Die Vermessung der Welt in 3d
(Spoiler in allen Kapiteln)
Dieser Film hat mir einfach ein Lächeln ins Gesicht gezaubert. Zum einen aufgrund der unglaublichen 3d-Bilder, zum anderen aufgrund der Leichtigkeit, mit der Detlev Buck die Geschichte zweier unterschiedlicher Männer in einer großen Parallelmontage erzählt und dabei Themen wie Liebe, Wahn, Besessenheit für die Wissenschaft und Vereinsamung auf die Leinwand projiziert.
Kurz zur Geschichte (7/10):
Carl Friedrich Gauß (Florian David Fitz) kommt aus einfachen Verhältnissen und erhält aufgrund seiner mathematischen Fähigkeiten ein Stipendium. Der wohlhabende Alexander von Humboldt (Albrecht Abraham Schuch) kann sich abenteuerliche Expeditionen in den Amazonas leisten und dort nicht nur seltene Pflanzen und Tiere entdecken, sondern sogar Sklaven befreien. Zu Beginn des Films begegnen sich die beiden als Kinder und am Ende treffen sie als alternde und gezeichnete Männer, die erst im Gefängnis ihre Befreiung finden, wieder aufeinander. Denn beide sind von der Wissenschaft gefangen, ihr ganzes Leben richtet sich nach ihr aus.
Montage der Erzählung (10/10):
Hierbei geht es nicht allein um den recht unauffälligen Schnitt, der dem Film sehr gut steht. Es ist vielmehr beeindruckend, wie Buck und sein Team es schaffen, die Geschichten der beiden völlig unterschiedlichen Männer zu erzählen. Humboldt ist ein pflichtbewusster Preuße, der deshalb immer wieder mit seinem französischen Mitarbeiter in meist humorvoller Weise aneinander gerät. Humboldt zweifelt nie an seinem Weg, ist voller Tatendrang aber emotional völlig kalt. Gauß hingegen ist in jungen Jahren an Frauen interessiert und scheint der Genießertyp mit charmantem Lächeln zu sein. Mit der Vollendung seines Buches ist auch sein Lebenswerk vollendet, der Rest, der kommt, ist Beiwerk. Ein enttäuschendes Treffen mit Kant, der sich bereits jenseits von Gut und Böse befindet, treibt Gauß nicht nur von der Wissenschaft weg, sondern fast in den Selbstmord. Seine Frau stirbt früh und zu seiner neuen Familie findet er keine Verbindung, seine Lehrtätigkeit ist desillusionierend. Trotz dieser schweren Themen und der Unterschiedlichkeit in der Entwicklung der Charaktere laufen beide Erzählstränge störungsfrei parallel und sind häufig mit leichtem Humor gewürzt. Man kann beiden Menschen folgen, die Wechsel von einem zum anderen Erzählstrang wirken immer harmonisch, sodass man den Eindruck bekommt, im Grunde nur einem Leben zu folgen, das aus zwei Hälften besteht. Am Ende lässt Buck beide wieder aufeinandertreffen. Sie sind gezeichnet vom Leben, haben dessen Lügen entlarvt. Gauß ist ein mürrischer und arroganter Mann geworden, Humboldt immer noch optimistisch. Er verzweifelt in einer großartigen Szene noch nicht mal an seiner Inkontinenz. Dann wird Gauß' Sohn verhaftet und alle landen im Gefängnis. In einem letzten Gespräch schenken sich die beiden Wissenschaftler die Freiheit, sie wollen noch einmal forschen und rechnen - gemeinsam an einem Projekt. Diese Arbeit wird nicht ihr Ende finden, eine Happy End ohne Happy End und vor allem ohne Kitsch. Das schönste Geschenk sei es, wenn man etwas zu tun hat, sagt Gauß.
Schauspieler (7/10):
Alle sehr gut. Selten habe ich in einem deutschen Film Schauspieler so natürlich spielen sehen. Wenn das Spiel unnatürlich oder übertrieben wirkt, dann nur, weil es den Charakteren der Figuren geschuldet ist.
Bilder (10/10):
Umwerfend, wenn ich nicht auf der Couch gelegen hätte. Kameramann Slawomir Idziak („Harry Potter und der Orden des Phönix", „Black Hawk Down") lädt den Zuschauer förmlich auf die Reise dieser beiden Männer ein. Nahezu jede Einstellung ist pures 3d. Dabei wirkt dies nie selbstzweckhaft, oft verspielt und leicht ironisch, imposant und poetisch. Die Vermessung der Welt ist einer der schönsten deutschen Filme, wenn man alleine das Bild berücksichtigt. Es ist unglaublich plastisch, ohne jeden CGI-Schnickschnack, sondern alleine durch das große künstlerische Talent der Bildgestalter euphorisierend. Selbst das Licht wird in den 3d-Effekt eingebunden. Darsteller dürfen auch mal exorbitant in die Kamera schauen oder den Finger hinein strecken und die Pflanzenwelt des Amazonas präsentiert sich in wunderschönen Bildkompositionen. Optisch ist dieser Film ein Meisterwerk - nicht zuletzt auch wegen des tollen Setdesigns.
Fazit:
Die Vermessung der Welt ist poetisch, philosophisch, witzig und wunderschön anzusehen. Die Erzählstruktur ist gekonnt so in Szene gesetzt, dass trotz ihrer Parallelität nie der Überblick verloren geht. Die Darsteller passen wie die Faust aufs Auge und der Film ist einfach rund. Einzig spannende Momente fehlen ein wenig, auch wenn der Film nie langatmig oder gar langweilig wirkt. Die Spannung wird durch die Bilder und die Entwicklung der Figuren erzeugt, ein bisserl Action im Urwald hätte dennoch nicht geschadet (wenigstens eine Szene). Insgesamt nicht nur ein toller Film, sondern - zumindest in 3d auf einem 60 Zöller - ein filmisches Ereignis, das auch wegen seiner Kombination aus Leichtigkeit und Tiefe wunderbar unterhält.
8,5/10