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Im Zeitalter des 3D Hypes, der apokalyptischen Science-Fiction und Zombie Filme und der Schwemme von Comicverfilmungen aller Art ist es die Frage, ob ein geradezu old-school Gangsterdrama noch genügend Aufmerksamkeit erlangen kann. Die Geschichte ist immerhin authentisch und THE ICEMAN basiert auf dem gleichnamigen Buch von Philip Carlo. Der Film versucht ein wenig an die großen Vorbilder von Coppola und Co. anzuknüpfen und schafft dies nicht ganz, setzt aber mit Michael Shannon einen bekannten Mimen in die Hauptrolle, der sich endlich mal wieder entfalten und zeigen kann was in ihm steckt. Für die Rolle des eiskalten, ultracoolen und über Leichen gehenden polnischen Killers mit den Riesenpranken Richard Kuklinski ist er geradezu prädestiniert.

THE ICEMAN wählt das klassische Gangsterfilm Motiv vom Aufstieg und Fall eines Mannes der vom undeutenden Familienvater, über einen Aushilfsgangster selber zur kleinen Ikone der Unterwelt aufsteigt. Dieser Name wurde ihm zuteil, weil er die Opfer lange in Kühltruhen aufbewahrte. Damit konnte der Zeitpunkt des Todes nicht mehr genau ermittelt werden. "Iceman" wird aber auch dramaturgisch doppeldeutig eingesetzt, da Kuklinski von Anfang an äußerst emotionslos agiert. Eine ins Gesicht gehaltene Pistole schockt ihn ebenso wenig wie ein als Mutprobe innerhalb von Sekunden durchgeführter Mord an einem sympathischen Obdachlosen. Seine Kaltblütigkeit und Unnahbarkeit wird in seinen wenigen Gewaltausbrüchen geradezu diabolisch ausgelebt und diese stellen sozusagen einen Gegenpol und ein Ventil für seine fast autistische Ruhe im normalen Leben dar.

Dabei schafft er es bis zum Schluss ein fatales Doppelleben seiner Frau und den Kindern vorzuspielen und man fragt sich als Außenstehender, wie es möglich sein kann, dass Paare über viele Jahre so nebeneinander her leben können und wie wenig sie ihren Partner, seine Motivationen, Freunde und Ambitionen tatsächlich kennen. Seine Frau Deborah, gespielt von Wionna Ryder, stellt aber wenig wirklich nachbohrende Fragen über die Jahre, da der Lebensstandard stets zunimmt und mit dem schönen Schmuck unter dem Weihnachtsbaum doch eigentlich alles in Ordnung ist und man hinter die Fassade des eigenen Mannes nicht wirklich hinterfragen muss. Wie ich finde, eine sehr treffende Zeichnung teilweise alltäglicher Zustände auch außerhalb von Ehen von Mafiakillern.

Hauptdarsteller Michael Shannon, der zuletzt als General – Schreihals - Zod in MAN OF STEEL genau das Gegenteil von cool war, hatte bislang fast immer ein extrem gutes Händchen für Filme mit dem gewissen Extra und hat sich nicht in beliebigen Machwerken verheizt bzw. verheizen lassen. Die Liste ist lang und dazu gehören unter anderem BAD LIEUTENANT, MY SON, MY SON und TAKE SHELTER. In THE ICEMAN gelingt es ihm sehr gut die zwar interessant, aber etwas einseitig auf Coolness ausgelegte Rolle mit Leben zu füllen und mit seiner Hünenstatur doch etwas wie eine ausgefeilte Mimik, Gestik und auch Zerrissenheit und Bedrückung zum Zuschauer zu transportieren. Zugespitzt wird dies in dem Satz "Gott ist wohl zu beschäftigt" an eines seiner Opfer das kurz vor dem Erschießen anfängt zu beten.

Neben Wionna Ryder überzeugen auch die Nebenrollen auf voller Linie und man kann es schon eine kleine Starriege nennen wenn neben den Genannten auch Chris Evans (CAPTAIN AMERICA), Ray Liotta (herrlich derb bis ekelhaft) und James Franco (leider nur kurz) mit an Bord sind. Einige von ihnen scheinen wirklich Spaß daran zu haben, in für sie relativ unüblichen Rollen aufzutreten. Herausragend ist die authentisch wirkende Ausstattung von THE ICEMAN über die 60er und 70er Jahre und auch der Soundtrack über unter anderem "Electric Light Orchestra" mit "Living Thing" oder auch "Heart of Glass" von "Blondie" sind schöne Remeniszenzen an diese Zeiten. Gewalt grafischer Art steht nicht im Mittelpunkt des Films. Dennoch herrscht in THE ICEMAN Zerstörung in kurzen, aber dafür sehr deftigen Szenen mit Halsschnitten oder auch Schussverletzungen vor, die ihre Wirkung beim Zuschauer nicht verfehlen.  

THE ICEMAN ist erwartungsgemäß alles andere als perfekt und aufgrund seiner zeitweisen Sperrigkeit nicht für die wirklich breite Masse geeignet. Viele Dinge wie die kurzen Rückblenden in Kuklinskis Kindheit sind wahrlich nicht dazu geeignet Licht in sein Motivations- und Psychologiegefüge vorzustoßen. Und nicht immer ist die Dramaturgie wirklich dicht genug und stellenweise wirkt THE ICEMAN zu lang. Auch das Ende wirkt ein wenig hastig und man versucht scheinbar vorher verlorengegangene Zeit aufzuholen. Der heute 40-jährige israelische Regisseur Ariel Vromen hat sich mit einer Handvoll Filmen noch nicht in mein Gedächtnis gespielt. Mit THE ICEMAN hat er dies deutlich getan und man darf auf weitere Werke gespannt sein.

6,5/10 Punkten

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