Season 1
erstmals veröffentlicht: 03.03.2014
Eigentlich tötete “Hannibal Rising” jedes Verlangen ab, mehr über Hannibal Lecter erfahren zu wollen; manche Figuren möchte man doch lieber als Enigma in Erinnerung behalten, wenn sie sonst mit hanebüchener Psychologie verschandelt werden. Trotz des hochgeschätzten Mikkelsen war das Interesse an einer TV-Serie über unser aller Lieblingskannibale sehr verhalten.
Gut, dass die Neugier manchmal doch siegt – das Ergebnis fällt (zumindest in dieser ersten Staffel) großartig aus. Zuallererst: Hopkins hat man dank Mikkelsen bereits nach einer Folge vergessen. Der Däne macht sich die Figur scheinbar mühelos zu eigen, und anstatt sie auszuschlachten, lässt er sie mit stark reduzierter Mimik wieder geheimnisumwittert erscheinen. Aber noch viel überraschender als die Interpretation der Titelfigur: Drehbuch, Look und Atmosphäre sind höchste Güteklasse. Ansatzweise bewegt sich die erste Staffel konzeptionell in Monster-Of-The-Week-Schemata, weil in fast jeder Episode neue Serienkiller auf den Plan treten, aber gerade zum Ende der Staffel hin verzweigen sich die Handlungsstränge immer mehr miteinander, was auch daran liegt, dass die zunehmend surrealer anmutende Visualisierung eine Entsprechung des Geisteszustands von Hauptdarsteller Will Graham ist, der, beeinflusst durch die grausamen Fälle, immer tiefer in seiner eigenen Psychose versinkt. Damit verbunden generiert die eigentlich als Thriller deklarierte Serie in jeder einzelnen Folge mehr Horror als beispielsweise „American Horror Story“ über seine ersten beiden Staffeln.
Es bleibt abzuwarten, wie lange dieses Prinzip genießbare Früchte trägt, denn es scheint zu instabil, um sein Niveau über mehrere Staffeln hinweg derart hoch zu halten, aber bisher ist „Hannibal“ für wohl eine der größten Serienüberraschungen überhaupt, ein psychologischer Thriller, der in Sachen Drehbuch, Optik, Setdesign und Schauspiel die meisten Filme seiner Gattung in die Tasche steckt.
(8.5/10)
Season 2
erstmals veröffentlicht: 08.02.2015
Das visuelle Kunstwerk, das Staffel 1 war, bleibt Staffel 2 mindestens ebenso sehr. Ob nun Gerichte auf Hannibals Esstisch komponiert werden oder Mordschauplätze, stets liefert die Serie mehr als bloß oberflächliche Ästhetik, Bilder und Figuren nämlich, die auf Abgründiges verweisen und den Schrecken so in faszinierende Form bannen. Möglicherweise übertreffen sich die Macher der neuen 13 Folgen in dieser Kategorie sogar, denn die Offenlegung menschlicher Perversion lässt sich kaum mehr in einer Steigerung vorstellen, wird aber stets so geschmackvoll arrangiert, dass man sich erst im Nachhinein ihrer Abartigkeit richtig bewusst wird.
Bezogen auf die Story, die Season 1 so virtuos zwischen Monster-of-the-Week-Strukturen und Charakterprofil des Hauptmonsters und dessen Umfeld verwob, bleibt ein sehr hohes Niveau zwar bestehen; immer noch könnte man meinen, einem vor Spannung berstenden Zweistünder zuzusehen und nicht etwa einer ganzen Serienstaffel. An Hugh Dancys Figur jedoch lässt sich wenigstens ein kleiner Qualitätsabfall verzeichnen. Entsprachen die letzten Episoden der Vorgängerstaffel noch einer Bebilderung seines zerbrechenden Geistes, wird der Status Quo seiner mentalen Gesundheit mit inflationären Dämonenerscheinungen recht verkrampft beizubehalten versucht, nur damit sich die Windrichtung zur Mitte hin fast um 180 Grad dreht, damit ein neuer Widersacher (over the top: Michael Pitt als Mason Verger) auf den Plan treten kann.
Trotz dessen treten die Drehbücher nicht auf der Stelle und führen punktgenau zum Ende einen irreversiblen Situationswechsel herbei, der gerade in Kenntnis der Bücher und Filme eine aufregende dritte Staffel unter neuen Vorzeichen ankündigt. Davon abgesehen ist Mads Mikkelsen weiterhin eine absolute Bank, die „Hannibal“ zu einer der aktuell besten Serien überhaupt macht.
(8.5/10)
Season 3
erstmals veröffentlicht: 25.03.2016
Vorbei ist der - mindestens audiovisuell - wohl wichtigste Beitrag zu dieser goldenen Ära der TV-Serien. Zum Abschluss verdammt durch das banale Argument fehlender Quoten, müsste man angesichts der überragenden Qualität eigentlich wütend sein, dass Bryan Fuller sein ursprünglich breiter angelegtes Konzept nicht bis ins letzte Detail ausformulieren konnte. Warum aber empfindet man nach dem Season-Finale eine vollumfängliche Zufriedenheit, wie sie nach Serienabschlüssen nur äußerst selten anzutreffen ist?
Einerseits muss man die dritte Staffel wegen ihrer Hektik klar als die schwächste bezeichnen. Zumindest die überwiegend an den Florenz-Plot aus „Hannibal“ angelehnte erste Filmhälfte leidet eklatant unter der storybedingten Sprunghaftigkeit. Einer ursprünglich sorgsam charakterisierten Figur wie Inspektor Pazzi geht jede Tiefe ab, ikonische Szenen des Ridley-Scott-Films werden bloß zu ästhetischen Zwecken ausgeschlachtet, der Mainplot mäandert unfokussiert vor sich hin, um insbesondere Gillian Anderson mühsam weiter in den Mittelpunkt zu rücken.
Besser wird es erst mit dem Auftreten Richard Armitages. Die Intensität, mit der er den Roten Drachen verkörpert, muss sich vor den Filmvorläufern keineswegs verstecken. Mit zurückgenommener Art verströmt er dennoch eine beunruhigende Aura und definiert mühelos Unscheinbares in Monströses.
Vor allem aber leitet er ein Finale ein, das sich gemessen an den Umständen so befriedigend anfühlt wie der letzte Haken an der Rundung einer schließenden Klammer. Fuller mag sich hier vielleicht teilweise der Publikumssehnsucht nach emotionalem Bombast opfern, liefert im Umkehrschluss aber eine Gänsehautpointe für die komplex-fragile Beziehung zwischen Mikkelsens immer noch großartigem Lecter und dem immer besseren Hugh Dancy als Will Graham, so dass man zu zweifeln beginnt, ob Fullers weitere Überlegungen überhaupt zu einem zufriedenstellenderen Abschluss geführt hätten.
So hätte man dem Inhalt der dritten Staffel allenfalls die Gelegenheit gewünscht, seine pralle Masse über zwei Staffeln verteilen zu können. Doch ging Hannibal, wie er kam: Einzigartig stilvoll.
(8/10)