Ich gestehe, die Begeisterung für diesen Film weder teilen noch verstehen zu können. Zu eindimensional sind die Handlung und die implizite Aussage.
Rein inszenatorisch ist die Erzählung im Rückblick zwar geglückt und auch die jeweils eine Einstellung langen "Kapitel" der Geschichte, was sowohl der technischen (Kamera, Sound etc.) als auch der schauspielerischen Seite Höchstes abverlangte, gibt dem Film einen echt dokumentarischen Look, doch der Wille zur provokativen Überdeutlichkeit schneidet gerade der Wirkung einige Zipfel ab. Zumal die Handkamera in den ersten Einstellungen des Films die zunehmende Raserei der bzw. eigentlich des Hauptdarstellers Vincent Cassel, unterstreichen will und ein Wackelinferno vom Zaun bricht, dass man freiwillig zum Epileptiker wird. Dadurch ist man so mit seinem Mageninhalt beschäftigt, dass der Eindruck, den die Sequenzen machen sollten für mich zumindest schnell verloren ging.
Darüber hinaus stellt sich ein merkwürdiges Phänomen insofern ein, als die Darstellungen von Cassel und Bellucci zwar sehr natürlich und daher realistisch wirken, doch die ziellose Partysüchtigkeit der beiden wirkt mindestens so befremdend, wie der Ausbruch danach (oder davor), soll heißen, sie wurden nicht nachvollziehbarer als Figuren und dadurch verlor auch DIE Szene, derentwegen der Film seinen Ruf hat, auch rückwirkend an Wucht.
Die Vergewaltigung hat es allerdings schon in sich, zumal die Kamera hier betont ruhig sich auf eine Position nahe dem Boden vor den Agierenden manövriert und dort weitgehend verweilt. Das gibt dem Bild eine beunruhigende Ruhe, die in gekonntem Gegensatz zur Abscheulichkeit des Gezeigten steht und darüber hinaus den für mich eigentlichen Horrormoment beinhaltete: es kommt nämlich, als der Mann über Bellucci herfällt, hinter ihr, ungesehen von beiden, ein, der Kleidung und Gangweise nach zu schließen, junger Mann in die Unterführung, sieht was vor sich geht, verweilt sogar vergleichsweise lang...UND GEHT ZURÜCK! Ohne auch nur im Geringsten etwas zu unternehmen. Was Noé hier über die menschliche Natur aussagt, hat eine grauenvolle Wahrheit und ist viel schlimmer als alles Kunstblut.
Leider ist dieser Erkenntnismoment nur von kurzer Dauer, danach sehen wir die beiden auf der Party und davor und sie werden erst richtig unsympathisch. Vielleicht war das aber auch gewollt, denn Noé beabsichtigte durchaus keinen rape'n'revenge Film zu drehen, das wird ja schon dadurch verhindert, dass man die Rache zuerst sieht, ohne noch ersichtlichen Anlass nicht wirklich begreift (die Tötung des Täters ist übrigens recht blutig und gekonnt inszeniert - Feuerlöscher-mayhem der Extraklasse) und nachdem man die auslösende Tat gesehen hat, gibt Noé einem nicht mehr die Möglichkeit zur Abreaktion.
Aber dazwischen? Es tut sich nicht wirklich etwas und es gibt auch keine Differenzierungen. Soll die Aussage: Männer sind in jedem Fall wilde Tiere, die Frauen immer als Ding betrachten, ob sie sie nun vergewaltigen oder als zerstörter "Besitz" rächen, alles gewesen sein? Dazu brauch ich nur die Zeitung aufzuschlagen. Zum Thema Vergewaltigung und ihre verheerenden Auswirkungen kommen auch keine neuen Aspekte hinzu, denn Bellucci verschwindet mit dem Krankenwagen zwar nicht aus dem Film, aber aus der Chronologie der Geschichte. Da war sogar "Angeklagt" noch hintergründiger. Eingestreute Subplots wie eine beginnende Schwangerschaft und außerdem die Tatsache, dass die Vergewaltigung anal ist, wie der Täter nicht müde wird zu betonen, machen das Ganze dann endgültig zur einer adult-Seifenoper französischen Zuschnitts.
Jetzt kann man natürlich einwenden: muss ein Film denn immer eine rechteckig geschnittene "Aussage" haben? Nein, natürlich nicht, doch im konkreten Fall arbeitet nur alles darauf hin und außer einer zweifelhaften Befriedigung für Matrix 2 und 3 -Hasser (Scherz!) kann ich keine sonstige Begründung für die Filmlegung dieser Thematik herauslesen. Wenn schon primitives französisches Brutalkino, dann den ungleich mitreißenderen Baise-Moi, denn obwohl dort die Chronologie den Amoklauf auf die Vergewaltigung folgen lässt und somit als Abreaktion "rechtfertigen" mag, hat die Aggression der zwei Frauen tiefere Gründe und lässt sich nicht allein aus dem einen geschehenen Akt heraus erklären, sondern aus kleinen, unspektakulären Szenen dazwischen
Vielleicht ist die Bewertung 4/10 ein wenig hart angelegt, doch gerade an den verschenkten Chancen gemessen, wird die Enttäuschung eben größer.