Review

„Jack Frost ist 'ne ganze Menge, aber er ist bestimmt kein Hüter!“

„Die Hüter des Lichts“ ist ein Film aus der US-amerikanischen DreamWorks-Animationsfilmschmiede, bei dem Peter Ramsey nach „Monsters vs Aliens: Mutanten-Kürbisse aus dem Weltall“ sein Langfilm-Regiedebüt gab. „Die Hüter des Lichts“ basiert auf der Buchreihe „The Guardians of Childhood“ aus der Feder William Joyces, wurde im Jahre 2012 in einer 3D-Fassung in den Kinos aufgeführt – und dürfte der einzige Film sein, in dem sowohl der Weihnachtsmann als auch der Osterhase, Jack Frost, der Sandmann, die Zahnfee und der schwarze Mann zusammen auftauchen.

Pitch alias „der schwarze Mann“ hat ein Problem: Kaum ein Kind glaubt noch an ihn. Damit sich das zu seinen Gunsten ändert, plant er, die Kleinen mit finsteren Alpträumen zu plagen. Das ruft die aus vier Sagengestalten mit besserem Leumund bei den Kids bestehenden Hüter des Lichts auf den Plan: den „North“ genannten Weihnachtsmann, den Osterhasen Bunny, die Zahnfee Tooth und den Sandmann Sandy. Dessen an die Kinder gesandten Träume sabotiert Pitch und verwandelt sie in Albdruck verursachenden Horror – wodurch die Gefahr besteht, dass sich die Kinder auch vom Glauben an den Sandmann abwenden. Zu ihrer Überraschung erhalten die vier Hüter Unterstützung von Eis- und Schneemacher Jack Frost, den eigentlich schon lange kein Kind mehr auf dem Schirm hat. Obwohl der Mann im Mond höchstpersönlich Jack zum neuen Hüter nominiert, was eine Riesenchance für ihn bedeutet, hadert Jack mit seiner großen, verantwortungsvollen Aufgabe. Doch es gilt, die Kräfte zu bündeln und gegen Pitch und dessen sinistre Pläne entschlossen vorzugehen…

Protagonist Jack, der im Mittelpunkt dieses Films steht, gehört der Prolog, in dem er aus dem Off im Präteritum seine Erinnerungen Revue passieren lässt, indem er von einer seltsamen Mondbegegnung berichtet, die ihn vor 300 Jahren zu Jack Frost machte, während er sich an die Zeit davor so gut wie gar nicht mehr erinnern kann. Die knabenhafte Gestalt sieht dabei überhaupt nicht aus wie „Väterchen Frost“, bereits hier bricht man mit Erwartungshaltungen. 300 Jahre später, genauer: im Anschluss an den Prolog geht’s an Nordpol, wo ein tätowierter Weihnachtsmann mit russischem Akzent zusammen mit seinen Yetis (statt Elfen oder Wichteln) residiert und einen kräftig gepimpten Schlitten für seine Ausflüge nutzt. Osterhase Bunny ist kein niedlicher Hoppel, sondern ein mannsgroßer Kampfsportler, der um keinen frechen Spruch verlegen ist und über die Kraft verfügt, Teleportationslöcher zu erzeugen, durch die er überall hinkommt. Seine zu Zahnschwund passend zuckersüße Kollegin Tooth arbeitet mit einer Vielzahl ebenso plombenziehender Feen zusammen, die für sie die ausgefallenen Milchzähne einsammeln, die anschließend in einem Riesenarchiv gehortet werden, weil sie als Erinnerungsspeicher dienen. Sandy ist leider stumm, jedoch weltbester Sandskulpturenbauer und Sandflugzeugpilot. Und Jack steht auf Eis und Schnee und hat mehr Flausen im Kopf als alles andere. Modernisierung klassischer Kinderfantasiefiguren: Check!

Jedenfalls versammelt North all diese Gestalten, weil der schwarze Pitch dagewesen sei, während die Kinder in der Stadt sich arglos dem Wintervergnügen hingeben, woraufhin Jack Frost etwas verstimmt reagiert – schließlich haben die Kinder ihren Spaß, ohne ihn mit ihm in Verbindung zu bringen. Zu allem Überfluss ist er für Menschen auch noch unsichtbar! Nach der Intervention des Mondmanns ist er der fünfte Hüter. All das erinnert stark an eine Versammlung alter, vorchristlicher Götter, die sich vom Glauben der Menschen speisen. Auf einen rasant inszenierten Weihnachtsschlittenflug zu Pitch folgt eine kurze Rückblende ins Mittelalter, als der Aberglaube an den schwarzen Mann abgesetzt wurde. „Die Hüter des Lichts“ meint es ernst mit seiner Mythologie und feilt sorgfältig an ihr, um weniger religiösen, eher spirituellen Kinderglauben mit Hoffnung gleichzusetzen.

Actionlastige Kämpfe erinnern an zeitgenössisches Superhelden-Bombastkino und fallen nicht immer übersichtlich aus, dürften junge Actionfans aber begeistern. Mit einem Menschenkind im Osterland wird’s hingegen noch einmal sehr niedlich und macht „Die Hüter des Lichts“ eher zum Oster- denn zum Weihnachtsfilm. Auch Jacks verborgene Erinnerungen spielen eine Rolle und werden von Bedeutung, was wiederum für melancholische Momente sorgt. Das Finale hingegen fällt mitunter – insbesondere für einen FSK-6-Film – reichlich gruselig aus, worauf ein etwas gefälliges, sentimentales Ende folgt.

Mit seinem realistischeren, weniger karikierenden Animationsstil weist „Die Hüter des Lichts“ generell einen ernsteren Grundton als vergleichbare Animationsfilme auf. Dass der Weihnachtsmann russischer Herkunft ist (in Form einer Matroschka hält sogar etwas russische Folklore Einzug), während dort doch eigentlich Väterchen „Jack“ Frost die Geschenke bringt, könnte ein Zugeständnis an die hier anders interpretierte Frost-Figur, möglicherweise gar ein Versuch kultureller Annäherung in Vorkriegszeiten gewesen sein. Darum wiederum dürften sich die zuschauenden Kinder kaum scheren, sondern sich vorzugsweise zusammen mit Erwachsenen an einem sehr gelungenen Animationsfilm erfreuen, der sich und sein Publikum ernstnimmt, trotz kindgerechter Ausführung in Sachen Action und Grusel ordentlich auffährt und anstelle von Kitsch eine spirituelle Botschaft über die Bedeutung kindlichen Glaubens an das Fantastische und Wunderbare sowie die Schädlichkeit düsterer Gedanken und Angst transportiert. Den Nachwuchs vor Letztgenannten zu bewahren, obliegt in Ermangelung tatsächlich existenter, sagenhafter Hüter des Lichts uns Erwachsenen, an die sich der Film also ebenso richtet…

Details
Ähnliche Filme