Close your eyes and bond over - wo soll man nur anfangen? Vielleicht beim hirnrissigen Plot oder den schon hundertmal gesehenen und hundert mal besser gesehenen Action-Einlagen, dem physischen Verfall des Hauptdarstellers, dem Fehlen jeder inneren oder sonstigen Logik, der endlosen Fehlerkette in quasi jeder Einstellung, dem comedyhaften Antagonisten oder der brachialen Entmythifizierung des Helden?
Auch wenn es hier nichts zu spoilern gibt ,was die Suspense ruinieren würde, weil es an einer solchen mangelt, sei geflüstert:
"Take the bloody shot!" Diesen erstaunlichen Satz muss man sich auf der Zunge zergehen lassen und dabei vorstellen, wie die
Bond-Mieze, Außendienstmitarbeiterin Eva, Naomi Harris, (per Hörstöpsel angewiesen) riskieren soll, notfalls Bond gleich mitabzuknallen, der sich gerade mit einen Bösewicht auf dem Dach eines fahrend Zuges prügelt.
Gesagt getan! Sie erschießt den besten Agenten der Welt, während selbst der Ganove, ein besserer Eierdieb, auf den nicht weiter gefeuert wird, verblüfft in ihre Richtung schaut. Ein zweiter Schuss war wohl nicht im Lauf. Okay, soweit zum Höhepunkt der
Eröffnungssequenz , die ansonsten mit einem anderen sterbenden Doppelnull-Agenten in Istanbul beginnt und einhergeht mit dem Verlust eines Datenträgers, auf dem
interessanterweise alle Agenten des MI6 gelistet sein sollen.
Keine Angst, James Bond überlebt den bodenlosen Sturz durch einen ungefähr tausend Meter hohen Wasserfall, obendrein den entsprechenden Aufschlag und die tiefe Ohnmacht, die ihn in die Untiefen des noch tieferen Gewässer taumeln läßt. Das eingängige Titeltrara erspart uns dafür, wie es ihm dann doch gelingt, seine Haut zu retten und sich fortan regelmäßig an den
Strandbars einer zauberhaften Lagune volllaufen zu lassen - und nicht die Spur an Rückkehr denkt oder gar, sich zu melden. Leavin' London etwa? Es sieht so aus. An der Themse jedenfalls hat man sich inzwischen mit dem Ableben des altgedienten Mitarbeiters abgefunden und veräußert gleich mal seine Hinterlassenschaft, Wohnung und so.
Doch das Böse, das nunmehr nicht allein die Meldeadressen aller MI6 Agenten besitzt, sondern darüber hinaus den kompletten Code-Satz sowie überhaupt sämtliche Geheimnisse des Geheimdienstes kennt, schläft nicht. Ganz besonders böse scheint das Böse dabei auf M, gemimt von unserer reizenden Judi Dench, zu sein. Ihr wird prophezeit, peu a peu all ihre Agenten auszuknipsen und zur Overtüre fliegt gleich mal das MI6 Headquarter in die Luft (das übrigens nunmehr in Churchills Bunker umzieht...). Shit happens!
Aber dann: Als der sturzbesoffene James Bond dieses niederträchtige Ereignis zufällig am Tresen seiner Stamm-Beachbar im Fernsehn verfolgt, reicht es ihm. Er taucht wieder bei der Arbeit auf, muss aber vorschriftsmäßig erstmal einen Eignungstest absolvieren, den er prompt versemmelt. Und so sieht sich M genötigt, gegenüber ihrem (vorsicht Megaspoiler) künftigen Ersatzmann Mallory, Ralph Fiennes, durchsetzen und Bond dennoch auf das Bösartige loszulassen.
Letzteres lauert in Fernost und entpuppt sich als ehemaliger MI6 Agent, der von M einst gemeinerweise als Collateralschaden fallengelassen wurde. Sein Name, Raoul Silva. Javier Badem erinnert an die fröhlich debile Dandyausgabe des Krümelmonsters aus der Sesamstraße, scheint aber obendrein vom anderen Ufer zu sein und psychisch zutiefst gestört. Ihm geht es jedenfalls nicht daraum, die Welt in Chaos und Anarchie zu stürzen, todbringende Viren auszusetzen oder die Alleinherrschaft an sich zu reissen, nein, sein Ziel lautet: M vernichten!
Der Zauber der Geschichte verlangt, dass es Bond (mittels eines Miniatur-Radiogerätes und einer Waffe mit Besitzererkennung) dank des neuen, ungefähr 14jährigen Q, geblödelt von Ben Whishaw, gelingt, den Soziopathen Silva ins Herz des Empires zu überführen. Das aber ist allerdings ganz genau das, was der Schurke eigentlich will, wie sich bald herausstellen soll. Flugs nämlich eignet er sich erneut, diesmal sogar aus der Isolationshaft heraus, irgendwie die Gewalt über den kompletten Computerpark des MI6 an, woraufhin sich alle Schleusen öffnen, Gebäude einstürzen und U-Bahnen ins Verderben rasen und so weiter, was ihm jedenfalls die Flucht ermöglicht und zur nächsten Schandtat schreiten lässt.
M's offensichtlich mangelnde Führungsqualität nämlich ist unterdessen bereits Thema einer Debatte im Westminster Palace unter Vorsitz der Innenministerin persönlich. Und gerade als M sich mit einer empathischen Phrase ihres ersten Ehemannes bezüglich Schatten, die die Welt regieren (siehe E.A. Poe, schätze ich), rechtfertigt, stürmt Silva, die nackte Pistole in der Hand den Sitzungssaal, um endlich mit seiner Nemesis abzurechnen.
Well, im letzten Moment kann Bond, der, weil kein Taxi frei war, halb London zu Fuß durcheilt, den Täter in die Flucht schlagen. Doch eines ist nun zur traurigen Gewissheit geworden - Shadows over Shadows - London ist nicht zu halten. Was also tun?
Zum Glück hat die Agency nicht Bonds guten alten Aston Martin, der in einer konspirativen Garage auf seinen Einsatz wartet, gefunden und verkauft. Da also Geheimdienst, Polizei und Armee kapituliert haben, flieht Bond mit M aufs Land hinaus. Nach Schottland nämlich, dort, wo sein Geburtshaus steht. Dort, wo das Moor dampft und sich die Highlands im Hintergrund erheben. Dort, wo sein alterwürdiger Housekeeper Kincade, geknallcharged von Albert Kinney, der ihn, wie einst Alfred Bruce Wayne, in die Arme schließt. Nun denn: Das geriatrische Triumvirat rüstet sich zum letzten Gefecht.. Zu dumm nur, dass auch Kincade sofort nach der Meldung von Bonds Ableben das Silbergeschirr und die Waffen verscherbelt hat. So bleibt nur die alte Jagdflinte und ein paar Stangen Dynamit, um den grauenvollen Silva zu erwarten. Denn, das ist ja der Trick, soll dieser schließlich angelockt werden... Macht ja Sinn. Und so kommt es.
Zum Showdown dann fehlt eigentlich nur noch Pater Brown, um der Angelegenheit (das Haus wird übrigens in Schutt und Usher gelegt) seinen Segen zu geben - denn (Schluchz) ein tapferes Mitglied unserer Widerständler stirbt. Jedoch nicht etwa durch die Hand des Schurken, was der Angelegenheit ja einen gewissen Sinn hätte anhaften können, sondern beiläufig, im allgemeinen Getümmel halt. Strafe muss dennoch sein. Und darum darf auch Silva den nächsten Tag nicht erleben. Doch muss er etwa grauenvoll im Moor ertrinken, wird er vom M-rächenden Bond verbrannt oder zerstückelt, nope, ihn trifft, auch eher beiläufig, ein Messer im Rücken. Er sinkt nieder und stirbt.
Summa summarum: Regisseur Sam Mendes (American Beauty) hat es nicht nur fertiggebracht, die Flotte James Bond zum Narrenschiff zu machen, er hat auch gleich den Mythos für alle Zeiten ausradiert: Nämlich die Herkunft des Geheimagenten gelüftet. Thank you! Wen mag sich Barbara Broccoli wohl für das nächste schrille Bond Abenteuer auf den Regiestuhl setzen? Ich tippe auf Oskar Röhler.