Ostfront 1943: Ein geheimnisvoller deutscher Superpanzer macht der Roten Armee den Vormarsch auf Berlin schwer. Stark, wendig, treffsicher und schier unzerstörbar taucht er plötzlich auf, um nach dem Gefecht spurlos wieder zu verschwinden. Es ist, als ob die schwere Maschine sich in Luft auflösen würde. Nach einem verheerenden Angriff des Weißen Tigers, wie der Panzer genannt wird, finden Sanitäter ein kaum noch lebendiges Bündel aus verkohltem Fleisch. Doch Panzerfahrer Ivan Naydenov überlebt wie durch ein Wunder seine schweren Verbrennungen. Fortan kennt er nur noch ein Ziel: Er muss diesen Geisterpanzer finden und für immer zerstören ...
Der Titel des Filmes und die dazu gehörige Inhaltsangabe wecken schon im Vorfeld gewisse Erwartungen beim Zuschauer, der sich doch eigentlich auf ein actiongeladenes Szenario einstellt, in dem es richtig große Panzerschlachten zu sehen gibt. Aufgrund dieses Aspektes wird es dann wohl auch so sein, das sich bei vielen Leuten eher Ernüchterung einstellt, denn dieser auf einer Novelle von Ilya Boyashov basierende Film schlägt im Prinzip eine vollkommen andere Richtung des Kriegsfilmes ein, als man es zuerst vermutet. Sicherlich gewöhnungsbedürftig offenbart sich so eine Geschichte die streckenweise schon fast mystisch erscheint und insbesondere im Bezug auf die vorhandenen Dialoge philosophische Ansätze offenbart, die sich um die wahre Bedeutung des Krieges drehen. Etliche Passagen dieses Werkes sind mit einer starken Symbolhaftigkeit versehen und lassen extrem viel Spielraum für eigene Interpretationen des Geschehens, wodurch die Geschichte ganz bestimmt nicht jeden Geschmack treffen wird.
Statt etlichen Panzerschlachten bekommt man viel eher den Kampf zwischen einem Menschen und einer schier unbesiegbaren Maschine präsentiert, wobei schon die Einführung der Hauptfigur Naydenov etliche Fragen aufwirft. Der Panzerschütze wird nämlich in einem ausgebrannten Panzer gefunden und 90 % seines Körpers sind vollkommen verbrannt, was im Normalfall definitiv den Tod nach sich zieht. Nicht aber in vorliegendem Fall und um das Ganze noch weiter auf die Spitze zu treiben, verheilen die Wunden hier sogar noch in absoluter Rekordzeit. Manch einer mag sich nun fragen was dieser Quatsch soll, doch für die vorliegende Story ist dieser Punkt alles andere als unwesentlich, bezieht das Geschehen doch aus dieser Tatsache einen Großteil ihrer mystischen Züge. Der Gegenpart des Soldaten ist der sogenannte "White Tiger", ein deutscher Super-Panzer, um den sich die fantastischsten Legenden ranken. In der Folgezeit wird der Fokus dann auch ganz eindeutig auf die Jagd des Menschen nach der Maschine gelegt und nicht selten wird man als Betrachter an die Geschichte von "Moby Dick" erinnert, in der Captain Ahab der Obsession verfallen war, den gigantischen Wal zu töten.
Bis auf recht wenige Ausnahmen gestaltet sich "White Tiger" hauptsächlich voller Dialoge, die wirklichen Action-Passagen kann man sich dabei eher an einer Hand abzählen. Für viele mag dies ein eher negativer Kritikpunkt sein, doch meiner Meinung nach hat Karen Shakhnazarov gut daran getan, das Hauptaugenmerk auf die philosophischen Ansätze zu legen, die immer wieder in den Vordergrund treten. Von einem Panzergott ist die Rede und Hauptfigur Naydenov wird nach eigenen Aussagen von seinem eigenen Panzer gewarnt, wenn der Geister-Panzer "White Tiger" wieder erscheint. Diese übersinnliche Note in einem Kriegsfilm ist sicherlich nicht alltäglich, verleiht dem ganzen aber einen durchaus interessanten Anstrich und regt gleichzeitig auch zum nachdenken an. Dazu tragen auch die letzten Minuten des Filmes bei die für manch einen eher sehr verwirrend und eventuell auch überflüssig erscheinen, doch gerade das Gespräch am Ende zwischen Adolf Hitler und einem im Dunkeln sitzenden Mann lässt das gesamte Geschehen etwas klarer erscheinen und unterstreicht die mysteriöse Botschaft des Filmes. Der Krieg an sich und die symbolische Bedeutung des Ganzen werden einem dabei gut näher gebracht und man erkennt spätestens jetzt die Botschaft, die einem Karen Shakhnazarov mitteilen will.
Insgesamt gesehen handelt es sich bei "White Tiger" ganz sicher nicht um einen Kriegsfilm der handelsüblichen Art. Man kann es durchaus nachvollziehen, wenn viele Leute nicht viel mit der hier erzählten Geschichte anfangen können, die statt einem rasanten Kriegs-Geschehen doch viel eher mystische Andeutungen und philosophisch angehauchte Dialoge anbietet. Wie dem aber auch sei, eine Sichtung des Werkes ist auf jeden Fall lohnenswert, was allein schon in der Tatsache begründet ist das sich dieser Film so sehr von anderen Genre-Beiträgen abhebt. Meiner persönlichen Meinung nach tut er dies zudem in einer sehr wohlwollenden Art und Weise und lässt den Zuschauer das gesamte Szenario einmal aus einer vollkommen anderen Sichtweise betrachten.
Fazit:
Freunde actiongeladener Kriegsfilme werden wohl eher enttäuscht sein, denn bis auf wenige Ausnahmen hält sich der vorliegende Film in dieser Beziehung eher vornehm zurück. Wer jedoch seine Freude an einem äußerst gelungenem Genre-Mix hat und dabei auch einmal über das Gesehene nachdenken möchte, der wird an dieser Stelle bestens bedient und dürfte seine helle Freude an dieser russischen Produktion haben.
7/10