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Für das 50-Jahrjubiläum sollte niemand geringerer als Dramaspezialist und Oscarpreisträger Sam Mendes den Taktstock schwingen. Die Wahl verwunderte und setzte gleichzeitig hohe Erwartungen an das 23. Bond-Abenteuer. Mendes gilt nicht ganz zu Unrecht als großer Dramaturg, der seinen Inszenierungsstil in bösartig zynischen Familienoffenlegungen (American Beauty, Revolutionary Road) zur Höchstform trieb. Man durfte also gespannt sein, wie ein solcher Filmemacher den Bondmythos bedient. Nicht zu Letzt waren es die ausnehmend guten Kritiken kurz nach der Premiere, die Großes erwarten ließen.

Nach einer missglückten, aber spektakulären Verfolgung eines Bösewichts quer durch die Straßen und Gleise Istanbuls wird Bond (Craig) aus den eigenen Reihen angeschossen und kurzerhand für Tod erklärt. Sein vermeintliches Ableben nutzt er als günstiges Urlaubsangebot, wo er wie gehabt schönen Frauen und dem Alkohol frönt. In der Zwischenzeit sprengt der abtrünnige Ex-Agent Silva (Javier Bardem) das Hauptquartier des MI6 in die Luft. Diese offene Kriegserklärung, die offenbar alleinig M (Judy Dench) gilt, führt Bond zurück in die Arme seines Arbeitgebers und seiner Chefin. 

Mendes tut alles um dem Film die erwartete und verlangte  Größe eines Jubilars solchen Kalibers zu geben. Der Schmach des übel verworrenen Actionfleckenteppichs A Quantum of Solace sollte eine gesetztere, seriös inszenierte und an alte, gereifte Bondklassiker erinnernde Folge entgegengesetzt werden. Bei aller Opulenz und den ausnehmend epischen Bildern, bleibt nur leider die Story ein bißchen auf der Strecke. Es ist weniger die Geschichte als solche, die etwas falsch macht, sondern es sind die vielen kleinen Subplots, die sich nur mit sehr viel Mühe in die gesamte Geschichte integrieren lassen und selbst dann seltsam redundant erscheinen.
Da wäre Bonds kurzfristiger Urlaub als Agent. Er säuft (inklusive bizarrer Trinkspiele), schaut verbittert in die Kamera und gibt sich dunkler Gedanken hin. Kurz, alles in dieser Szene scheint einer vorgegebenen tiefen Bedeutung zu dienen. Nur wird sich diese im Laufe des Filmes als bloße Behauptung herausstellen. Ähnlich verhält es sich mit dem Intermezzo um Bonds fragliche Einsatzfähigkeit. Bond leidet sichtlich an den körperlichen Strapazen, die von ihm erwartet werden um seinen Dienst weiterhin nachgehen zu können, doch auch diese Szene führt zu keinem wesentlichen Abschluss und stellt sich am Ende sogar als starrer Fremdkörper heraus, der dem Film zu keinerlei Antrieb verhilft. So scheint es, dass diese Szenen eine Bedeutungsschwere und Raffinesse vortäuschen wollten, wo schlicht das Drehbuch nicht mehr herzugeben versprach. Das findet sich dann erneut bei der nun handlungsimmanenten Motivation des Schurken wieder. Der gekränkte Ex-Agent, der sich für die Missetaten seiner Chefin rächen will, setzt logistische Kraftakte in Gang und spottet jeglichen Wahrscheinlich- und Unwahrscheinlichkeiten. Diese herkulischen Anstrengungen scheinen kaum in einer angemessenen Relation zu stehen und muten deshalb eher wie Drehbuchschlampereien an. 

Vieles hat den Anschein, als ob Mendes` James-Bond-Abenteuer von allem ein wenig sein sollte oder wollte. Bond sollte gedrungen und bodenständig wie in den letzten beiden Teilen sein, fashionable und weltmännisch wie zu Roger Moores Zeiten und letztlich so selbstzitierend und-reflexiv wie unter Peirce Brosnan. Vor allem letzteres hinterlässt nach den beiden bodenständigen Vorgängern (besonders dem hervorragenden Casino Royale) einen etwas schalen Beigeschmack. Die von vielen Fans so vehement geforderten Bond-Ingredienzien, die eine „Bondhaftigkeit“ garantieren sollten, wurden hier genauso bemüht (Aston Martin, Q inklusive kleiner Gadgets, etc.) wie so manch ironische oder nostalgische Spitze auf die eigene Filmreihe. Nach dem neuen selbstsicheren, von diesem Schnickschnack weitgehend emanzipierten Weg, der mit Craig beschritten wurde, ist diese Rückbesinnung auf die  überholten Bondklischees eher zu bedauern. Anders ausgedrückt: Bond hat es einfach nicht nötig durch Selbstzitate auf die eigene Größe und Bedeutung seiner tatsächlich einzigartigen Filmreihe aufmerksam zu machen. 

Skyfall kann dennoch kaum als misslungen gewertet werden. Vieles wirkt vielleicht zu sehr gewollt,  doch seine sehr ruhige, ja fast schon behäbige Inszenierung, die nur durch kurze (bis auf den Anfang und das Ende) eher unspektakuläre Actionexplosionen unterbrochen werden, besitz eine wohltuende Eleganz, die man sich öfter im Mainstreamkino wünscht. Auch wenn Javier Bardem als Kontrahent kaum emotionale Tiefe erhält und sein eigentlich tragisches Schicksal zu einer Nummernrevue wird, die an Comicschurken wie den Joker erinnert, sind die wenigen Szenen mit ihm, die mitunter besten des Filmes. Das erste Aufeinandertreffen zwischen ihm und Bond versprüht in dem doch eher spröden Gesamtendruck des Filmes eine intensiv verspielte Spannung, die auch Ambivalenzen bei Bond sichtlich werden lassen. Das schludrig drangeklatschte Kindheitstrauma von Bond hingegen kann sich dem Vorwurf eines etwas aufgedrängten emotionalen Aufhängers kaum erwehren. Die Geschichte um M, die zur sündigen Mutterfigur stilisiert (oder degradiert) wird und die letztlich in einer etwas absurden Abel-und-Kain-Metaphorik mündet, reißt als Grande Finale leider keine allzu großen Bäume aus. Der befremdliche Kampf um Muttis Zuneigung will vor allem deshalb nicht so ganz funktionieren, da sich der Film - wie bereits erwähnt - zu sehr mit oftmals redundanten Einzelheiten aufhält statt endlich zum Kern der Geschichte vorzudringen sowie dem viel zu dürftig charakterisierten gefallenen Engel Silva.

Die Erwartungen waren hoch, ja vielleicht zu hoch. Man kann sich von diesem Film recht leicht durch seine unaufdringliche und geschmackvolle Inszenierung zu einem wohltuenden Filmabend verführen lassen (vieles lädt auch dazu ein), doch so manch unbeholfen unnötige Szene, kleinliche Nostalgieverpflichtung und oft nicht bis zum Ende gedachte Storyelemente  erweisen sich immer wieder als Stolpersteine, die das erhoffte und von der Presse eiligst herbeigeschriebene Meisterwerk torpedieren. In der gesamten Bond-Saga nimmt somit Skyfall einen Platz im gehobenen Mittelfeld ein, den man sich als Fan nicht entgehen lassen sollte, auch wenn danach einiges unbefriedigend bleibt.    

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