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"Silver Linings" als "Romantische Komödie" zu bezeichnen, ist prinzipiell nicht falsch. Doch im Vergleich zu der Schwemme an oberflächlich konstruierten Unterhaltungsfilmen, die innerhalb dieses Genres veröffentlicht werden, erfüllt eine solche Einordnung fast schon die Vortäuschung falscher Tatsachen. Auch stellt sich die Frage, warum der deutsche Verleih den Filmtitel nicht wörtlich in "Silberstreifen" übersetzte? - Nicht nur für die Protagonisten des Films ist dieser Silberstreifen am Horizont von Bedeutung - für das Genre der "Romantischen Komödie" (RomCom) nicht minder.

Deshalb seien alle gewarnt, die nur die erneute Wiederholung der Mann-Frau-Suche mit den üblichen glatt gebügelten Charakteren erwarten, die sich zu Beginn möglichst kompliziert gibt, deren Ablauf aber zuvor schon in Stein gemeißelt wurde - selbstverständlich einschließlich der Lösung aller Probleme bis hin zum Weltfrieden. Pat (Bradley Cooper) und Tiffany (Jennifer Lawrence), die sich bei ihrer Schwester Veronica (Julia Stiles), die wiederum mit Pats Freund Ronny (John Ortiz) verheiratet ist, bei einem Abendessen erstmals begegnen, sind reale Menschen in einer real existierenden USA, weshalb David O.Russells Film nur selten komödiantisch wirkt, sieht man von den Absurditäten des Alltags einmal ab.

Pat wird von seiner Mutter Dolores (Jacky Weaver) nach acht Monaten aus der geschlossenen Abteilung der Psychiatrie abgeholt, wohin er nach einer Gewalttat gegenüber dem Liebhaber seiner Frau Nikki (Brea Bee) eingewiesen wurde. Einen Moment zu Beginn, wenn Pat heimlich die ihm verabreichten Pillen wieder ausspuckt, spielt der Film mit dem Klischee des intelligenten Psycho-Insassen, der die Kontrolle gegenüber den Ärzten behält, aber Pat hat nichts im Griff. Es ist faszinierend, wie es Bradley Cooper gelingt, ein hübscher, sympathischer Kerl zu bleiben, der gleichzeitig aber mit seiner semi-intelligenten, konservativ sturen Haltung furchtbar nerven kann. Sein Charakter bleibt keine Momentaufnahme, nicht auf Grund einer einmaligen Übersprungshandlung, sondern die Folge einer lang anhaltenden Sozialisation, die vorgaukelt, was Coolness, Erfolg und Männlichkeit bedeutet.

Ihm gegenüber steht mit Tiffany eine attraktive junge Frau, die nach dem frühen Tod ihres Mannes ihre Trauer in Promiskuitivität zu ersticken versuchte. Nachdem sie mit fast allen ihren Kollegen Sex gehabt hatte und es deshalb zu Streitigkeiten kam, hatte man sie rausgeschmissen. Äußerlich wirkt sie mit ihren schwarz lackierten Fingernägeln und ihrem schnoddrig, selbstbewussten Auftreten anti-bürgerlich, aber „Silver linings“ vermeidet einfache Klischees. Tiffany ist es, die an einem Tanzwettbewerb mitmachen möchte, und Pat dazu bringt mitzumachen, indem sie ihm anbietet, gegen die gesetzliche Anordnung einen Brief an seine Frau Nikki weiterzuleiten. Jennifer Lawrence Fähigkeit, starke, selbstbewusste Frauen zu spielen, verbindet sich hier mit einer tiefen, inneren Verletzlichkeit.

Auch Pat bietet sie sofort Sex an, was dieser entrüstet mit dem Hinweis zurückweist, verheiratet zu sein, obwohl ihm jeder Kontakt zu seiner Frau per einstweiliger Verfügung untersagt ist. Damit beginnt ein Dialog zwischen diesen beiden verzweifelt gegen ihren inneren Zustand ankämpfenden Charakteren, der so ehrlich, rau und ohne jede übertriebene Dramatik daher kommt, dass sich darin der neurotische Zustand einer ganzen Sozialisation widerspiegelt. Beide wurden mit Tabletten behandelt, beide haben ihr Ansehen dank ihrer extremen Handlungen verloren, aber ihre Umgebung ist nicht gesünder, sondern versucht nur, den äußeren Anschein zu wahren. Besonders Robert De Niro als Pats Vater ist beeindruckend als fanatischer Anhänger der Eagles, der abergläubisch jede Begleiterscheinung eines Football-Matches beurteilt. Doch auch er ist keine extreme Figur, ist genauso liebender Vater, wie er mit der Krankheit seines Sohnes nicht umgehen kann, obwohl er selbst Stadionverbot hat, weil er so oft Andere verprügelt hatte.

O'Russels Film bleibt jederzeit nah an seinen Protagonisten, nimmt sie ernst, zeigt sie liebenswert und sich gleichzeitig selbst im Weg stehend. "Silver Linings" kann großartig unterhalten, ist abwechslungsreich und spannend, in manchen Momenten wirklich komisch, dank der vielen überzeugend verkörperten Charaktere, aber er ist auch sperrig, nie in beruhigende Klischees verfallend, weder geschönt, noch übertrieben dramatisierend. So lange wie Tiffany und Pat benötigen, sich aufeinander einzulassen, so beschwerlich ist es, sich mit ihnen zu identifizieren, aber dann nimmt man Teil an ihrem Schicksal und spürt die Dramatik ihrer inneren emotionalen Kämpfe. "Silver Linings" unterscheidet sich vom "RomCom"-Einerlei nicht dadurch, dass es für die beiden Protagonisten kein Happy-End geben könnte, sondern dass man es ihnen ehrlich gönnt und intensiv daran teilnimmt. (9/10).

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