Sieh mal einer an, Herr de Palma sie können es durchaus, sofern man sie lässt. Nach dem unterirdischen „Mission to Mars“ kehrt der Regisseur von „Mission: Impossible“ wieder zu alter Form zurück und inszeniert, quasi im filmischen Exil Frankreich, mit „Femme Fatale“ einen schon fast altmodischen Thriller, der seine Wirkung nicht verfehlt, was vor allem an der fleischgewordenen Venus-Falle Rebecca Romijn-Stamos liegt.
Wie seine Fans es noch aus „Snake eyes“ gewohnt sind, wird auch hier in der Eröffnungssequenz nicht gekleckert, sondern geklotzt, denn seit Ethan Hunt wurde im Kino nicht mehr so brillant geplant und durchgeführt. Der Raub des sündhaft teuren Schmucks auf einem Filmfestspiel wird nicht nur aus extravaganten Kameraperspektiven, sondern auch aus der Sicht verschiedener Personen wiedergegeben, ohne dass der Zuschauer überhaupt weiß, was vor sich geht. Auch wenn in den Bildern eine gewisse Selbstverliebtheit de Palmas deutlich zu erkennen ist, bannen sie den Zuschauer. Split-Screen-Technik wechselt mit voyeuristischen Kameramotiven, wechselt mit Ego-Perspektiven durch Nachtsichtgeräte, dazwischen der Einsatz modernster Technik und Rebecca Romijn-Stamos als Verführung in Person. Wie lange ist es her, so einen stylischen Einstieg zu bekommen, der schon allein die ersten 20 Minuten des Films in Anspruch nimmt und vor Professionalität und Erotik nur so sprüht?
Wie noch während des Coups klar wird, spielt Laure Ash (Rebecca Romijn-Stamos) falsch und hintergeht ihre Kumpane, die dafür in einem Fall geschnappt und eingelocht werden. Eher zufällig schlüpft sie in die Rolle einer anderen Person, die ihr zum Verwechseln ähnlich sieht, um Jahre später, nach einem Zwischenspiel in den USA, wieder mit ihrer Vergangenheit konfrontiert zu werden. Böse Buben vergessen nie…
Da die Geschichte erst zum Ende ein paar überraschende Twists zu bieten hat und der Schmuck unlängst zu einem McGuffin verkommt, vergeht sich de Palma ganz in visuellen Leckerbissen. Die Optik bleibt kühl, farblos und emotionslos, aber die kalkulierende Laure Ash ist im Grunde der unverfrorenste Eisblock. Sie spannt den Paparazzo Nicolas Bardo (Antonio Banderas), der mit einem Foto ihre alten „Kollegen“ auf die Spur brachte, für ihre Zwecke ein, verführt und wickelt ihn um den Finger, wobei er glaubt hinter die Fassade des kalten Luders blicken zu können, dabei aber nur ein weiteres falsches Gesicht zu sehen bekommt.
Bei genauerem Hinblick ist insbesondere de Palmas Detailverliebtheit und das Spiel mit Metaphern zu erkennen. Ein sich füllendes Wasserglas steht für ein neues Kapitel der Handlung, eine überlaufende Wanne für einen drastischen Wendepunkt, ist das Maß doch voll und muss eine neue Lösung, ein neues Leben angestrebt werden. Nicolas riesige Fotokollage soll symbolisch nicht nur für den Anfang, sondern auch für das Ende eines Kreises stehen, der sich am Ende ganz anders schließen soll, als der Zuschauer es erwartet.
Obwohl das Script nicht spannungshaschend vorgeht, hat es viele Wendungen, die Zuschauer wie Hauptfiguren immer wieder vor neue Ausgangssituationen stellen, die Laure meist so heraufbeschworen und beabsichtigt hat. Sie führt nicht nur Nicolas und ihren Ehemann, sondern auch den unwissenden Zuschauer ständig an der Nase herum. Unterstützt vom verführerischen Ton klassischer Musik, die sich in die Ohren des Zuschauers schmiegt und ihm falsche Annahmen vorgaukelt. Ohne den Zuschauer nun während der verstrickten Handlungsabläufe allein zu lassen, wird er dabei mit den nötigen Informationen gefüttert, um dem Plot und den Zielen der Protagonisten folgen zu können.
Rebecca Romijn-Stamos erweist sich in „Femme Fatale“ als ideale Besetzung, geizt sie doch nicht mit ihren Reizen und dominiert alle mit ihrer Raffinesse, sondern verkommt sie auch nicht zur bloßen Fleischbeschau. Antonio Banderas kann da als heruntergekommener Paparazzo zwar nicht ganz mithalten, zeigt jedoch eine bessere Leistung als in seinen vergangenen Werken.
Fazit:
Da Brian de Palmas sich von Klischees und Genrekonventionen fern hielt, ist „Femme Fatale“ ein außergewöhnlicher Thriller: Nicht sonderlich spannend, aber mit einigen Überraschungen versehen. Die Inszenierung ist, wie man es von ihm gewohnt ist, technisch versiert, außergewöhnlich und raffiniert. Die kühle Optik ist ein, mit Metaphern versehenes, visuelles Schmankerl, dass den Zuschauer in seinen Bann zieht. Der Schlusstwist um Träume, Zukunft und Vorsehung, sowie eine beeindruckende Rebecca Romijn-Stamos, runden das positive Gesamtbild ab. Klasse erzählter Thriller, auch wenn für den Mainstream, in Anbetracht der geringen Skandal- und Effektfähigkeit, wohl eher schwer konsumierbar.