Review

Anders als dem Anschein nach vermutet stellt Lost Command sich nicht als einfach geschriebener Durchhaltefilm mit abenteuerlichem Schwerpunkt heraus und serviert kein simples Kriegsspektakel. Durch die sicherlich eher oberflächliche Aufarbeitung eines unrühmlichen Kapitels französischer Geschichte statt einem anonymen Irgendwo läuft man aber auch stark in Gefahr, schnell missverstanden zu werden; die Einstellung zum Film unterscheidet sich allein von der Lesart der politischen Intention. Man ist sich nicht im Klaren darüber, wie Normen, Teilwerte oder Fehlverhalten anzusetzen sind.
Dass Regisseur und Produzent Mark Robson technisch hervorragende Action mit übersichtlich arrangierten Massenszenen gedreht hat, wird einstimmig formuliert. Mal als Extrabonus zum doppelschichtigen Inhalt und mal als Verteuflung der als "fragwürdig" eingeschätzten Tendenzen.

Basierend auf dem Roman "Die Zenturionen" von Jean Larteguy wechselt Robsons häufig den Standort und erzählt über mehrere umkämpfte Schauplätze die Geschichte einer zwiespältigen Kampfformation; längst nicht so pathetisch und reckenhaft, wie der deutsche Verleihtitel glauben machen will.
Begonnen wird bei der Schlacht von Dien Bien Phu, während des ersten Indochinakrieges zwischen Frankreich und der Viet Minh.
Lt. Col. Pierre Raspeguy [ Anthony Quinn ] kann seine Stellung trotz später Verstärkung nicht halten und muss sich zusammen mit den nachgerückten Capt. Phillipe Esclavier [ Alain Deloin ] und Lt. Mahidi [ George Segal; als Araber mit Teint sicherlich Geschmacksfrage ] in die Kriegsgefangenschaft begeben. Die vernichtende Niederlage der Franzosen führt zum Waffenstillstand, der das französische Engagement in Südostasien beendet. Man tritt die Heimreise über Algier nach Marseille an, ohne zu ahnen, dass man sich bald wieder sieht. Auf gegnerischen Seiten.
Während Raspeguy und Esclavier nach kurzer zivilen Phase freiwillig in eine Kolonialfallschirmjägereinheit eintreten, hat sich Mahidi nach dem Tod seines Bruders in die Berge begeben, wo er die aufständischen Rebellen trainiert und zur indépendance führen möchte.

Robson lässt sich Zeit, seine Erzählung richtig zu justieren und erst dann mit der eigentlichen Haupthandlung zu beginnen. Das Vorher gibt aber den Ausschlag; die ersten 45min Prolog benötigt man als Vorwort, um sich mit den folgenden Entwicklungen vertraut zu machen und sie unabhängig politischer Zusammenhänge verstehen zu können. Sein Film bleibt die gesamte Zeit bei den Soldaten und lässt sich nur auf die Zeichnung der Umstände ein. Vor allem deswegen kann man die Folgen aus verschiedenen Überzeugungen betrachten; Robson beschönigt nichts, aber gibt nur die Bilder für eine Erörterung und führt nicht selber eine und enthält sich auch der autoriativen Abstimmung. Dennoch hätte er es sich viel einfacher machen können, jeden Widerspruch und das Herauslösen diskursiver Sinnaussagen von vornherein beseitigen und das Ganze mit Nazis und Alliierten in World War II erzählen.

Das Land ist im Ausnahmezustand. Ausgangssperren werfen die aus Indochina ankommenden Soldaten schnell wieder in ihre Heimat zurück, wo für sie aber nichts mehr zu holen ist. Raspeguy war Schafhirt; nach der Niederlage wurde ihm sein Kommando entzogen und sein Regiment aufgelöst. Nur durch Fürsprache der Witwe eines "Federfuchses" bekommt er die neue, aber unliebsame Aufgabe zugeteilt. Seine Mannen bestehen ebenso wie er aus Abgeschobenen; Moral und Disziplin ist verloren und muss erst mühsam mit unkonventionellen Methoden neu angelernt werden. Nahkampf mit Messern und das Überwinden der Hindernisbahn mit Zeitfrist und scharfer Munition liegt dabei ganz im Geschmack des Basken, der sich weniger durch Reden, als vielmehr Taten ausdrückt. Als sie von einem Bürgermeister in den Siedlungen wegen der Bekämpfung von einer Räubertruppe angefordert werden und auf die Aufständischen treffen, eskaliert die Lage. Man stösst auf ein seit einem Jahrhundert andauernden Problem, dass Frankreich sich mit der Eroberung von Algerien zugunsten Ausbeutung selbst geschaffen hat.

Aufstände gegen die Kolonialmacht waren seit 1847 gang und gäbe; seit der Aufteilung des Landes, der Vertreibung der Landbevölkerung in fruchtlose Gebiet und der Gliederung in Bürger erster und zweiter Klasse erstarkte die Unabhängigkeitsbewegung, was nach Unruhen letztlich zum Algerienkrieg [ 1954 - 1962 ] führte. Robson behält diesen Bogen im Auge, als er seine Geschehnisse eskalieren lässt; auch die Massaker von Sétif, Guelma und Kherrata werden deutlich definierbar eingebunden, ohne genaue Namen nennen zu müssen. Man hält sich in Grundzügen an der Historie fest und erzählt einen selbstständigen Abriss der Ereignisse, deren hinweisende Deutlichkeit trotz distanzierter Darstellung und Spiels freier Phantasie unmissverständlich ist.

Die Aussicht auf reine Unterhaltung ist dadurch natürlich eingeschränkt, obwohl die formelle Arbeit genau die Methodik zeitgleicher Werke von Sturges, Hutton, Aldrich, de Toth oder Endfield entspricht und man sich ansonsten auch eher sanguinisch verhält.
Vage Bedenken innerhalb einer auf epische Grösse angeschwollenen Extravaganz.
Aufwendig produziert, voller Exotik und mit einem Staraufgebot gekennzeichnet, schwelgt die Regie auch zuweilen im Glanz des alten Hollywood; die stummen oder die aus der Anspannung gelösten Szenen sprechen eher die verspielte Sprache der 50er, fast der 40er. Man möchte gerne ablenken, stellt sich in den Mittelpunkt der Kameradschaft und erzählt mit überschwenglichen Ausschmückungen, um ja keine Langeweile aufkommen zu lassen.
Das Rauhbeinige, Rohe, Reizbare der 60er und 70er kommt in den Kampfszenen zum Tragen, die die Liste verfügbarer Artillerie und Infanterie vollständig abhaken und diverse Arten von Krieg ausdrücken.
Begonnen von einer Grabenschlacht in Nordwest-Vietnam über das Verteilen im offenen, bis auf Dattelpalmen vegetationslosen Feld zwischen Tunis und Algier, der straff organisierten Stürmung eines schroffen Berghanges und einem Häuserkampf auf Dächern wird sich von der vereinsamten Weite nach und nach ganz in die bevölkerte Stadt verlagert. Die Auseinandersetzung aus der abseits und unklar bestimmten Zone mitten in die Zivilisation getragen: Algier unter Aufsicht gestellt und Massenverhaftungen durchgeführt. Bombenschläge in Restaurants, Büros, Krankenhäusern sind die Antwort. Die Aussage oder ein Hinterfragen wird vom Film und im Film zwar reduziert, ohne aber den moralischen Status der Handlungen offenzuhalten. Eine explizite Szene, in der Esclavier betont, dass er nicht um des Kämpfen willens zur Waffe greift, sondern wissen will, wofür er kämpft bleibt abgeschottet und unbeantwortet stehen. Bis zum Ende hinaus weiss er es nicht. Er weiss, dass seine jetzige Tätigkeit eine Schande ist. Dass die Helden der Geburtsstunde der Französischen Revolution 1789 alles andere als stolz wären.

Dafür sind die visuellen Gebärden allmächtig.
Auf der Suche nach Mahidi zieht die Generalität im Einklang mit der Fußmannschaft die Verfassung ausser Kraft. Gerichte möchte man nicht mehr behelligen. Die Algerien erst 1947 anerkannte französische Staatsbürgerschaft verwandelt sich in eine vergeltende Sonderbehandlung um, die Festnahmen und Häuserdurchsuchungen ohne Ermächtigung erlaubt. Die Armee stellt sich nicht nur über die Polizei, sondern erschafft sich mit Drohung und Gewalt deren Geheimakten.
Der Film verleugnet nicht, dass Folterungen Gefangener, auch von Frauen, stattfanden. Schildert die Details nicht, zeigt auch nicht die Veränderung selber, aber die Erkenntnis, dass unter gewissen Umständen aus ganz gewöhnlichen Mitbürgern Unmenschen werden können.
Raspeguy, der die gesamte Zeit in verschiedenen Zusammenhängen betont, dass er kein Tier sei - wegen seiner niedrigen Herkunft - wird durch seine Passivität und Schweigen zum Komplizen dieser Kriegsverbrechen. Er tut nichts dagegen, weil er zum Siegen da ist. Seine Einheit fungiert bald nur noch als Todesschwadron, die den Terroranschlägen der Front de Libération Nationale in nichts zurückstehen. Der Zweck heiligt für beide Seiten die Mittel. Soldaten werden zu Mördern. Der Film ist von diesem Faustrecht des Zeitgeists geprägt. Die Haltung zu Tugend, Antikonformismus, Rassismus, Gewalt und sozialer Anpassung hält sich sicherlich in Druck, Zerrissenheit und Widersprüche zurück, aber spart es nicht aus und übt sich auch nicht wie behauptet in profranzösischer Note. Im Gegenteil.

Wer eine Apotheose auf Kämpfer- und Pioniergeist sucht, ist bei Zulu [ 1964 ] besser bedient; von unverhohlener Bewunderung oder gar einem Loblied kann hier keine Rede sein. Vom Begriff der Tapferkeit bleibt nichts mehr übrig, sondern wird von politischen Pragmatismus und fanatischem Idealismus abgelöst.
Umgekehrt ist man natürlich auch weit entfernt von der dokumentarisch gehaltenen Rekonstruktion Schlacht um Algier, die parallel dazu als tiefgehende Analyse mit Sympathie für die Aufständischen entstand. Während dieser in Frankreich als beleidigende, unbequeme Propaganda fünf Jahre verboten war, lockte dort Sie fürchten weder Tod noch Teufel im Nu vier Millionen Zuschauer an.

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