Bulldozer Bryan Mills (Liam Neeson), der alles aus dem Weg räumt, was seiner Familie schadet, ist zurück. 18 Monate nachdem Bryan seine entführte Tochter Kim (Maggie Grace) mit seinen außergewöhnlichen Fähigkeiten befreit hat (und nebenbei einen dreistelligen Leichenberg hinterlassen hat), nutzt er einen Personenschutzauftrag in Istanbul zu einem Kurzurlaub, da seine Exfrau Lenore (Famke Janssen) und Kim ihn dort überraschend besuchen. Doch aus Kebap essen und den Topkapi-Palast besichtigen wird nichts, da sich eine Hundertschaft an Bad Asses in das Land der orientalischen Träume schmuggeln und es erneut auf die Familie abgesehen haben. Diesmal soll jedoch nicht nur die Tochter entführt werden, sondern die ganze Familie zur Rechenschaft gezogen werden. Unter den Schergen sind Angehörige der Getöteten, die unter Führung von Murad Krasniqi (Rade Serbedzija) blutige Rache nehmen wollen, weil ihre Söhne/Neffen (aus dem ersten Teil) Opfer von Bryan´s Handkantenfeldzug geworden sind...
Nach einem kurzen Familiengeplänkel, bei dem Exfrau Lenore erzählt, dass sie ihren alten Lover abgeschossen hatte, geht es auch schon gleich nach Istanbul. Wie wir es vom Prequel gewohnt sind, hält sich auch der Nachfolger nicht lang mit Sperenzchen auf und somit kommt es auch zur Entführung von den Eltern, während die Tochter noch im hoteleigenen Pool vor sich hinplanscht.
"96 Hours 2" ist ein Nonstop-Action-Streifen geworden, keine Frage, aber an die Qualität des Erstlings kommt er nicht ansatzweise ran und begeht dabei noch mehrere Kapitalfehler, die den Filmgenuss weiter trüben.
Der Ortswechsel nach Istanbul tut dem Film (und der Filmlandschaft) sichtlich gut - die Straßen, Gassen und allgemein die Landschaftsaufnahmen sorgen für Abwechslung. Ist mal was anderes, wie Van Damme oder Seagal in Osteuropa zu sehen.
Dennoch werde ich mit der Story nicht ganz warm: Der Haken an der Sache ist die, dass Bryan selber entführt wird und auf Hilfe seiner Tochter angewiesen ist, was eben nicht mehr wie aus einem Guss wirkt. Natürlich darf Neeson seine 150 Jahre Erfahrungen aus dem CIA-Leben unterbringen, doch Regisseur Oliver Megaton (der mit "Colombiana" und "Transporter 3" zwei hirnfreie aber sehr unterhaltsame Actioner verfilmt hat) drückt in vielen Passagen dann doch zu viel auf´s Gaspedal, worunter Logik und Glaubwürdigkeit mächtig drunter leiden.
Das fängt bei der eigentlichen Entführung an, bei der Bryan einen Sack über den Kopf gesteckt bekommt und während der anschließenden Autofahrt die Sekunden mitzählt, dabei jede Abbiegung oder außergewöhnlichen Geräusche wie Bootsdampfer oder Marktschreier wahrnimmt. Ich ahne nichts Gutes, da ich weiß, dass dieser Hirnschiss später für irgendetwas verwendet wird. Und so soll es dann auch kommen: In perfekter James Bond-Manier darf die Tochter auf der Tankstellenkarte mit Schnürsenkel zwei Kreise einzeichnen und ihre Eltern mit Hilfe von drei (ja genau drei, das hat Genie Bryan auch so kalkuliert) Handgranaten bzw. deren Detonationsgeräuschen ausfindig machen. Derweil hat sich Daddy jedoch schon selbst befreit, da die Gangster ihn lediglich mit Kabelbinder (oder waren das auch Schnürsenkel?) eingekerkert haben, er jedoch nach kurzer Schrubbelei an einer scharfen Kante die Fesseln durchgewichst hat. Mit echten Handschellen (bekommt man in jedem Erotik-Shop) wäre es an dieser Stelle vorbei gewesen.
Danach läuft Neeson zur Hochform auf, hat jedoch trotzdem ein Klotz am Bein im Form von seiner Tochter. Kim, die zuhause durch die Führerscheinprüfung gerasselt ist, weil die Keule das Einparken nicht geschnallt bekam, macht Jason Statham als Tranporter Konkurrenz, denn sie fährt durch die engen Gassen Istanbuls, als hätte sie auch schon 150 Jahre Erfahrung als Fluchtwagenfahrer bei Banküberfällen gesammelt. Zwischendurch gibt es immer wieder durchaus gelungene Kampfszenen und Shoot Outs.
Immerhin bekommen wir noch eine starke Szene am Schluss zu sehen, bei dem man das Handeln von Oberbösewicht Rade Serbedzija (für einen Film, nicht für das reale Leben) nachvollziehen kann, diese Szene jedoch mit der typischen, schon dreitausend Mal gesehenen xxx-Wendung (schaut es euch einfach an, dann wisst ihr, was ich meine) versaut wurde - und der böse Charakter gleich hinterher.
"96 Hours 2" ist Nonstop-Action wie sie die meisten mögen - Explosionen, ein paar Marterial Arts-Einlagen und Schusswundenopfer am laufenden Band. Doch auch der letzte Actionfan muss zugeben, dass man nicht auf die komplette Logik pfeifen kann, in der falschen Meinung, den Nachfolger noch imposanter und bildgewaltiger darstehen zu lassen. "96 Hours 2" kann man sehen, muss man aber nicht. Für viele Fans des Erstlings wird der zweite Teil eine leichte bis schwere (je nach Erwartungshaltungen an Filme) sein, insgesamt komme ich auf sechs Punkte, da ich mir durchaus vorstellen kann, mir diesen Film mal irgendwann wieder im Free-TV anzuschauen.
6/10