Lincoln (2012) von Steven Spielberg
Hatte Steven Spielberg mit "Lincoln" den Anspruch einen unterhaltsamen Film zu drehen, hat er hiermit in meinen Augen total versagt!
Unter dem Aspekt eine Aufbereitung von historischen, überwiegend politischen Fakten zu veröffentlichen, ist ihm das halbwegs gut gelungen - wenn auch in nur schwer erträglicher Form.
Dazu folg. Information vorab: Einen Tag zuvor sah ich "Abraham Lincoln" (1930, s/w) von D.W. Griffith, der als "Beifang" und mit dt. Tonspur auf "Die große Civil War Spielfilm-Box" enthalten ist. Hierbei handelt es sich um eine kpl. Biografie von Lincoln, die bis auf ein paar kleine, heutzutage als "Längen" empfundene Szenen, recht unterhaltsam und einigermaßen aufklärend war. Quasi eine Doku in Spielfilmform, von der Geburt bis einschl. der Ermordung jenes ehem. US-Amerikanischen Präsidenten. Begleitet von div. Handlungssträngen, wurde hier eindeutig die Botschaft zum Ausdruck gebracht, dass es Lincoln seit Beginn der Rebellion in allererster Linie darum ging, die Union zu erhalten - koste es was es wolle. Diese Aussage wurde in dem drumherumgebastelten und einigeramaßen sehenswerten Film mehrfach wiederholt.
Als ich das hier besprochene Remake(?) von 2012 am Tag danach in der städtischen Bücherei entdeckte, war sofort das Interesse da, das gleiche Thema unmittelbar danach nochmal neu verfilmt (mit tollen und etwaigen actiongeladenen Verbesserungen) genießen zu können. Ein Blick auf die Rückseite des Covers zeigte u.a. auch eine Schlachtszene, auf die ich mich schon freute...
Sooo - die besagte Schlachtszene kommt gleich am Anfang und geht exakt 40 Sekunden - ja Sekunden und das bei einer Lauflänge von über 140 Minuten! Kurz vor Ende des Films sieht man nochmal wie Lincoln ein Schlachtfeld und unzählige Gefallene abschreitet - das war's. Also als Beitrag zum Amerikansichen Bürgerkrieg mit Blick auf kriegerische Auseinandersetzungen, könnte ich dieses Werk niemanden mit gutem Gewissen empfehlen. Aber wem sonst???
In Anbetracht der Bewertungen bei IMDb.com und OFDb.de und auch der bereits verfügbaren Reviews hat Spielbergs "Lincoln" ja anscheinend seine Anhänger gefunden - ich hoffe nur aus Überzeugung und nicht wegen des klingenden Namens eines bekannten Regisseurs!?
Okay, als Film nach meinem Geschmack viel zu langatmig, extrem dialoglastig und handlungsarm. Als Medium, um Einblick in das politische Geschehen der US-Amerikanischen Regierung um 1864/65 zu bekommen, bedingt geeignet. Man sollte auf jeden Fall großes Interesse am Amerikanischen Bürgerkrieg, genauer gesagt am politischen Umfeld aus Sicht der Föderation mitbringen, sowie eine gehörige Portion Geduld! Es ist evtl. auch ratsam, ähnlich wie ich, dazwischen eine gewisse Pause einzulegen.
Anders als wie beim o.g. Oldie von 1930, bei dem der Schauspieler Walter Huston dem echten Lincoln übrigens viel ähnlicher sieht, wird hier immer wieder Lincolns Wunsch/Ziel beschworen, die Sklaverei abzuschaffen. Ein Großteil dieses Films ist dem Zusatzartikel 13 der US-Amerikanischen Verfassung (Abschaffung der Sklaverei) gewidmet, um dessen Zustimmung es zu ringen gilt (gähn).
Auch wenn dieser Streifen mir überhaupt nicht zugesagt hat, möchte ihm keinesfalls die professionlle Umsetzung und den teils beachtlichen Aufwand absprechen. Allen Interessierten wünsche ich beim Anschauen viel Spaß! ;)
Zum Abschluss möchte ich dazu aber noch ein paar eigene Ansichten und Meinungen in den Raum werfen, mit denen sich dann der eine oder andere evtl. kurz befassen möchte.
- Von Abraham Lincoln habe durch frühere geschichtliche Recherchen schon immer den Eindruck gehabt, dass es ihm bei der Entscheidung zum Krieg tatsächlich nur um den Erhalt der Union ging. Die Abschaffung der Sklaverei war bestimmt sein frommer Wunsch, aber im Zweifel nur ein Vowand für die Kriegshandlung. Durch beide Versionen habe ich nun aber auch den Eindruck gewonnen, dass Lincoln wohl ein herzlicher Mensch gewesen sein muss, bzw. Herz gehabt hat.
- Spielbergs Version zeigt besonders anschaulich, dass die Zustimmung zum Artikel 13 nur durch Beeinflussung von Abgeordneten der gegnerischen (demokratischen) Partei durch Inaussichtstellung von bestimmten Ämtern/Posten möglich war - was ja eigentlich in Richtung Korruption geht.
- Insgesamt will die Union zwar die Sklaverei abschaffen, aber wohl nur auf dem Papier!? Wenn es darum geht ca. 4 Mio. Negern die Freiheit zu schenken, sollten sie ja anschließend auch die gleichen Rechte bekommen - also auch einschließlich Wahlrechte! Und sie dürften dann eigentlich auch die gleichen Posten besetzen wie Weiße. Ach, so war das dann aber doch nicht gemeint. Man möchte in der Union nur die Gleichheit der Rassen vor dem Gesetz, aber nicht die Gleichheit an sich! Aha! ^^
- Interessant auch die Wertschätzung und der Umgang mit der Delegation der Konföderierten, die zu Friedensverhandlungen unterwegs waren, was Lincoln jedoch in letzter Minute weggelogen hatte! Hahaha...
- Und ähem, wo sind eigentlich, in beiden hier erwähnten Versionen, die nachweislich belegten Gräueltaten von Grant, Sheridan und insbesondere Sherman während des Krieges???
Nach meinem Empfinden war und ist die USA bis heute kein richtiger Rechtsstaat. Egal ob Rot oder Schwarz - Minderheiten sollen nicht die gleichen Rechte bekommen wie Weiße. Nach dem Krieg sollten noch über 100 Jahre vergehen, bis der schwarzen Bevölkerung der USA endlich das Wahlrecht anerkannt wurde. Die Indianer erhielten das Wahlrecht "schon" 1924, nachdem man sie, zusammen mit den Bisons/Büffel, ein paar Jahrzehnte zuvor am liebsten ausgerottet hätte! Zu solch einer Einstellung passt übrigens auch gut die vorübergehende, aber offiziell gedultete Zeit der Kopfgeldjäger und die Einführung und Ausübung der Todesstrafe in manchen Bundesstaaten bis heute!
Heuchelei, Vertuschen von Tatsachen, Korruption und Durchsetzen der Interessen von Lobbyisten waren und sind Teil der Regierung der USA. Auch Rassismus ist in den USA bis heute noch ein Problem, wie wir immer wieder aus den Medien erfahren.
So gesehen regt "Lincoln" von 2012 zumindest zum Kopfschütteln und Nachdenken an - in diesem Sinne...