In manchen Ländern wie Äthiopien oder Papua-Neuguinea sind Modifikationen des Körpers junger Menschen Teile ihrer Kultur, die in der Phase des Erwachsenwerdens eingesetzt werden, - in Deutschland wäre dies beispielsweise das Piercing zum achtzehnten Geburtstag.
Dass es viele mit dem individuellen Körperkult übertreiben ist seit Brandings, Zungenspaltung, Ziernarben hinlänglich bekannt, doch die Soska-Zwillinge verleihen ihrem zweiten Streifen diesbezüglich eine ganz neue Note.
Die angehende Chirurgin Mary (Katharine Isabelle) leidet unter finanziellen Problemen und will deshalb in einem Strip-Club vorsprechen, als der Besitzer Billy gerade ihren Lebenslauf überfliegt und kurz darauf Marys Hilfe bei einem Schwerverletzten benötigt.
Danach avanciert Mary zur Untergrund-Ikone und ist als Chirurgin für Body Modification der gefragte Star. Doch dann wird sie während einer Party von einem Chirurgen betäubt und vergewaltigt…
Die Grundidee ist durchaus spannend, denn einerseits ist eine angehende, kurz vor der Promovierung stehende Chirurgin durchaus imstande, lebensrettende Maßnahmen zu bewerkstelligen und könnte für lau mal eben ein wenig die Schlupflider korrigieren, doch anderweitig ist für das entsprechende Honorar auch viel von dem möglich, bei dem die Klienten ernsthaft auf ihren Geisteszustand untersucht werden sollten.
Und von solchen schrägen Figuren gibt es in „American Mary“ einige.
Die Hauptfigur gibt sich hingegen als toughe und selbstbewusste Frau mit ein wenig Sexappeal, die mit einigem Ehrgeiz ihr Fachwissen erweitert, nach vollendeter Arbeit jedoch einige Male mit nervlichen Belastungen zu kämpfen hat , - zumindest in der Anfangsphase ihrer Untergrundtätigkeit. Für eine Weile ist die Entwicklung der angehenden Ärztin durchaus nachvollziehbar, doch der eiskalte Racheengel nach der Zeit der Vergewaltigung erscheint etwas zu kompromisslos und zu dick aufgetragen.
Obgleich etwaige Operationen meistens nur angedeutet werden, kann die Phantasie, je nach individueller Denkweise, reichlich kranke Bilder hervorrufen, was in Anbetracht diverser Verstümmelungen auch nicht wundert. So wird jemand zur Barbie umoperiert, ein anderer lässt sich sein Glied „erweitern“, während die Regisseurinnen selbst in der Erzählung auftauchen und mit einem recht bizarren Wunsch daherkommen.
Außerhalb dessen erhalten Splatterfreunde ein entferntes Auge, abgetrennte Arme und einen Schnitt im Augenlid. Die Effekte sind durch die Bank handgemacht und für das sichtlich geringe Budget solide ausgefallen.
Jenes sorgt jedoch an anderer Stelle für einige Mankos, denn die Locations fügen sich zwar recht gut in den Gothic Underground, doch die unterbelichteten Räumlichkeiten sorgen auf Dauer nicht gerade für Abwechslung und auch die Songauswahl, mal abgesehen von zwei, drei klassischen Tracks ist nicht immer optimal. Hinzu kommt eine unausgegorene Soundabmischung, mit recht oberflächlicher Nachbearbeitung, da die Qualität der Dialoge im Originalton enorm schwankt. Auch im darstellerischen Bereich geben sich primär einige Nebendarsteller ein wenig unsicher, was Hauptdarstellerin Katharine Isabelle mit ihrer ungewöhnlichen Präsenz jedoch problemlos kaschieren kann.
Doch auch sie verhindert nicht die eine oder andere Länge trotz der latent beklemmenden Atmosphäre, zumal einige Passagen eher zäh erscheinen und insgesamt ein wenig Drive fehlt.
Der etwas lahme und viel zu überhastet abgehandelte Showdown bestätigt indes, dass das Drehbuch zwar ein paar gute Ideen aufweist, jedoch nicht ganz ausgereift ist, um als homogenes Werk zu überzeugen. Die grundlegende Prämisse fördert zwar ein paar recht groteske Momente zutage und die Hauptfigur punktet mit einigen starken Szenen, doch dieser Körperhorror wirkt insgesamt ein wenig zu bruchstückhaft, um länger in Erinnerung zu bleiben.
6 von 10