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20 Jahre lang war das finnische Gesetzbuch Timo Harjunpääs Bibel. Jetzt soll der junge Mann, der seine Tochter erschlagen hat, nach nur zwei Jahren aus der Haft entlassen werden. Rachefantasien quälen seitdem den erfahrenen Kripomann. Wenn er ihnen nachgibt, wäre es das Ende des Polizisten Harjunpää. Mitten in seine persönliche Hölle bricht ein spektakulärer Fall. In Helsinkis U-Bahn geht ein Killer um, der Menschen vor den Zug stößt und etwas von Erlösung murmelt. Seine Ermittlungen führen Harjunpää in die religiöse Wahnwelt, die der Täter sich erschaffen hat. Er ahnt nicht, dass seine Frau Elisa in ihrer Trauer auf einem Weg ist, der sich bereits mit dem des Killers gekreuzt hat …


Mit "Priest of Evil" präsentiert sich eine finnische Produktion, die einerseits einen Thriller mit religiöser Hintergrundthematik darstellt, in weiten Zügen jedoch vielmehr ein menschliches Drama ist, das sich um den Haupt-Charakter Timo Harjunpääs (Peter Franzen) dreht. So offenbart die Geschichte dann auch 2 parallel zueinander laufende Erzählstränge die zwar durchaus spannende Unterhaltung bieten, gleichzeitig aber auch diverse Defizite beinhalten. Diese offenbaren sich in erster Linie durch die visuelle Umsetzung des Geschehens, denn Regisseur Olli Saarela überflutet den Zuschauer teilweise mit einem wahren Wulst von hektisch geschnittenen Bild-Passagen, so das es manchmal gar nicht einmal so leicht ist, den Handlungen aufmerksam zu folgen. Das Szenario erscheint dadurch in einigen Phasen recht sperrig und es dauert eine geraume Zeit, bis man den richtigen Zugang zu den Ereignissen findet.

Dennoch handelt es sich hier um einen sehr gelungenen Film, der sich vor allem die nötige Zeit nimmt, dem Betrachter die einzelnen Figuren näher zu bringen. Das Hauptaugenmerk liegt dabei sicherlich auf dem Hauptdarsteller, der durch unglückliche Umstände den Tod seiner Tochter betrauert, die von einem Jugendlichen vergewaltigt und hinterher ermordet wurde. Peter Franzen interpretiert den gebrochenen Polizisten wirklich erstklassig und vermittelt einem die innere Zerrissenheit des Familien-Vaters auf eindrucksvolle Art und Weise. Nicht selten entsteht dabei der Eindruck, das man es hier mit einem Mann zu tun hat, dessen Leben nach der grausamen Tat vollkommen aus den Fugen geraten ist. Wie eine leere Hülle erledigt er nur noch mehr schlecht als recht seine Arbeit und das Familienleben ist vollkommen zerstört. Bei diesem Handlungsstrang handelt es sich dann auch um eine tiefgehende Charakter-Studie, wobei die in der Inhaltsangabe erwähnte Mordserie ziemlich stark in den Hintergrund gerät. Erst im letzten Drittel der Story tritt diese dann immer stärker in den Vordergrund und der Film lässt nun die Thriller-Elemente die Oberhand gewinnen. Man mag dieser stellenweise ungewöhnlichen Mixtur gegenüberstehen wie man will, auf jeden Fall geht von "Priest of Evil" eine spürbare Faszination aus, der man sich beim besten Willen nicht entziehen kann.

Selbst die in der ersten Filmhälfte sehr hektischen Bilder sieht man auf einmal aus einer ganz anderen Sichtweise, stehen sie im Prinzip doch stellvertretend für den inneren Zwiespalt, in dem sich die Hauptfigur befindet. Erst mit zunehmender Laufzeit entwickelt man als Zuschauer das richtige Gespür für die Gemütsverfassung des Mannes, der unbedingt den sinnlosen Tod seiner Tochter rächen will und dafür seine Arbeit fast gänzlich aus den Augen verliert. Erst nachdem er dem Mörder persönlich gegenüber gestanden hat und ihn lediglich aufgrund des Eingreifens einer Kollegin nicht töten konnte, scheint eine zentnerschwere Last von ihm abzufallen. Sofort ändert sich auch das Szenario, die Bilder sind nun klar und deutlich und das vorher phasenweise sperrige Geschehen nimmt klare Konturen an. Nun konzentriert sich alles auf die Suche nach dem scheinbar wahnhaft veranlagten Serienkiller, dessen Identität zu diesem Zeitpunkt aber längst schon kein Geheimnis mehr ist. Für die Abläufe ist dieser Aspekt aber keinesfalls negativ zu bewerten, ist man doch vielmehr an den Motiven interessiert, die zu den offensichtlich religiös motivierten Morden führen. In dieser Beziehung wird man dann auch mit den nötigen Informationen versorgt, so das am Ende des Filmes eigentlich keinerlei offene Fragen zurückbleiben.

Insgesamt gesehen handelt es sich bei "Priest of Evil" um einen absolut sehenswerten Film, dessen Qualitäten man jedoch eventuell nicht unbedingt auf den ersten Blick erkennt. Einige zu Beginn eher als Mankos ausgemachte Dinge verwandeln sich mit zunehmender Laufzeit zu äußerst wichtigen Bestandteilen für eine ausführliche Charakter-Beleuchtung der Hauptfigur, die letztendlich unverzichtbar für das gesamte Szenario sind. Olli Saarela hat eine Mischung aus menschlichem Drama-und einem Thriller gefunden, die sicherlich nicht jeden begeistern wird. Wer sich der Geschichte jedoch unbefangen öffnet, der wird mit einem außergewöhnlich guten Seh-Erlebnis belohnt, das absolut empfehlenswert erscheint.


Fazit:


Man sollte sich bei diesem Film nicht von anfänglich als Defizit eingestuften Dingen abschrecken lassen und "Priest of Evil" erst einmal in Ruhe zu Ende anschauen. Eventuell geht es dann manch einem so wie mir selbst und man sieht Vieles aus einer ganz anderen Sichtweise. Hektisch erscheinende Bildfolgen ergeben auf einmal einen Sinn und sind im Zusammenhang mit der seelischen Verfassung des Hauptdarstellers zu sehen, wobei sie plötzlich als unverzichtbarer Bestandteil einer Geschichte erscheinen. Ich fühlte mich jedenfalls bestens unterhalten und kann diese finnische Produktion nur wärmstens weiterempfehlen.


7,5/10

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