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In einem am Meer gelegenen sizilianischen Dorf: Seit Generationen fahren die Fischer raus aufs Meer, leisten harte Arbeit und riskieren gar ihr Leben, doch werden sie von den Händlern ausgebeutet und leben in ärmsten Verhältnissen. Der junge Hitzkopf Ntoni Valastro will das ändern und stiftet seine Kollegen dazu an, die Ausbeuter mitsamt ihren gezinkten Waagen ins Wasser zu werfen. Dafür werden sie eingesperrt, kommen aber wieder frei, weil die Händler auf die Fischer angewiesen sind.

Beflügelt von diesem Erfolg, überzeugt Ntoni seine Familie davon, eine Hypothek auf das Haus aufzunehmen, ein Boot zu kaufen und auf eigene Rechnung zu fischen sowie mit dem Fang zu handeln. Anfangs läuft’s sehr gut, doch dann wird das Boot in einem Sturm zerstört und die Valastros geraten in grosse finanzielle Not. Die anderen Fischer, die sich immer noch unter der Fuchtel der Händler befinden, helfen nicht, Jobs sind kaum aufzutreiben. Die bisherigen Fänge müssen die Valastros billig an die ehemaligen Ausbeuter verkaufen, verlieren ihr Haus schliesslich aber dennoch. Lucia, die Teenager-Tochter, lässt sich mit dem Dorfpolizist ein (denn da die Familie nun verarmt ist, können die Mädchen eh nicht mehr auf eine Heirat hoffen), Cola, Ntonis Bruder, schliesst sich den Schmugglern an, der Grossvater wird schwer krank und landet im Hospital. Schliesslich bleibt Ntoni nur noch eine Möglichkeit…


Ja, dieser Film von Luchino Visconti (OSSESSIONE, DER LEOPARD, TOD IN VENEDIG), erster Teil einer nie realisierten Trilogie, rührt das Melodrama mit der grossen Kelle an und nimmt das Sprichwort „ein Unglück kommt selten allein“ verdammt wörtlich: Über die Valastros ergiesst sich ein Schicksalsschlag nach dem anderen, so dass es mit der Zeit fast schon an eine Parodie gemahnt. Es ist einfach etwas viel (und durchaus ein bisschen vorhersehbar).

Andererseits sorgt das für etwas „Action“ in einem sehr gemächlich inszenierten, jede Menge Geduld erfordernden Streifen, der sich in seinen epischen zweieinhalb Stunden Laufzeit alle Zeit der Welt nimmt, seine Charaktere und die Landschaft sehr detailliert vorzustellen: In vielen langen, eher unbewegten Einstellungen fährt die Kamera langsam über die heftig streitenden Menschen auf dem Markt, die Fischerboote, welche aufs Meer hinaus oder wieder zurück fahren, oder über die zerklüfteten Küste, wo Ntoni und seine Freundin Nedda die Zeit miteinander verbringen. So scheint in TERRA TREMA die Aufmerksamkeit weniger auf die fortlaufende (und eigentlich recht simple) Handlung gerichtet, als auf eine Dokumentation der Lebensumstände der sizilianischen Fischer. (Es ist ja auch so, dass hier fast durchgehend Laiendarsteller auftreten.) Das passt natürlich zum neorealistischen Ansatz einer möglichst wirklichkeitsnahen Darstellung.

Aber es gibt auch Elemente, die dem zuwiderlaufen, allen voran der stets präsente Voice-Over (beim Erzähler handelt es sich übrigens um Visctoni selbst), der die Geschehnisse kommentiert und Überlegungen anstellt. Manchmal wirkt der Erzähler etwas penetrant (insbesondere dann, wenn er nur nacherzählt, was gerade passiert ist oder gesagt wurde – sehr nervig, das), aber er lockert auch öfters mal ruhige Sequenzen, in denen nicht besonders viel passiert, auf. Der Illusion eher abträglich sind auch einige Dialoge vor allem gegen Schluss, die für einen kommunistischen Unterton sorgen (sinngemäss: Die Arbeiter müssten sich in Solidarität zusammentun, um den Kapitalisten das Handwerk zu legen. Wobei keine politisch geprägten Begriffe fallen). Will sagen: TERRA TREMA beschränkt sich nicht auf eine nüchterne Schilderung, sondern nimmt Partei und versucht eine politische Botschaft sowie einen Lösungsansatz ans Publikum zu bringen.

Die Locations sind fantastisch: Der Küstenabschnitt mit den beiden grossen Felsen im Meer draussen bietet ein sehr eindrückliches Bild und auch das Dorf hat trotz seiner Schäbigkeit etwas Malerisches (das könnte man gut in eine Lovecraft-Verfilmung nehmen). Daraus resultieren einige wirklich fantastische Bilder (Beispielsweise, wenn die Valastro-Frauen an stürmischen Gestaden auf ihre Männer warten), die man so schnell nicht vergisst.

Die Laiendarsteller füllen ihre Rollen mit offensichtlicher Spielfreude aus, allen voran Antonio Arcidiacono (Ntoni), der eine beachtliche Leistung abliefert. (Er sieht übrigens Willem Dafoe etwas ähnlich). Besonders auch die Darsteller der Händler (also der nominellen Bösewichte) scheinen eine Menge Spass gehabt zu haben und wirken wunderbar hassenswert und verabscheuungswürdig (speziell, wenn sie sich voller Häme über den gescheiterten Ntoni lustig machen).
Die Valastros werden einem schnell sympathisch und tun einem wirklich leid, wie das Schicksal ihnen übel mitspielt. Und man entwickelt einen gewissen Groll gegen die übrigen Fischer, die feige vor den Händlern kuschen und für Ntoni und seine Sippschaft nur Neid übrig haben; sehr freundlich ist der Blick auf die Menschen hier jedenfalls nicht, besonders auch das gottergebene Festhalten an Traditionen und die daraus resultierende Unfähigkeit, sein Leben in die eigenen Hände zu nehmen und etwas zu ändern, werden angeprangert.

Insgesamt schaden dem Film die doch etwas langatmige Inszenierung (die Story ist nun mal etwas zu dünn, um eine derartige Auswalzung zu rechtfertigen), der oft überflüssige oder gar nervige Voice-Over und die naiv bis aufgesetzt wirkende politische Botschaft. Andererseits haben wir hier hervorragende Schauspieler, eine etwas sehr melodramatische, aber dadurch teils auch recht unterhaltsame Handlung sowie einige starke, unvergessliche Bilder. Ansätze zu einem Meisterwerk wären vorhanden, aber Visconti steht sich da bei der Ausführung selbst etwas im Weg. Trotzdem: Der Film ist einen Blick wert.

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