig gelungen und erfindet jetzt den Western nicht neu, aber verquickt bekannte Zutaten intelligent in neuer Eigenständigkeit und Style.
"Django unchained" folgt einem absolut stringenten Erzählstil, verneigt sich dann und wann vor besagtem Genre-Kino der 60er- und 70er-Jahre (von Blaxploitation bis Spaghetti-Western, von Peckinpah-Anleihen bis hin zu brachial Action wird hier vieles genial verwurstet, daß das Ergebnis einen mit offenen Mund zurücklässt) um im eigentlichen Sinne eine Fortsetzung oder präziser ausgedrückt, ein Prequel zu "Inglourious Bastard" dar zu stellen. Diesmal sind es die faschistoiden Bewohner der Südstaaten, Patrizier und Herrenmenschen, die Schwarze versklaven, diese wie Tiere behandeln, quälen, ausbeuten und töten. Tarantino drückt hier den Daumen tief in eine amerikanische Wunde, die noch immer nicht verheilt geschweige denn aufgearbeitet ist. Ausgerechnet ein gebildeter, exaltierter deutscher Doktor, als kühl-kalkulierender, kaltblütiger Kopfgeldjäger ist ironischer Weise der eigentliche Humanist, der die Sklaverei verabscheut und die engstirnigen dummen Faschisten des Südens verachtet. Nach äußerst gewinnbringender Partnerschaft im Kopfgeldjäger-Business mit dem zuvor freigekauften schwarzen Django und mit genügend Humanitas und Gerechtigkeitssinn im deutschen Herzen, endet die Suche nach Djangos versklavter Frau in einem Blutbad von fast surrealen Ausmaßen. Knöcheltief watet Django im Blut, um schließlich seine Frau aus den grausamen Fängen eines selbstherrlichen, sadistischen Plantagenbesitzers und dessen Hofstaat zu befreien.
"Django unchained" zieht seine ganze Magie aus den hochkarätigen, western-untypischen Dialogen, die nur ganz selten zu gestelzt wirken, einer unglaublich plakativen Gewaltdarstellung (zum einen die Gewalt gegen die hilflosen Sklaven, die einen verstört und schwer zu konsumieren ist, und zum anderen die Gewalt der Rache, die in seiner Intensität ebenfalls verstört und fontänenhaft das Blut spritzen lässt, aber unseren Vergeltungs- und Gerechtigkeitssinn bedient) und hervorragenden Mimen. Allen voran der Österreicher Christoph Waltz, gefolgt von Samuel L. Jackson und Leonardo di Caprio, der den rassistischen Unmenschen gibt. Jamie Foxx als Django macht seine Sache ganz gut, nur bleibt er im Vergleich zu vorher genannten Herren doch etwas blass. Tarantino lässt sein Publikum auch mehr lachen als jemals zuvor und würzt so manche Szene mit für ihn typischen Humor. Lediglich die Kapuzen-Szene war mir zu platt und wird einfach nicht lustiger, sondern nur nerviger, je länger sie dauert.
Alles in allem feinste Unterhaltung, meisterlich und neuartig arrangiert- so etwas gibt's scheinbar nur alle drei Jahre.
8,5 / 10 Punkten