Review

Altmännerfantasien, festgehalten auf experimentellem Videomaterial: In der Wohnung von Jess Franco räkeln sich sechs junge nackte Frauen, filmen sich gegenseitig, und spielen aneinander rum. Dazu ertönen von der Tonspur Maurice Ravel und Paul Hindemith, Johan Sebastian Bach und Bela Bartok, die gelegentlich von Stan Kenton sowie einer eigenartigen kleinen Geschichte über eine Prinzessin unterbrochen werden, die ihren Prinzen ersticht und darum dem Teufel gehört. Zwischengeschnitten werden Bilder eines Friedhofs, eines steinernen Engels sowie ein meeresumbrandeter Felsen, der verteufelt aussieht wie ein weibliches Dreieck. Ende der Inhaltsangabe. Ach ja, ich vergaß, dass gelegentlich eine Art Monstergebrüll zu hören ist. Oder sowas ähnliches zumindest …

Nein, leicht macht es Señor Franco einem nicht mit seinem Alterswerk. Wo PAULA-PAULA noch gekonnt mit visuellen Spielereien arbeitet, ist CONDENADAS in erster Linie ein bloßes, zeitlupengesteuertes Abfilmen weiblicher Schönheit. Natürlicher Schönheit wohlgemerkt – Keine der Frauen ist künstlich aufgehübscht, keine ist nuttig geschminkt, und dass Carmen Montes deutlich sichtbar einen Tampon spazierenträgt, untermauert diese Feststellung nur umso mehr. Dazu kommen ein paar eingestreute visuelle Effekte die ein Gewitter darstellen sollen, sowie Tricks mit Spiegeln und Fernsehgeräten, in denen quasi die andere Seite des Zimmers (und einmal auch Jess Franco selber ) gezeigt wird. Auf diese Art entsteht sehr schnell eine leicht erotische Atmosphäre, die aber durch die Tonspur immer wieder konterkariert wird – Spätestens wenn Klassik, Jazz und verlangsamt abgespielte Erzählung sich miteinander vermengen, entsteht je nach Zuschauer schnell ein Gefühl der Verstörung oder auch des Überdrusses. Doch dann lächelt Fata Morgana wieder in die Kamera, ihre Augen sagen Nimm mich, und es entsteht schnell wieder diese besondere Stimmung, die das Alterswerk Francos so oft auszeichnet. Doch auch dann muss angemerkt werden, dass sinfonische Dichtung und sich streichelnde Mädchen nur bedingt zusammen passen, und Bild und Ton in diesem Film kaum ein einziges Mal eine Einheit ergeben, oft die Musik sogar die Stimmung der Bilder zerreißt.

Das Problem bei CONDENADAS ist einfach, dass der Film außer ein paar sich räkelnden Schönheiten nichts bietet. Keine Geschichte, keine Spannung, kaum einmal Erotik, und nach 72 Minuten gibt es dann den zweiten Teil, der im Prinzip genauso weitergeht, nur dass das ganze irgendwann noch langweiliger ist. Dafür passt die Musik aber und an ein klein wenig besser zu den Bildern …
Ich persönlich vergebe hier mit wohlwollendem Franco-Bonus 4 von 10 Zeitlupen (für den ersten Teil, der zweite bekommt 3 von 10 Spiegeln für die gesteigerte Ideenlosigkeit), aber ich möchte darauf hinweisen, dass auch außerordentlich niedrigere Bewertungen kritiklos möglich wären. CONDENADAS ist eine Nullnummer vor dem Gott der Videotechnik, ein Nichts an Verpackung oder Inhalt. Eine Gruppe nackter Frauen die lasziv in die Kamera schauen, ohne dabei irgendetwas Sinnvolles zu tun. Stephen Thrower schreibt zu CONDENADAS sinngemäß, dass es einen Preis hat, die Filme von Jess Franco komplett zu sammeln, und CONDENADAS (bzw. LA CRIPTA DE LAS MALDITAS*) ist dieser Preis. In der Wohnung sitzen und sich einen alten Mann anschauen, wie er über den Möglichkeiten der modernen Videotechnik gar nicht mehr weiß was er damit anstellen könnte, während da draußen Millionen schönerer, sinnvollerer oder einfach nur befriedigenderer Dinge auf einen warten, bedeutet unweigerlich, 148 Minuten seines eigenen Lebens wegzuschmeißen …

* LA CRIPTA DE LAS MALDITAS ist der gleiche Film wie LA CRIPTA DE LAS CONDENADAS. „Spannend“, nicht? MALDITAS wurde 2008 von Franco gedreht, und der Produzent von PAULA-PAULA kam dann 2012 auf die Idee, Franco zu fragen, ob er MALDITAS nicht mit einer anderen Musik hinterlegen möchte. Gesagt, getan – Ravel und Hindemith ersetzen in CONDENADAS den zeitgenössischen Score von Ludo, Antoine y Thomas, und fertig ist ein neuer Franco-Film, beziehungsweise durch die Teilung der Laufzeit sogar zwei „neue“ Filme. Puh …

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