Das Jahr 1976 bedeutete nicht nur eine Hochphase im Genre des Poliziesco, sondern auch in Tomas Milians langjähriger Karriere. In Roberto Guerrieris "Liberti armati pericolosi" (Bewaffnet und gefährlich) spielte er einen Kommissar und gemeinsam mit Umberto Lenzi entwickelte er zwei seiner bekanntesten Charaktere - den Buckligen "Il gobbo" in "Roma a mano armata" (Die Viper) und Sergio Marazzi, genannt "Monnezza", in "Trucido e lo sbirro" (Das Schlitzohr und der Bulle). Das die Zusammenführung beider Figuren in "La banda del gobbo" (Die Kröte, 1978) nach "Il cinico, l'infame, il violento" (Die Gewalt bin ich, 1977) ihr letzter gemeinsamer Film werden würde, war zu diesem Zeitpunkt genauso wenig zu ahnen, wie die Erfolgsgeschichte um "Nico Giraldi", dessen erster Auftritt in "Squadra Antiscippo" (Der Superbulle mit der Strickmütze) innerhalb von 8 Jahren noch zehn Fortsetzungen nach sich ziehen sollte - immer gemeinsam mit Regisseur Bruno Corbucci und ab dem zweiten Film "Squadra Antifurto" (Hippie Nico von der Kripo, ebenfalls noch 1976) mit Franco Lechner, bekannter unter dem Namen "Bombolo".
Der Titel „Squadra antiscippo“ (frei übersetzt „Einsatztruppe gegen den Handtaschendiebstahl“) deutet schon darauf hin, das Corbucci den Kampf gegen die Kriminalität mehr von der humorvollen Seite angehen wollte. Die erste Szene bestätigt diesen Eindruck, als das blanke Hinterteil eines Mannes eine Gruppe japanischer Touristen so sehr in den Bann zieht, das dessen Kollegen in Ruhe deren Gepäck abräumen können. Corbucci reiht noch weitere Beispiele des alltäglichen Diebstahls in den Straßen Roms an, bevor Tomas Milian erstmals in der Person des Polizisten Nico Giraldi auftritt. Es ist offensichtlich, dass er diese Figur stark an seinen Charakter Sergio „Monnezza“ Marazzi aus „Trucido e lo sbirro“ (Das Schlitzohr und der Bulle) angelehnt hatte, nicht nur wegen der optischen Ähnlichkeit und der römischen Herkunft.
War „Monnezza“ ein Kleinkrimineller, der der Polizei mit unorthodoxen Methoden half, ist Giraldi ein ungewöhnlicher Polizist, der aus dem kriminellen Milieu stammt. Stand seine wallende Lockenmähne, gepaart mit einem wuchernden Vollbart, schon als Ganove Pate für den typischen Bürgerschreck, Mitte der 70er Jahre, steigert er diesen Eindruck in seiner Funktion als Staatsdiener noch, auch wenn er mit einer bunten Strickmütze versucht, seinen Haarschopf zu bändigen. Milians Interpretation eines Polizisten, der mit einem geländefähigen Motorrad auf Verbrecherjagd geht, dabei meist ein Schlachtfeld hinter sich lassend, hat Züge einer Karikatur, aber ihm gelingt es – ähnlich wie als Sergio Marazzi – dabei glaubwürdig und authentisch zu bleiben. Selbst den Erfolg, den er gerade wegen seiner direkten Art bei den Frauen hat - hier bei der intellektuellen Signora Cattani (Maria Rosario Omaggio) – nimmt man ihm ab, denn Giraldi beweist Einfühlungsvermögen und Cleverness, auch wenn er jede Allgemeinbildung weit von sich weist. In dieser nach Außen hin betonten Einfachheit, die seinen gut funktionierenden Verstand kaschiert und seine Gegner täuscht, begleitet von wilden Grimassen und lautem Geschrei, werden weitere Parallelen zu der Figur aus „Trucido e lo sbrirro“ deutlich – nicht erstaunlich, das Nico Giraldi in Italien auch „Monnezza“ genannt wird und das der deutsche Verleih ihn im achten und neunten Teil der in Deutschland unter dem Begriff „Superbulle“ laufenden Reihe wieder zum „Schlitzohr“ ernannte.
Doch trotz Milians ironischer Verkörperung eines Polizisten und Corbuccis lässigem Beginn, bleibt „Squadra antiscippo“ in seiner Grundanlage ein ernsthafter Film. Entgegen dem äußerlichen Anschein ist Giraldi ein „Vollblut-Bulle“ und spätestens mit dem routinierten Auftritt von Jack Palance als zwielichtigem amerikanischen Geschäftsmann Norman Shelley, nimmt der Film die Züge eines klassischen Poliziesco an. Zwei Taschendiebe stehlen ihm seinen Aktenkoffer, der angeblich nur wertlose Papiere enthielt, weshalb er die Polizei nicht einschaltet. Tatsächlich befinden sich viele Dollar darin und Jack Palance, sowie seine Mitstreiter, haben nicht vor, Zeugen zu hinterlassen. Nicht nur Giraldi bekommt es statt mit Klein-Ganoven mit Schwerverbrechern zu tun, auch Corbucci dreht die Gewaltschraube nach oben, zeigt waghalsige Verfolgungsjagden und ausgiebige Schusswechsel. Es wird deutlich, das Bruno Corbucci seinen ersten Film mit Tomas Milian keineswegs als Persiflage auf den Poliziescho verstand, sondern auch einen pessimistischen Blick zulässt, so gut gelaunt Giraldi auch dagegen antritt.
Wie gut diese Mixtur beim Publikum ankam, bewies der anhaltende Erfolg der Filme um den sehr speziellen Ermittler, allerdings verschob sich die Gewichtung der späteren Folgen zunehmend in Richtung Komödie. Der Aufstieg des „Superbullen“ - in Deutschland bürgerlich unter dem Namen Tony Marroni bekannt - ging nicht zufällig einher mit dem Ende des Polizieschi-Genres, ähnlich wie knapp 10 Jahre zuvor beim Italo-Western, als dieser vermehrt ironisch betrachtet wurde. Die langjährige intensive Zusammenarbeit zwischen Milian und Bruno Corbucci verdeutlichte die Trendwende weg von einer kritischen Betrachtung der Gesellschaft, hin zu einem humoristischen Blickwinkel, wie er schon seit Anfang der 70er Jahre in den Western-Parodien von „Bud Spencer und Terence Hill“ zu beobachten war. „Squadra antiscippo“ selbst entstand noch während der Hochphase des italienischen Polizeifilms und nahm das Genre in seiner gelungenen Balance zwischen gesellschaftskritischen und komödiantischen Elementen jederzeit ernst. (7/10)