Gibt es einen typischen Ridley Scott Film? Wenn man Alien und Blade Runner oder meinetwegen Gladiator oder Black Hawk Down als Vergleich heranzieht, ist Thelma & Louise definitiv keiner. Der Bastard aus Roadmovie und Drama erzählt die Geschichte von zwei Frauen, die von Zuhause ausbüchsen, um das Wochenende in einer Hütte zu verbringen. Beide verschaffen sich dabei etwas Luft, Thelma (Geena Davis) sagt nicht mal ihrem Mann Darryl (Christopher MacDonald) Bescheid.
Unterwegs halten die beiden, um noch etwas zu trinken, doch das Amüsement wird für Thelma beendet, als ein Kerl sie vergewaltigen will. Louise (Susan Sarandon) eilt ihr zu Hilfe und als der Mann aufmüpfig wird, erschießt sie ihn. Jeder normale Mensch würde nun von Notwehr ausgehen, aber die ohnehin mit schlechten Erfahrungen reichlich gesegneten Ladies flüchten kurz entschlossen in der Annahme, im Süden der USA würde man denken, Thelma hätte die Vergewaltigung provoziert, zumal sie mit dem Übeltäter getanzt hatte.
Man könnte der in Texas und Kentucky aufgewachsenen Drehbuchautorin Callie Khouri vorwerfen, einen Film nur auf dieser emanzipatorischen Anklage aufzubauen. Man darf hierbei jedoch nicht vergessen, daß eine Vergewaltigung in Frauen meist Gefühle auslöst, die sie, nachdem sie realisiert hat, daß man diese nicht wie Schmutz abwaschen kann, davon abhalten mit der Situation auseinander zu setzen. Diese Verdrängung verhindert oftmals die Anklage des Mißbrauchs, weshalb die Flucht unabhängig des Mordes absolut nachvollziehbar wird.
Nun schlägt ein derartiges Drama nicht nach Faster, Pussycat! Kill! Kill! und auch ein wachsender Rattenschwanz aus Polizeiautos wie in Ein ausgekochtes Schlitzohr bleibt aus. Der Ermittler Hal Slocumb (Harvey Keitel) geht der Sache sehr nüchtern nach, während die beiden Mädels auf der Flucht endlich das Leben zu schätzen lernen. Thelma angelt sich mit J.D. (Brad Pitt) ihren ersten guten Fick, Louise muß sich von ihrem Lover Jimmy (Michael Madsen) das gewünschte Geld leider persönlich überbringen lassen, mit dem J.D. kurzerhand durchbrennt. Sie überfallen einen Laden und setzen ihre Flucht nach Mexiko in der Gewissheit fort, daß sie von dem eingeschlagenen Weg nicht mehr abweichen können.
Die Tragik hinter Thelma & Louise besteht aus den getroffenen Entscheidungen vor dem Hintergrund ihrer Unkenntnis, daß sie immer Möglichkeiten hätten noch einigermaßen gut aus der Sache rauszukommen. Sie sind so überzeugt von der gegen sie gerichteten Welt, daß sie gar nicht in Betracht ziehen, ob es auch anders denkende Menschen hinter der wahrgenommenen Fassade gibt. Ihr nun gewählte Pfad war für die beiden eine Befreiung aus einer Vergangenheit, in der sie durch negative Erlebnisse stark geprägt wurden. Diesem Weg folgen sie auf dem Höhepunkt der neu gewonnenen Lebensfreude gemeinsam in der Gewißheit, sich nie wieder unterdrücken zu lassen.
Um den Focus auf den beiden Hauptakteurinnen zu halten, ist es vielleicht von Vorteil, daß sich das übrige Starensamble wider seiner Fähigkeiten nicht in den Vordergrund spielt. Aufgrund der großzügigen Spielzeit bleibt es aber leider nicht aus, daß streckenweise die Kurzweil etwas zu leiden hat, was bei so einem gut besetzten und einfühlsamen Werk wirklich schade ist. Trotzdem ist Thelma & Louise ein guter Film und das nicht nur für Frauen. Wer also seinen Horizont weiter zieht als knallhart Splatter und Action darf gerne mal reinschauen, sofern er dies nicht eh schon getan hat.