Review

Nichts für schwache Gemüter? Gaspar Noes Pseudo-Skandalstreifen „Irreversibel“ flimmerte neulich mal im Rahmen eines „Kino Kontrovers“ – Themenabends über meinen Bildschirm.

In dem schmutzigen, zeitlich Szene für Szene rückwärts ablaufenden Vergewaltigungs- und Racheakt geben sich allerlei Mitglieder von Frankreichs oberster Schauspielerriege ein Stelldichein. Vincent Cassell, der mittlerweile seine einprägsame Visage auch vor Hollywoods Kameras hält („Oceans Twelve“) spielt den hitzköpfig - verzweifelten Freund von Monica „Matrix Reloaded“ Belucci, die in einer ellenlangen, schnittfreien Sequenz aufs Brutalste vergewaltigt wird. Im groben beschränkt sich der Film auf den Verlauf eines Abends beziehungsweise einer Nacht; dabei beginnt der Film nicht nur mit übellauniger Dröhnmusik und Schwindel erregenden Kamerafahrten, sondern auch mit einem vollkommen sinnfreien Dialog zweier Kerle, von denen einer als der in Frankreich sehr oft in Filmen auftretende Phillipe Nahon identifiziert werden kann. Es folgt ein hektischer, vor Vulgäritäten nur so strotzender Ausflug in einen düsteren Schwulentreff, in dem es – sofern es die fliegende Kamera zulässt – wirklich richtig eklig zur Sache geht. Irgend ein Kerl bekommt, nachdem er Cassell schön explizit den Arm gebrochen hat, das Gesicht zwecks Feuerlöscher zertrümmert, und es folgen nunmehr von der Betrachtung her immer ruhiger werdende Szenen, die das Vorfeld der Tragödie beleuchten. Man erfährt nicht nur durch Dialoge den der wilden Racheaktion zugrunde liegenden Sachverhalt: die Sequenz, in der die Freundin von einer Party verschwindet, um daraufhin in einer Straßenunterführung von einem Schwulen vergewaltigt zu werden, wird schnittfrei und fast nur aus einem Winkel heraus gefilmt, gezeigt. Zwar bleiben dem Zuschauer eventuelle Hardcore-Einblicke erspart, doch die Vergewaltigung kann – in ihrer realistischen, unverblümten Länge – schon so manchen Zartbesaiteten ins Koma schicken. Danach folgt nur noch eine langwierige Beleuchtung des Vorfelds; es wird näher auf die Charaktere eingegangen und der ein oder andere nicht unbedeutende Aspekt kommt noch zum Tragen.

Die große Kunst? Kann ich so nicht unterstreichen. Die Art des Filmens ist durchaus eigenwillig, was Schnitte, Kameraperspektiven, Musikwahl und zeitlichen Aufbau betrifft, dafür streicht der Film auch Bonus ein – genauso wie für die Tatsache, dass die mitunter sehr unangenehmen, schnörkellosen Bilder spürbar unangenehm aufstoßen können, was ja beabsichtigt war. Allerdings kann ich dem Rest nicht wirklich etwas abgewinnen. Die Dialoge, sowohl in den Stresssituationen als auch davor sind reichlich blöd und man könnte sich durchaus fragen, ob alle Franzosen den ganzen Tag lang solchen Mist von sich geben. Viel Aussagekraft kommt zudem im Film echt nicht zum Tragen: jemand wird vergewaltigt, der Freund zieht los und es kommt zum Rachemord. Das alles wird dann in ein angeblich so kunstvolles Gewand verpackt und dem Zuschauer buchstäblich vor die Füße gekotzt. Mal davon abgesehen, dass der Streifen nach der ersten Hälfte ziemlich langweilig wird, fehlt es mir durch und durch an dem für solche Szenefilme typischen Anspruch. Zwar wird keine Moralkeule geschwungen, aber auf der anderen Seite fragt man sich hinterher, warum man so einen Film gedreht hat.

Sicher ein düsteres Kapitel in Frankreichs Kinohistorie, für mich aber kein Highlight in Sachen unangenehmer Film. Soll sich jeder seine eigene Meinung drüber bilden.

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