Review

Aus meiner Sicht gibt es so gut wie keinen brutaleren Film als den hier vorliegenden, und zwar nicht auf die optische Gewalt bezogen. Als Hartboxensammler bin ich eher zufällig drauf gestoßen, und es war der allererste Gaspar Noé Streifen, den ich gesehen habe. Und ich finde diesen Film faszinierend, und dafür gibt es mehrere Gründe. Die Erzählweise ist gänzlich ungewöhnlich, so dass man erst gar nicht kapiert, was man da gerade sieht. Der Film wird rückwärts erzählt. Ja er beginnt doch sogar mit dem Abspann. Und die Story wird häppchenweise präsentiert.

Man sieht einen Mann, der Rache übt aus einem Grund, den man erst später erfährt. Und gerade das macht diesen Film so ungewöhnlich gut: Es gibt keinen anderen Film, der in ähnlicher Weise dargestellt wird, und das macht dieses Exemplar hier einzigartig. Daneben sind Skandal- wie auch Schockmomente reichhaltig im Film präsent: Die enorme Brutalität, die in dem Schwulen-Club an den Tag gelegt wird, ist schon recht erstaunlich. Fast so, als würde man das Gefühl der Gewalt an sich darstellen wollen. Daneben ist anfangs ein Schwulen-Club die Örtlichkeit, die nicht unbedingt zu den normalsten Szenerien des Filmbusiness zählen. Durch die Dunkelheit und die doch recht drastische Darstellung dort kommt zusätzlich ein gewisses Unbehagen hinzu. Auch die Perspektive der Kamera trägt mit dazu bei, dass man sich wie direkt vor Ort ja wie in einem verdammten Ego-Shooter fühlt. Die Beleuchtung lässt dabei teilweise Dinge aufblitzen, die man vor allem als heterosexueller Mann überhaupt nicht sehen möchte. Man spürt deshalb das Unbehagen, dass auch Marcus dort gefühlt haben muss. Ich bin hetero, fass mich nicht an, FASS MICH NICHT AN.

Die Szene des Films ist aber mit Sicherheit die im Tunnel, und die hat es wahrhaftig in sich. Es gibt einige Filme mit Rape-Szenen, aber diese hier ist vielleicht die brutalste und grausamste, da sie nicht nur die Vergewaltigung an sich sondern auch das Misshandeln des Opfers hinterher zeigt. Es gibt zwar Filme wie "Muttertag" oder "Last House on the Left", die unter anderem wegen einer solchen Szene verboten wurden, aber diese Szene ist wesentlich brutaler. Zum einen Aufgrund der Kameraperspektive, da man mehr oder minder auf Augenhöhe ist, und zum anderen, weil sie von der Länge her wesentlich ausgeschmückter ist, als in den erwähnten Filmen. "I Spit" möchte ich hier ausnehmen, da es dort nicht auf die Einzelszene sondern auf die Masse der Szenen ankommt, weshalb das nicht ganz vergleichbar hinsichtlich der Einzelszene ist.

Das, was diesen Film aber aus macht, ist, dass er einen emotional mitnimmt, und damit ist nicht mitnehmen im Sinne von einstecken gemeint. Kaum ein anderer Film holt den emotionalen Vorschlaghammer dermaßen heftig hervor und knallt einem diesen vor den Latz. Da, friss oder stirb. Und gerade bei Erstsichtung stellt sich ein Gefühl der Trauer und Wut ein, was nach jedem weiteren Ansehen nicht mehr so stark ist. Deshalb sollte man diesen Film auf jeden Fall am Stück sehen, ohne Unterbrechung, denn sonst geht die Wirkung anteilig verloren.
Man denkt immer, es passiert nur den anderen...

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