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Gerne wird das Thema Selbstjustiz beim Thriller in den Fokus gerückt, die moralischen Konsequenzen fallen dabei oftmals aufgrund vieler Actioneinlagen bewusst unter den Tisch.
Regisseur Nick Murphy, der mit „Awakening – Geister der Vergangenheit“ einen grundsoliden Start hinlegte, muss sich im vorliegenden Fall eines Psychodramas verstärkt auf seine Darstellerriege verlassen, welche tatsächlich einen Großteil der offensichtlichen Schwächen kaschieren kann.

Joe (Paul Bettany) und Chrissie (Stephen Graham) sind zwei Polizistenbrüder, welche noch immer unter dem Eindruck ihres knallharten Vaters und ehemaligen Cops Lenny (Brian Cox) stehen und auch schon mal über die Stränge schlagen. Als ein mutmaßlicher Kindermörder aus Mangel an Beweisen auf freien Fuß kommt, spitzt sich die Situation dramatisch zu und es kommt zu einem Eklat. Doch Ermittler Robert (Mark Strong) wittert bereits ein faules Spiel…

Es ist ein Fall, wie er sich nicht nur in Nordengland abspielen könnte, denn bekanntermaßen handeln Menschen in solchen Fällen oftmals impulsiv, missachten eventuelle Knackpunkte bei der Beweislage und lassen sich vom Vorleben der vermeintlichen Killer leiten. Der Tatverdächtige Buleigh (Ben Crompton) gibt zwar an, seit seiner Zeit als Exhibitionist den Glauben zu Gott entdeckt zu haben, doch warum finden sich in seinen vier Wänden Fotos von Minderjährigen und weshalb sollte er den Kontakt zum Opfer aufgebaut haben? Ein erster Gedanke: Pauschal schuldig.

Daraus entwickelt sich allerdings eine Geschichte um den moralischen Zerfall zweier Brüder, die nicht nur mit der eigenen Psyche, sondern auch mit der Loyalität der Familie, mit Schuldzuweisungen und Gewissensbissen leben müssen und daran Stück für Stück zerbrechen. Weniger geht es um das eigentliche Verbrechen oder darum, ob das Handeln der Brüder in irgendeiner Form Berechtigung finden könnte, sondern lediglich um die Konsequenzen.

Das Manko ist, dass es durchweg an Suspense fehlt, obgleich die düstere Stimmung aufgrund der ruhigen Sounduntermalung, der unauffälligen Kamera und der trüben Farbgebung gegeben ist. Eine Aufklärungsarbeit im üblichen Sinne fehlt nahezu komplett, man ahnt frühzeitig, inwiefern sich die Schlinge zuziehen wird, wobei schade ist, wie wenig Interesse den weiblichen Figuren geschenkt wird, obgleich diese einen großen Einfluss auf die Hauptfiguren ausüben.

Auf darstellerischer Ebene kann eine Menge des überraschungsarmen Drehbuchs kaschiert werden, besonders Paul Bettany lässt seine anfangs so selbstsichere Figur mit sehr feinen Nuancen zugrunde gehen, aber auch Brian Cox weiß als demenzkranker Kauz zu gefallen. Ferner sind die starken Leistungen von Crompton, Graham und Strong zu erwähnen, welche allesamt recht intensiv performen und ihren Figuren eine Menge Leben einhauchen.

Dass das Thema Selbstjustiz und die damit verbundene Frage um Schuld und Sühne etwas eingehender thematisiert wird, ist durchaus lobenswert, was den Streifen vom üblichen Rache-Einheitsbrei abhebt. Leider fehlt der Konstellation jegliche Spannung und auch wenn das Verhalten der Figuren meistens nachvollziehbar ist, so ist die Geschichte an sich zu simpel aufgezogen, um wirklich Mitgefühl mit den Figuren zu erhaschen.
Stark performt, solide inszeniert, doch wirklich nachhaltig packend gestaltet sich „Blood“ letztlich nicht.
Knapp
6 von 10

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