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Um seine entführte Tochter zu retten, hatte sich Liam Neeson als CIA-Agent Bryan Mills in "96 Hours" quer durch ein osteuropäisches Verbrechersyndikat gefoltert und gemordet. Jetzt fordern die Verwandten dieser Getöteten Blutrache. Als Mills mit besagter Tochter (Maggie Grace) und Ex-Frau (Famke Janssen) Urlaub in Istanbul macht, schlägt die Bande zu: Vater und Mutter werden entführt, nur das Töchterchen kann knapp entkommen - und wird zur schlagkräftigen Befreiungshilfe für ihre Eltern.

Rassistisch, gewaltverherrlichend, Selbstjustiz befürwortend - "96 Hours" war ein echter Tiefpunkt in Liam Neesons Karriere. Mit der ebenso temporeichen und brutalen Fortsetzung geht es zumindest ein Stück weit wieder bergauf, obwohl auch "96 Hours - Taken 2" noch weit davon entfernt ist, ein gelungener Genre-Beitrag zu sein.

Viel zu plump fallen erneut Handlung und moralische Situierung aus. Der Obergangster wirft Mills vor, er habe seine Söhne und Freunde umgebracht, als wären sie bedeutungslos. Und wie reagiert dieser auf die neuerliche Bedrohung? Er bringt seine Gegner reihenweise um, als wären sie bedeutungslos. Dutzendweise werden finster dreinblickende Schlägertypen aus Osteuropa (natürlich allesamt Moslems) beiseite geräumt, um sich den Weg zum finalen Gegner durchzukämpfen. Derart klischeehafte Einteilungen in Gut und Böse hat es seit den uralten James Bond-Tagen nicht mehr gegeben. Damit outen sich die Drehbuchautoren (unter anderen Produzent Luc Besson) als hemmungslos veraltete Action-Schreiber, an denen sämtliche Entwicklungen des Genres in den letzten zehn Jahren vorbeigegangen zu sein scheinen.

Die Action selbst fällt dabei auch noch reichlich schwach aus. Ein, zwei Autostunts, Explosionen und zum Finale Schießereien, nichts davon wirklich spektakulär oder originell. Die Zweikämpfe fallen recht brutal aus, sind aber so hektisch geschnitten, dass man kaum Details erkennen kann. Überhaupt versucht Regisseur Olivier Megaton hier, Tempo über die Schnittfrequenz zu erzeugen: Selbst in ruhigen Szenen wird permanent die Perspektive gewechselt, Luftbilder wechseln mit Nahaufnahmen, die Kamera kreiselt um die Figuren, die Musik behauptet Bedrohungen, die gar nicht existieren. Und dass man sich beim Soundtrack auch noch teilweise bei anderen Filmen bedient, ist die Krönung der Dreistigkeit.

Zu guter Letzt bleiben auch die Figuren so platt und eindimensional, dass man keinerlei Interesse an ihnen entwickeln kann. Neeson bleibt der unantastbare Superheld aus dem ersten Teil, dessen Kontrollwahn einfach nur unsympathisch ist. Und dass Maggie Grace diesmal mehr als ein unbedarftes Opfer sein darf, könnte beinahe evolutionär für die Reihe sein, wäre sie nicht so vollkommen abhängig von den Anweisungen ihres entführten Vaters, der sie per Handy anleitet. Schließlich ist sie am Ende doch nur eine Frau, die ohne die Umsicht des stählernen Mannes und Vaters völlig hilflos wäre - so wie Famke Janssen, die diesmal die undankbare Rolle des wimmernden Opfers übernehmen muss.

Das größte Plus von "96 Hours - Taken 2" ist seine kurze Laufzeit (obwohl wegen der platten Inszenierung selbst hier schon Langeweile aufkommt), die durchaus professionelle und kostspielige Ausstattung und die fiebrige Kulisse der überfüllten Stadt Istanbul. Angesichts all der Inszenierungsschwächen, vorhersehbaren und konventionellen Handlungsentwicklungen und wirklich peinlichen Klischeebilder (ganz zu schweigen von zahlreichen kleinen und großen Logiklöchern) vermag das aber kaum noch etwas zu retten. Und wie es um die Moral des Films steht, verdeutlicht die letzte Szene: Die Familie sitzt samt neuem Freund der Tochter glücklich vereint im Lokal und diese sagt zum Vater: "Ihn darfst du aber nicht erschießen, den mag ich wirklich." Und alle lachen fröhlich. Sollte es noch zynischer gehen, will ich es gar nicht wissen.

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