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Im Grunde haben sich die Bond-Macher die Sache selbst eingebrockt. Die Marketing-Maschinerie kündigte den 23. James-Bond Film, der zudem vier Jahre auf sich warten ließ, schon seit Monaten mit dem Hinweis auf das 50jährige Jubiläum der Bond-Reihe vor, zudem verpflichteten sie mit Sam Mendes einen renommierten Regisseur und mit Jarvier Bardem einen nicht weniger eindrucksvollen Darsteller für die wichtige Rolle des Bond-Gegenspielers - und erzeugten auf diese Weise eine immens hohe Erwartungshaltung.

Doch worauf? - Die Zeiten, als Sean Connory mit virilem Charme Ursula Andress im Bikini verführte, um gleichzeitig mit leichter Hand den Weltuntergang zu verhindern, waren schon lange vorbei, auch weil sich die Attraktivität des Geheimagenten seiner Majestät mit der Lizenz zum Töten, nicht mehr allein durch den Gegensatz zur bürgerlichen Gesellschaft der Nachkriegsgeneration erklärte. Spätestens seitdem Daniel Craig in "Casino Royale" 2006 die Rolle von 007 übernahm, war James Bond in der Gegenwart angekommen, hatte auch die Gigantomanie, die seine Gegner aufbrachten, um mindestens die Welt zu unterjochen, realistischere Ausmaße angenommen. Craig interpretierte Bond zudem männlich herber, weniger elegant selbstironisch, und machte sich bei seinem Außeneinsatz auch mal schmutzig, während seinen Vorgängern auch bei lebensgefährlichen Einsätzen kaum die Frisur aus der Facon geriet.

Auf Grund des Jubiläums versprach "Skyfall" eine Reminiszenz an alte Bond-Mythen und auch der Filmtitel selbst schien auf etwas Überdimensionales anzuspielen. Tatsächlich bedeutet dieser Name den Eingang zu einem beeindruckenden Szenario, führt mitten hinein in eine großartige, herb schöne Umgebung, aber diese hat nichts artifizielles, nichts kulissenartiges an sich. "Skyfall" führt zurück an die Ursprünge der James-Bond-Saga, aber nicht, indem er alte Macho-Herrlichkeiten wieder aufleben lässt, sondern indem er von der digitalen in die analoge Welt umschaltet und ein klassisches Drama von Verrat und Rache erzählt. Nicht die Welt steht hier am Rande des Abgrunds, sondern Menschen stehen im Mittelpunkt, deren Handeln von tiefen Verletzungen bestimmt wird. Als die schöne Sévérine (Bérénice Marlohe) Bond das erste Mal in einem Casino in Macao begegnet, stellt sich ihre Coolness schnell als vorgetäuscht heraus. Er erkennt ihre Vergangenheit und spürt den Druck unter dem sie steht - auch wenn sie die gewohnte Rolle als Bond-Girl erfüllt, bleibt sie doch eine tragische Figur.

Ähnliches gilt auch für den Gegenspieler Silva (Jarvier Bardem), dessen erstes Auftauchen eine Zeit lang auf sich warten lässt, da Bond in gewohnter Weise erst ein paar Spuren verfolgen muss. Der Storyaufbau setzt die Linie der beiden ersten Bond-Filme mit Daniel Craig fort, ist weniger ein linearer Ablauf - wie in den klassischen Bond-Filmen gewohnt - als ein langsames Heranführen an die eigentliche Thematik, bei der diesmal M (Judi Dench) im Mittelpunkt steht. Nicht nur, das sie stark in der Kritik steht, weshalb ihr mit Gareth Mallory (Ralph Fiennes) ein Aufpasser vor die Nase gesetzt wird, sie wird auch mit früheren Entscheidungen konfrontiert. In einer der beeindruckendsten Szene des Films verdeutlicht Silva seine inneren und äußeren Verletzungen, an denen er M die Schuld gibt, und kann damit auch Verständnis für seine Intentionen erzeugen.

Obwohl humoristische Momente nur selten zwischen Bond und Silva auftauchen, bekommt 007 genug Einsatzmöglichkeiten, um klassisches Agenten-Feeling zu verbreiten, aber auffällig bleiben die jederzeit realistischen Hintergründe bei seinen Einsätzen. Eine Bahnlinie in der Türkei, eine verlassene Insel oder der Untergrund unter London sind Orte des Geschehens bis es zum Höhepunkt in "Skyfall" kommt. Einzig die Hochhäuser in Schanghai und Q (Ben Wishaw) als neue Fachkraft für die technische Ausrüstung, schlagen den Bogen zu einer Gegenwart, die von moderner Computer-Technik bestimmt wird. Sonst wird gekämpft und geschossen, wie zu den guten alten Zeiten, Anfang der 60er Jahre.

Trotzdem ist "Skyfall" keine romantisierende Erinnerung an 50 Jahre Bond, sondern ein aktueller Action-Film, der weiter auf den modernen Bond der Marke Daniel Craig setzt, der nachvollziehbare Charaktere agieren lässt und dank seiner Reduktion auf ein analoges Szenario Raum erhält, ein paar alte Erinnerungen aufleben zu lassen - keineswegs ohne Ironie. Mendes und seinem Team gelingt damit der Spagat zwischen unterhaltender Action und einer differenzierten, ohne künstliche Überhöhungen auskommender Story - kein schlechtes Ergebnis für ein 50jähriges Jubiläum. (8,5/10).

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