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Get 'ur Freak on

"Freaks" war Tod Brownings Herzensprojekt und sollte ein Meisterwerk und weiterer Riesenerfolg werden, nachdem ihm durch seinen Welthit "Dracula" alle Türen offen standen. Dass er stattdessen das Ende seiner Karriere einläutete, lässt noch immer mit dem Kopf schütteln, fast eine Träne verdrücken. Ein Film über Außenseiter, der damals (wie sogar teilweise noch heute) ein Aussenseiterdasein am Rande des Horrorgenres fristet. Wie passend. Dabei gibt es wohl kaum einen zeitloseren und packenderen Film, egal welchen Genres, aus den 30er-Jahren. Wenn man "Freaks" das erste Mal sieht und auf sich wirken lässt, kann das einer filmischen Offenbarung und Öffnung gleichkommen. Und das in einem schrecklich zerschnittenen 60-Minuten-Cut. Was wäre, wenn wir den kompletten Alptraum geniessen dürften, der das Publikum damals gnadenlos überfordert hat, mag man sich kaum ausmalen...

"American Horror Story" hat ihm eine komplette Staffel gewidmet, etliche Filme und Serien (von den Simpsons bis South Park) haben die liebenswürdigen Freaks zitiert, mittlerweile ist Brownings ambitioniertes Werk, das seiner Zeit Lichtjahre voraus war, in der Popkultur und nahe der Mitte der Gesellschaft angekommen. Damals war er ein Tabu und Skandal, mit dem man nicht nur wenig anfangen konnte, sondern der echte Hasstiraden entfachte und der in seiner unübersehbaren Gesamtaussage grandios und mehr als mutig gegen den Zeitgeist ging. Erzählt wird von einer Zirkustruppe, in der u.a. einige Freaks zu Hause sind, d.h. Menschen mit Behinderungen oder abnormalen Merkmalen (fehlende Gliedmaßen, Kleinwüchsige, Frau mit Bart usw.). Während sie den Schock, den Ekel und blanken Hass der Zuschauer gewohnt waren und diesen mit einer eingeschworenen Gemeinschaft bekämpften, lassen innere Unruhen, Neid und Eifersucht die fragile Fassade bröckeln. Vor allem zwei normale Artisten machen den "besonderen Attraktionen" schnell klar, an welcher Stelle sie stehen und dass man über sie lacht, nicht mit ihnen...

"Freaks" hat das Horrorgenre verändert. Wenn auch erst Jahrzehnte nach seinem skandalösen ersten Kinorun. Er dreht gewohnte Horrorpfade um 180 Grad, demaskiert uns Normale als das eigentlich Böse, er zeigt echte Behinderte, seine letzten Minuten und die große Rache der Freaks ist faszinierendes Horrorkino mit unvergesslichen Gänsehautmomenten. Getarnt als Skandalgrusler, entziffert als Monolith der Nächstenliebe, der Gleichheit, der Inklusion. Der wahre Horror war (und leider ist zum Teil) wohl eher, dass ihn Leute zwar verstanden und fühlten, doch dem ganzen Herzens widersprachen. Mit Monstern wie diesen kann, darf und will man sich nicht identifizieren, wie können diese nur gewinnen. Und das obwohl oder gerade weil selbst die kleinkariertesten und engstirnigsten Menschen damals ganz tief in sich gemerkt haben, dass Browning mit seiner Entlarvung und Reizung der Gesellschaft recht hat, den Finger in Wunden hält.

Fazit: noch immer verstörend, heftig, emotional. Kein Wunder, dass vor fast 100 nahezu jeder komplett überfordert und erbost war. Traurig nichtsdestotrotz. Eine als Horrorklassiker getarnte Ode an die Integration von und das Verständnis für Andersartige, Behinderte, Außenseiter. "Freaks" ist monolithisches Pflichtprogramm, nicht nur für Horrorfans. Wichtiger geht's kaum!

P.S.: mit der unwiederbringlichen Zerstörung der 90-minütigen Originalfassung haben die ignoranten Produzenten bei MGM dem Kino und der Menschheit eine einschneidende Attraktion geraubt und einen ärgerlichen Bärendienst erwiesen! Da trauere ich echt hinterher!

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