*Achtung, Spoiler!*
Im Reigen des Asia-Geister-Horrors im frühen neuen Millenium nimmt „Inner Senses“ wenigstens erzählerisch eine Ausnahmestellung ein, da er den Horror mit dem persönlichen Drama der Protagonisten dahingehend mischt, daß der übernatürliche Faktor lediglich als halluzinatorischer Auswurf seiner psychisch gebeutelten Figuren erscheint.
Bedeutet, daß der Film dahin tendiert, daß sich der Horror lediglich in den angeschlagenen Köpfen der jungen Yan und ihres Psychiaters Jim abspielt.
Natürlich gibt es Szenen, die den Zuschauer daran zweifeln lassen, aber letztendlich geht es nicht um ein neues Fluchdrama a la „Ju On-The Grudge“, sondern vielmehr um zwei Menschen, die ähnliche Psychosen teilen, um sich nacheinander gegenseitig zu heilen, bzw. ihre Psychose zu überwinden.
Dazu fährt der Film trotzdem erlesene Schockeffekte aus der bereits bekannten asiatischen Geisterkiste auf. Seltsame, sich ruckhaft bewegende Geschalten, Schemen im Spiegel oder im Hintergrund heulend und jaulend, halbvermoderte Gliedmaßen, die hinter Türöffnungen hervorlugen. Das ist alles kompetent und atmosphärisch hervorragend gemacht, der Genrefreund dürfte auf und ab hüpfen, allerdings ist es gewöhnungsbedürftig, wie stark die Psychologie immer mehr in den Plot driftet und die Effekte überspielt.
Erzählerisch ist der Film leider nicht ganz so geschickt, deutet er doch zu früh an, daß beim kompetenten Psychiater auch so einiges im Argen ist, was aber den Zuschauer zunächst eher verwirrt, daß sich die Gründe für die Traumata ziemlich ähneln. Das ist leider aber kein wirklicher Vorteil, denn praktisch wiederholt sich die Aufarbeitung damit noch im selben Film, weshalb sich am Ende kein Überraschungsmoment mehr einstellt.
Besonders grimmige Bedeutung besitzt sicherlich die Schlußszene, in der Jim, gespielt von Leslie Cheung keinen anderen Ausweg mehr vor dem rächenden Geist sieht, als sich von dem Gebäude zu stürzen, das schon seiner Jugendfreundin den Tod brachte. Denn letztendlich war es Cheungs letzter Film überhaupt und er sollte sich wenige Monate später genau auf die Art und Weise das Leben nehmen.
„Inner Senses“ ist dramatisches Gruselkino mit menschelndem Touch, für asiatische Verhältnisse blitzsauber gespielt und mit Schockeffekten der besseren Güteklasse angereichert. Daß der Film trotzdem ziemlich vorhersehbar ist und Schwächen in der Konstruktion besitzt, sollte die Gruselfans nicht aufhalten. (6,5/10)