Review

kurz angerissen*

Die Soska-Schwestern meistern den Spagat, einen Horrorfilm über die Body-Modification-Szene zu drehen, ohne diese Szene auszuschlachten – offenbar, weil sie bereit sind, einen Teil ihrer selbst zu investieren. Und damit ist nicht nur der Cameo als “Demon Sisters of Berlin” gemeint.

„American Mary“ taucht nicht ganz in die Szene ein, sondern orientiert sich eher am Werdegang der Protagonistin, die von Katharine Isabelle gespielt wird. Ihr Ansatz liegt darin, der Bizarrerie, die sich ihr öffnet, nicht etwa mit einem Scared Face Rechnung zu tragen, wie es etwa „Anatomie“-Studentin Franka Potente einst zur Schau trug, sondern mit absoluter Selbstverständlichkeit und einer Akzeptanz gegenüber dem Unvertrauten, das auf den ersten Blick irritierend erscheinen mag.

Wenn sich Charaktere dann später als psychopathisch herausstellen, um den Horror-Elementen Rechnung zu tragen, so wird dies nicht etwa auf die gesamte Subkultur gemünzt, sondern bleibt eine Eigenart der Individuen. Zugleich gelingt es, eine gewisse Faszination für das Thema zu entfachen, ohne dass dabei ein Werbeeffekt entstünde. Schließlich sind die gezeigten Fälle zu radikal und personalisiert, als dass sie mehr sein könnten als eine künstlerische Inspiration.

Dass die Soskas erklärte Horror-Fans sind und sich dabei vor allem vom Abstrusen angezogen fühlen, kommt ihrem Film jedenfalls zugute, denn hinter der soliden Machart und der herausragenden Hauptdarstellerin verbirgt sich auch das Herzblut von Künstlern, die vermutlich nicht dazu in der Lage wären, ein völlig fachfremdes Thema umzusetzen, deren Verflechtung mit dem eigens ausgewählten Sujet jedoch für ein hohes Maß an Authentizität sorgt. Dabei ist „American Mary“ nicht einmal unbedingt ein lupenreiner Horrorfilm, sondern vielmehr ein Thriller mit ungewöhnlichem Ambiente, und das Groteske entpuppt sich wie einstmals bei „Freaks“ als ein Fortwuchs des Menschlichen.

*weitere Informationen: siehe Profil

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