Review

Während Moonshade sich noch immer über die nölige Hauptschülerin aufregt, die Alice (Milla Jovovich) in der deutschen Fassung synchronisiert (nix für ungut, Silvan), und eingefleischte Resident Evil-Spieler zehn Jahre nach der ersten Verfilmung sich immer noch ein Herrenhaus wünschen, in denen alle halbe Stunde ein Zombie oder ein infizierter Rottweiler, der durch die Fensterscheibe bringt, einen Kreisch-Modus beim Zuschauer auslösen sollte (dabei könnte man die Ladezeiten der guten alten Playstation 1, die diese mit "Tür-Auf"-Effekten kaschiert so gut in dem heutigen 3D-Hype unterbringen), sitze ich alleine in der Ecke und freue mich immer wieder wie Schmidt´s Katze, wenn ein neuer, relativ hirn- und sinnfreier RE-Teil das Licht der Welt erblickt.
Und nachdem viele Teil 4 (Afterlife) als größten Rohrkrepierer angesehen haben (warum eigentlich?), hab ich mit diesem "Retribution" meinen persönlichen absoluten Tiefpunkt gefunden.

Zu meiner Vorgeschichte: 34 Lenze auf dem Buckel, "zufälliger" Spieler der allerersten Stunde von RE1 und weiteren Teilen, war von der ersten Verfilmung auch dermaßen angekotzt, dass dieser Film von mir verachtet wurde und erst  sechs Jahre später wieder eine Chance bekam - und auf einmal fand ich ihn als solide Zombie-Action, die zwar nichts mit dem Spiel oder dessen Atmosphäre gemeinsam haben, dennoch die heutige massenhaft produzierte Zombie-Ramschware locker in den Schatten stellt. Die Frage nach dem Warum war also schnell beantwortet: Der ansich solide erste Teil scheiterte an meinen eigenen Erwartungshaltungen als eingefleischter Fan der Spiele.

Nachdem es mir in "Apocalypse" (2004) zu viel des Guten wurde (ich erinnere mich noch an den Harley-Sprung in die Kirche), befand ich "Extinction" (2007) als besten Teil der Reihe, da er mich gekonnt in "Mad Max"-Endzeitstimmung versetzte und dem folgte noch der vierte Teil aka "Afterlife" (2010), bei dem man zwei Augen zudrücken musste ( da Anderson nichts mehr von dem Wüstenklima wissen wollte), aber immerhin noch eine gute Fortsetzung darstellte - leider viel zu kurz und ohne Charakterzeichnung. Hin und wieder wurden Charaktere der Spiele eingesetzt, doch Dreh- und Angelpunkt war Charakter Alice, den es eben in der RE-Spielwelt nicht gibt.




Teil Fünf knüpft wie gewohnt am Ende des Vorgängers an, bei dem man in rückwärtslaufender Zeitlupe (!) sehen kann, dass "Afterlife" nicht im Guten endete. Hier haut Anderson auf dem scheinbar einzigen Gebiet, was er beherrscht, dermaßen auf die Kacke, dass man eigentlich nur mit der Zunge schnalzen kann: Eine edle Optik, Actionoverkill und ein audiovisueller Orgasmus nach dem anderen.
Nachdem man also knapp eine Viertelstunde mit den beinahe Augen kollabiert, kommt Anderson kurzzeitig zur Ruhe und erklärt dem Zuschauer, dass die Firma Umbrella Alice (Mila Jovovich) tief unter das Ewige Eis in eine weitere Umbrella-Festung verschleppt hat, die sich als Übungsgelände für ihre B-Waffen erweist. Hier werden Großstädte (u.a. Tokio, Moskau oder auch ein amerikanisches vor nachbarharmonie triefendes Vorgarten-Dörfchen) und Virusausbrüche in nicht existierenden Szenarien simuliert. Sprich: Leere Lagerhallen werden mit Leben und Umgebung gefüllt, dass es sich "echt" anfühlen soll.
Wenn ich jetzt mal einen Großteil der Webseiten besuche, die sich alle mit Filmen beschäftigen, frage ich mich ernsthaft, ob die Praktikanten, die scheinbar die Inhaltsangaben der Filme irgendwo abschreiben, nicht lieber zuerst den Film  sehen sollten, bevor sie einen Dünnschiss ablassen. Bei den Inhaltsangaben bekommt man nämlich den Eindruck vermittelt, dass Alice und Co. durch die ganze Welt reisen um Umbrella, Albert Wesker und den T-Virus zu bekämpfen.
Dem ist aber nicht so, Anderson beweist ein Herz für Zocker und so muss sich Alice in den SIMULIERTEN Szenarien Level für Level mit Neuzugang Ada Wong (Li Bingbing) durchkämpfen, während sich ein Rettungsteam um Leon S. Kennedy (Johann Urb), Barry Burton (Kevin Durand) und Luther West (Boris Kodjoe, ein Überlebender aus dem vierten Teil) einen Weg von der eisigen Erdoberfläche in den Bunker suchen, um Alice zu befreien. Hier darf der geneigte Spielefan wieder einmal Anderson auf die Schulter klopfen, denn mit Leon S. Kennedy und Barry Burton werden zwei weitere Charaktere aus dem Spieleuniversum ins Rennen geschickt, die sich mit dem erstaunlich gut aufgelegten Luther West (Kodjoe beweist hier Buddy-Qualitäten für typische Actionfilme) natürlich auch Level für Level durchschlagen müssen.
Wenn man mal von den Resident Evil-Spielern absieht, dürfte sonstigen Zockern der Neuzeit das Herz in der Hose aufgehen, so fühlt sich wohl wirklich ein verfilmtes Videospiel an.
Bei dieser ganzen Chose  drückt Anderson dermaßen auf´s Gaspedal, dass sich ein optisches Highlight an das nächste reiht und die fast nicht existente Geschichte nebenbei in losen Bruchstücken erzählt wird. Also: Nichts hinterherfragen, sondern Fresse halten und staunen, bis die Sabber aus dem offenen Mund trieft.

Anderson hat es ja schon mit der Schlusssequenz im dritten Teil angedeutet und das Stichwort lautet: Klonen.
Und genau an dieser Stelle hat Anderson in "Retribution" für mich das Fass zum Überlaufen gebracht. Natürlich hab ich mich gefreut, dass Michelle Rodriguez, Colin Salmon (der Typ aus dem ersten Film, der durch das Lasergitter in tausend Stückchen zerfetzt wurde) oder gerade auf Oded Fehr wieder mitwirken, der mit seiner Gestik und Mimik im dritten Teil für mich so etwas wie eine Kopie von Ash (Bruce Campbell, "Tanz der Teufel") darstellte.
Die Enttäuschung (und evtl. meine Erwartungshaltungen ?) liegt an dem "Wie", und dass Anderson die Geschichte entgültig mit dem fünften Teil ad absurdum führt.
Es gibt also von jedem Film-Charakter eine Art Klon-Fabrik, dessen scheinbar unzählig produzierten Klonen man spezifische Emotionen und Erinnerungen einpflanzt, so dass sie in jedem Szenario einen (vom Wesen her) anderen Charakter spielen können. Während Colin Salmon nur einmal grimmig schauen darf, bekommt immerhin Oded Fehr seine zwei Minuten Ruhm als Ehemann von Alice - während sein zweiter Klon ein stummer Umbrella-Killer ist, der Jagd auf Alice macht. Den größten Anteil an Screentime der verstorbenen Rückkehrer darf Michelle Rodriguez verbuchen: Einmal als naive Vorstadt-Hausfrau (die natürlich gegen Waffen ist) und zum zweiten (wie Oded Fehr) eine Killerin darstellen darf. Da blüht Rodriguez auf: Während sie in jeder Filmrolle immer die Rotze durch den Schlund hoch zieht, muss sie es hier sogar tun und  folgerichtig auch den Larry auf den Boden rotzen.
Durch diese ganze Klonerei, eine Story, die nicht vorhanden ist und ein Film, der sich wie ein Spiel Level um Level durchkämpft, ist es kein Wunder, dass zu keinerzeit Emotionen zu den Figuren aufkommen und es ist schon eine Bankrotterklärung, dass ein Kind (Aryana Engineer als geklonte Tochter von Alice) hier jeden an die Wand spielt.



Eins muss man Anderson lassen: Er hat mit "Retribution" ein audiovisuelles Feuerwerk hingelegt, das in der obersten Liga mitspielt. Nur wenn man sich von all dem Bling Bling nicht blenden lässt, wird man erschreckend feststellen, dass Paul W.S. Anderson "seine" Reihe mit DIESER Story im fünften Teil in den Abgrund geführt hat, die jeden denkenden Menschen beleidigt. 
Ja liebe Zocker und alle Menschen da draußen, die ohne Smartphone, Twitter und Facebook keinen Tag überleben können, Leute, die Technik menschlicher Kommunikation oder Sonnenlicht vorziehen : Hier ist euer Ergebnis, das ihr verdient habt. Lasst es euch schmecken.
"Retribution" bietet einen guten Anfang und einen guten Schluss, der auf Wiedergutmachung im sechsten Teil hoffen lässt, und dazwischen gibt es nur hirnloses Dauergeballere in einer negativen Art, die ich so noch nie erlebt habe.

1/10

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