Eines mal vorweg: Ich habe von diesem Film erst vor ein paar Monaten zum ersten Mal gehört und habe deswegen nichts von der Kontroverse, die dieser Film ausgelöst hat, mitbekommen. Aus diesem Grund möchte ich das Wort "Skandalfilm" nicht verwenden sondern einfach meine persönlichen Eindrücke wiedergeben.
Irreversibel ist formell betrachtet in mancherlei Hinsicht ein ungewöhnlicher Film. Zuerst einmal wird die Story kapitelweise rückwärts erzählt, wodurch ein ganz anderer Effekt entsteht, als wenn er normal vorwärts passiert.
Da ich nichts doppelt schreiben will, verzichte ich auf eine Zusammenfassung der Handlung und gehe direkt auf die einzelnen Szenen und Geschehnisse ein. Der Film beginnt relativ ruhig und etwas traurig, sobald jedoch das Augenmerk auf die Geschehnisse im "Rectum", dem Schwulenclub (in dem sich der Mann aufhalten soll, der Alex vorher vergewaltigt hat, und den ihr Freund Marcus so energisch sucht) gerichtet wird, beginnt die Kamera tierisch an zu schaukeln. Dies hat zur Folge, daß der Zuschauer 1. die Umgebung nicht allzu deutlich sehen kann und 2. wird hier zusammen mit der hypnotischen, stupiden Musik eine Hektik und Spannung erzeugt, die auch in den darauffolgenden Szenen anhält. Irgendwann kommt es zu einer Schlägerei zwischen Marcus und einem scheinbar Fremden, bei der der Mann die Oberhand zu gewinnen scheint. Allerdings nur solange, bis Marcus´ Freund Pierre zu einem Feuerlöscher greift und diesen feste auf das Gesicht des Typen draufschlägt, bis dieser tot und recht entstellt ist. Wobei wir schon bei der ersten der beiden extremen Szenen des Film wären: Diese Szene ist schon nicht ohne und könnte durchaus in einem Splatterfilm Platz finden. Was die Sache noch härter macht, ist, dass die Kamera hier stillsteht und das Geschehen deutlich zeigt und auch die Zwischenrufe, die fast anfeuernd wirken. Auch ist nicht unbedingt zu erkennen, wer der Fremde ist (man muß wohl davon ausgehen, daß es der gesuchte Untäter ist.) Die folgenden Szenen zeigen wie der mittlerweile fast gemeingefährliche Marcus versucht, auf eine Spur des Täters zu kommen und dabei eine Hure angreift und einem Taxifahrer in blinder Wut sein Taxi klaut. Sein Freund Pierre versucht ständig verzweifelt, ihn zu beruhigen, was in vielen Situationen zu sehr heftigen und wirren Wortgefechten führt. Auch in dieser Szene wackelt die Kamera tierisch, auch ist hier einer der technischen Tricks zu sehen, auf die ich noch kommen werden.
Danach sieht man, worauf sich die bisherigen Ereignisse überhaupt beziehen: Alex war zusammen mit Marcus und Pierre auf einer Party. Sie ist jedoch irgendwann von Marcus, der sich auf der Party etwas daneben benimmt, genervt und beschließt, nach Hause zu gehen. Und auf diesem Weg trifft sie in einer einsamen Unterführung auf einen aggressiven Mann, der sie vergewaltigt und danach auch noch übelst verprügelt. Die Vergewaltigungsszene ist die zweite extreme des Films. Sie ist ungefähr 5-7 Minuten lang, recht lang also, und ohne Schnitte und mit normaler Kameraeinstellung gedreht, realistisch wird dieses Gewaltverbrechen gezeigt. Marcus sieht, nachdem er die Party verlassen hat, seine Freundin und bekommt einen Weinkrampf. Danach sieht man die Ereignisse auf der Party und der Weg dorthin. Sorry, letztere ist die langweiligste Szene des Filmes, es handelt sich um ein belangloses Gespräch, wo Pierre (Alex´ Ex-Freund) versucht, Alex über ihren Sex mit Marcus auszufragen. Danach sieht man, wie Alex und Marcus in friedlicher Harmonie nackt im Bett liegen. Diese Szene kann gut als sinnliche Erotikszene französischer Prägung durchgehen und dokumentiert das Glück das (noch) herrscht. Auch sieht man, wie die junge Frau freudig erkennt, dass sie schwanger ist. Leider ist auch diese Szene, wie der gesamte letzte Teil relativ langweilig, was einer meiner Kritikpunkte ist. Wie auch immer, dann kommt der Abschluß (eigentlich ja der Beginn): Alex auf einem grünen Rasen, die Umgebung mit kreisender Kamera gefilmt und melancholischer Musik unterlegt, welche irgendwann von extremem Flimmern verdrängt wird (eine gut arrangierte und passende Szene).
Ohne Zweifel: Irreversibel ist ein ungewöhnlicher Film. Die beiden erwähnten harten Szenen hinterlassen bereits bei vielen Menschen ihre Wirkung (ich konnte mir den Film ohne Unterbrechung ansehen) und die erzeugten Emotionen (Wut, Verzweiflung, Harmonie) tun ihr übrigstes um den Zuschauer in das Geschehene reinzuziehen.
Zu den Schauspielern: Sie hinterlassen allesamt einen guten Eindruck. Monica Bellucci spielt ihre Rolle ausgezeichnet, es ist sicherlich keine leichte oder einfache Rolle. Ich hab mal gelesen, daß die beiden Hauptdarsteller auch privat zusammen sind und das die Szenen dadurch sehr natürlich und kaum einstudiert wirken. Das stimmt schon, wobei die Szene in der U-Bahn mich trotzdem langweilt.
Der Film hat, wie bereits erwähnt, einige technische und illusionäre Tricks. Die Kamera geht (z.b. bei der Taxiszene s.o.) stufenlos von draußen nach drinnen und auch in der Szene mit dem Feuerlöscher wurde mit verschiedenen Techniken (ich glaube auch mit dem Computer) getrickst. Wer das genauer wissen will, auf der deutschen DVD gibt es einen kleinen Extra-Part, wo einer der Verantwortlichen die Effekte des Films etwas erklärt.
Fazit: Irreversibel ist ein Film der betroffen machen soll und dies auch tut, bei dem einen mehr, bei dem anderen weniger (bei mir ging es eigentlich). Technisch und inszenatorisch ist er jedenfalls gut gelungen, die Handlung selbst ist manchmal Geschmackssache. Auf jeden Fall hat der französische Regisseur Gaspar Noé hier einen sehr aussagekräftigen Film geschaffen, den man durchaus als künstlerisch bezeichnen kann.
Ich denke, man kann noch einiges über den Film schreiben, trotzdem will ich es hierbei belassen. Irreversibel sollte man aber mal gesehen haben, auch wenn er für einige zu hart sein wird.