Review

Der mittellose junge John Sum [ Wong Chung ] wird vom Geldsack Lam [ Tung Lam ] mit allen möglichen Schikanen umworben, ihm die Safekombination seines Vaters [ Lo Dik ] zu verraten. Dieser ist nämlich alleiniger, aber dafür umso beflissener arbeitender Wachschutz in einem Warenhaus; im Safe liegt der Schlüssel zum Lager. John weigert sich erst standhaft, willigt aber nach einigen Differenzen mit seinem Vater unter der Bedingung ein, dass diesem nichts passiert. Lam nimmt die Kombination und kümmert sich nicht weiter um die Auflagen...

Ein Delinquent [ Nichtsnutz, Halunke, Scherge ] ist der Ausführende eines Delikts, einer unerlaubten Straftat. Lässt sich aus dem Lateinischen `delinquere` herleiten, das mit `sich vergehen` übersetzt wird. Der Terminus im angloamerikanischen [ und französischen ] Sprachraum wird als Überbegriff für Dissozialität und Verwahrlosung gebraucht.
Die Shaw – Variante eines Sozialdramas [ verbunden mit einem Actionfilm ] erklärt die umfassend verstandene Kategorie von Delinquenz auf seine Weise und schafft dabei innerhalb seiner Geschichte das Porträtieren der Definitionen ebenso wie die Zeichnung der Entstehungsbedingungen.
Das Spannungsfeld Individuum – Gesellschaft wird aufgeworfen; die verwickelte Interaktion der vielzahligen pathogenen Faktoren für die Entstehung der Straffälligkeit betont.

Damit hat der Film auch das Problem, dass er für eine Klientel sicherlich nicht so wirklich ansprechend ist, denn er nimmt sich durchaus Zeit für die Geschichte. Die schnell zusammengefasst, aber eben trotzdem nicht innerhalb kürzester Zeit zu klären ist. Gleichzeitig geht dann auch irgendwie einerseits zuviel Zeit dabei drauf und andererseits zu wenig, aber als eine Variante der Darstellung innerhalb einer Actionoffensive wirkt es dennoch gelungen.

Verantwortlich dafür zeigt sich neben Vielstschreiber Ni Kuang und der Idealbesetzung Wong Chung das aberrante Regieduo Chang Cheh / Gwai Chi Hung, wobei besonders das letztere einige Fragen aufwirft. Erstmal ist die Kombination eben nicht gewöhnlich, dabei beide Herren nun mal keinen gleichen Stil haben. Und dann fällt vor allem Chang Cheh selber bei der Inszenierung und dem Setting heraus; dass Sujet scheint unpassend für ihn ebenso wie die Handlungsweise des Filmes. Seine Mitarbeit ist also fraglich bzw. die Antwort, wieviel er daran mitgewirkt hat. Im Gegenzug ist aber Gwais Regie etwas glatter als sonst; es werden bis auf Ausnahme des Showdowns keine Extreme aufgezeichnet.
Das sieht im psychedelisch – aggressiven Vorspann noch anders aus; dort werden die Erwartungshaltungen auch etwas zu weit vorgeschoben.
Titel“held“ John durchbricht im vollen Lauf mehrere Holzwände, die allesamt mit Gegenden seines Lebens bemalt sind. Er bricht also wörtlich aus, aus seinem Leben.
Woraus genau, und wie er es versucht wird dann aufgezeichnet.

John arbeitet als Lieferjunge sowie Tellerwäscher in einem schon recht siffigen „Restaurant“, dessen nicht wikrlich appetitanregender Zustand die Kunden aber nicht zu stören scheint. Wahrscheinlich sind sie das aus der Gegend bereits gewohnt und haben sich deswegen angepasst; die Stadtschlucht wirkt ansonsten recht klaustropobisch, zugebaut von allen Seiten und innendrinnen die Menschentrauben.
Neben den soziologischen Ansätzen wird auch die Individuumszentrierte These beachtet; dass aus der emotionalen Deprivation entstehende Unvermögen, tragende zwischenmenschliche Beziehungen und Bindungen einzugehen: John findet keinen Kontakt zu anderen; selbst die Bezugspunkte mit Freundin Elaine [ Lily Li ] sind sehr dünn.
Er wohnt bei seinem Vater, dessen Wohnung auch mehr den Eindruck eines Verschlages macht. Die Mutter hat sich scheiden lassen und ist jetzt mit einem reicheren Fleischer zusammen; Vater und Sohn kommen auch nicht wirklich miteinander klar, da unterscheiden sich die Vorstellungen zu arg. Wobei beim Sohn auch die Devianz [ Aus dem lateinischen `de vius` = abseits vom Wege, verirrt, unstet, töricht ] hervorkommt und als Reibungspunkt dazwischen steht.
Der Vater hat sein Leben lang geschuftet, aber nichts erreicht. Der Sohn will nicht so enden, sondern mehr schaffen. Dass er die Tagelöhnerjobs verliert, kümmert ihn deswegen auch nicht, da damit eh kein grosses Geld zu machen wäre. Nach seinen Worten reicht es nicht mal fürs Trinkgeld für die Prostituierten; die Zeit kann er auch anders und für ihn besser nutzen.
Der Vater reagiert öfters impulsiv; sein Temperament bricht ohne Vorwarnung mit ihm aus und führt zu unüberlegten Handlungen, die erst später bedauert werden. Der Sohn hält sich die meiste Zeit zurück, lässt sich viel gefallen. Man sieht nur an den Blicken und seiner Mimik, dass es brodelt und jederzeit eruptieren kann.

Das tut es dann auch; Schikanen von Cripple [ Dean Shek ] und seiner Gang werden nicht dauerhaft hingenommen, sondern irgendwann auch beantwortet. Ebenso wie das Fordern von Cripples Bruder Big Sean [ Fan Mei Sheng ], die Schulden mit dem Verbrechen zu bezahlen dann in der stetigen Bedrängnis auch auf Gegenwehr stossen.
Die Kampfszenen - wie üblich vom Team Lau Kar Leung / Tong Gaai choreographiert – sind bereits gut in das unsentimentale Drama eingestrickt; steigern sich auch analog zu den Effekten der Stigmatisierung, aber nehmen sich anfangs zurück. Zu Beginn finden sie zumeist ausserhalb statt: John prügelt sich mit der pöbelnden Gang auf dem örtlichen Schrottplatz sowie über die Strassen in einen Abwassergraben hinein; und wird später von Motorradfahrern attackiert.
Wem es dahin noch zu lange dauert, da die Charakterisierung der Figuren und ihrer Umstände Vorrang hat: Die letzten 30min sind durchweg Action; diesmal in einem immer mehr begrenzten Raum. Holzfabrik, Sums Warenhalle, Big Seans Nachtclub und Lams Penthouse hoch über der Stadt stellen die Örtlichkeiten für die Auseinandersetzungen dar; die Aneinanderreihung von Effect Shots nach diesem emotionalen Aufbau bringt einen bis heute schier unglaublichen Wirkungsgrad hinein.

Furiose Wiederentdeckung; empfohlen.

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