Kolle, die Dritte – 1969, also im Jahre zwei nach seinem „Skandalfilm“ „Das Wunder der Liebe“, hievte der Chefaufklärer der bundesdeutschen Nation einen weiteren Aufklärungsfilm in die Lichtspielhäuser. Mit der Regie betraute er erneut Alexis Neve, der bereits für Kolles schlicht „Das Wunder der Liebe II“ betitelte Zweitwerk verpflichtet worden war. In drei Episoden wirbt der Film um mehr Verständnis für die Frau.
„Ich glaube, mit 19 weiß man alles!“
Ohne persönliche Einführung Kolles und ohne schwarzweiße Gesprächsrunde steigt man diesmal direkt mit der ersten geschauspielerten Episode ein, die zwei hübsche junge Mädels zeigt, die ihren Brustumfang messen, sich nackt auf dem Bett räkeln und über lesbischen Sex plaudern. Für das, was folgt und eigentlicher Inhalt dieser Episode ist, ist all dies vollkommen unerheblich und wohl in erster Linie geeignet, ein auf nackte Tatsachen fixiertes männliches Publikum ins Kino zu locken und dessen Phantasien vom privaten Treiben geschlechtsreifer Backfische zu bedienen – auch wenn Herr Kolle sicherlich das Gegenteil behaupten würde. Mit einem wie auch immer gearteten wissenschaftlichen oder aufklärerischen Anspruch hat das jedenfalls nichts mehr zu tun. Eines der Mädchen erzählt davon, wie es beinahe zum ersten Mal Sex gehabt hätte. Hierfür bedient sich der Film einer Rückblende auf eine Party und flicht erstmals Kommentare aus dem Off ein. Ihre Freundin berichtet anschließend von einem Techtelmechtel mit dem Klassenlehrer. Das Thema sexuelle Belästigung wird ebenfalls in Form einer Rückblende gestreift, wobei ein aufdringlicher Kerl in die Weichteile getreten bekommt und daraufhin übertreiben laut herumschreit, was den Komikfaktor dieser Episode in die Höhe schnellen lässt. Nach zwei Jahren schließlich treffen sich die Mädchen, mittlerweile 19-jährig, in einem Restaurant wieder. Die Rothaarige rekapituliert, wie sie sich ihren Robert geangelt hat und seither in einer glücklichen Beziehung weilt, während ihre Freundin lediglich von unglücklicher Liebe und einem schlimmen ersten Geschlechtsverkehr zu berichten weiß. Und die Moral von der Geschicht’: Das war Sexploitation, die gibt’s hier nicht.
„Ein Büchsenöffner, der nicht funktioniert – zum Kotzen ist das!“
Im Vorfeld der folgenden Episode erscheint erstmals Kolle persönlich im Bild, ebenfalls in Farbe – im Jahre 1969 war man dann anscheinend tatsächlich endlich soweit, einen Film wie diesen komplett farbig ins Kino bringen zu können. Szenen einer Ehe dann in Episode 2, wenn sich eine selbstbewusst gebende Frau mit ihrem Mann über dessen Mutter streitet, ihn zur Selbständigkeit zu erziehen versucht und auch das Berufsleben Anlass zu hitzigen Meinungsverschiedenheiten bietet. Ihr fehlt es an Spontaneität und Leidenschaft, beim Sex kommt er ihr zu schnell. Auf die Faschingsparty seiner Firma geht er als Cowboy, während sie sich sehr freizügig gibt und die Blicke der Gäste auf sich zieht. Wieder zu Hause, hat er kapiert, welch heißen Feger er geehelicht hat. Beide landen im Bett und er lässt sie die dominante Rolle übernehmen. Kolle erscheint wieder auf dem Schirm und spricht sich gegen Geschlechterrollen und somit für mehr Gleichberechtigung aus. Doch meine Moral von der Geschicht’: Kleid dich wie ’ne Nutte, dann ziert sich auch dein Cowboy nicht.
„Für die Frau bedeutet jede Schwangerschaft eine imposante Leistung!“
Neue Episode, neues Familienglück: Barbara macht den Krötentest, damals anscheinend eine gängige Form des Schwangerschaftstests, und das Ergebnis ist eindeutig: Ihr Klaus hat voll ins Schwarze getroffen. Doch dieser freut sich gar nicht so recht und dass sie keine Lust mehr auf Sex hat, macht ihn erst recht sauer. Barbara wiederum scheint ebenfalls mit ihrem Schicksal zu hadern, träumt sie doch, den Kinderwagen vor einen fahrenden Lastwagen zu schubsen! Und obwohl ihr Klaus ihr Windeln und Schmuck zum Geburtstag schenkt, wird sie grundlos eifersüchtig und dichtet ihm sogar eine Affäre mit der Kinderwagenverkäuferin an. Kolle kommentiert recht gewagt, spricht von unterbewussten Schuldgefühlen und plädiert für einen geduldigen und verständnisvollen Umgang miteinander. Während er herausstellen möchte, welch Ausnahmesituation eine Schwangerschaft insbesondere für eine Frau, aber auch für eine Ehe bedeutet, schafft er es, schwangere Frauen als kaum zurechnungsfähige Superzicken darzustellen.
War „Das Wunder der Liebe“ tatsächlich noch so etwas wie ein überfälliges Stück Aufklärung für die verklemmte BRD, so ist dieser dritte „Kolle“ kaum noch ernstzunehmen und vor allem in seinen ersten beiden Episoden reichlich profan. Kolle droht, sich zu wiederholen, lotet in Episode 1 die Grenzen zum Erotik-/Sexfilm aus und schafft es lediglich im letzten Abschnitt, mit der Schwangerschaft ein wirklich neues Thema anzuschneiden und sicherlich gerade jungen Paaren ein paar wertvolle Tipps mit auf den Weg zu geben, wenn auch manch Aussage in ihrer Allgemeingültigkeit keiner genaueren Betrachtung standhalten dürfte. Inwieweit Kolle mit diesem Film für uns Männer zur Entmystifizierung der Frau beitragen konnte, sei einmal dahingestellt...