Review
von Carbusters
Spannendes Drama im Genre „Teenie-Film“, das aber weit drüber hinausgeht. Graffiti am Schulbeton und ein zwangsverordneter „Ethik“-Kurs, Thema „Wie stelle ich mir eine gute Schule vor?“, bildet den Nährboden für Bildungsdebatte und Schulrevolte.
Wie die Klassiker DEAD POETS' SOCIETY, BREAKFAST CLUB und PUMP UP THE VOLUME (oder moderner und komödiantischer: SCHOOL OF ROCK) dient ein Schuldrama der Diskussion über das Wesen von Lernen und Lehren, von Selbstbestimmung, Selbstbehauptung, Selbstfindung in einer erstickten Welt, in der die vorige Generation ihre Ansprüche begraben hat, aber zugleich der nächsten Jugend die gleichen Ansprüche verweigert. Die ewige Geschichte, das ewige Drama zwischen Alt und Jung, in dem auch Sokrates, Diogenes und Erich Fromm ihren Platz haben.
Im Unterschied zu den genannten Genre-Klassikern beschränkt sich MR noch mehr auf die Geschichte, bleibt kleiner, unauffälliger, „deutscher“ (das Blaugrau moderner Betonschulen, oder der „Berliner Schule“, dominiert). Es werden keine Musiknummern oder lockere Sprüche eingeflickt, Liebeshändel bleiben uns erspart. Die SchauspielerInnen sprechen fast normal. Selbst die Lehrerin darf Mensch sein (einsam in leerer Wohnung); auch die Figuren sind zum Glück kaum eindeutig typisiert, enthüllen sich erst nach und nach. Großartige SchauspielerInnen (alte und junge gleichermaßen) tragen das aktuelle Drama, das moderne Aufbruchsstimmung atmet, Jugendrevolten, Protestformen wie „Occupy“, Banksy und „Empört Euch!“ ein Forum bietet. Traurig, daß die in MR geforderten Reformen des Schulwesens schon seit Generationen gefordert werden – offenbar ohne großen Erfolg. Der Spagat, gleichzeitig vollgestopften Lehrplänen und schülergerechtem Lernen zu dienen, war bisher wohl nicht zu schaffen.
Großartig die Idee am Ende: alle aufmüpfigen SchülerInnen und die Lehrerin „fliegen“ aus der Schule (Opfer des Systems), doch sie werden sich in der bis dahin verwaisten Wohnung der Lehrerin wiederfinden, wo sie eine alternative Lerngruppe starten (was der Lehrerin an der Schule verwehrt wurde: „Keine zu große Nähe! Das soll kein Kuschelkurs werden!“): Die Revolutionäre verweilen nicht bei den bloßen Worten ihrer Forderungen, sondern schreiten zur Tat, verbessern sich selbst ihre materiellen Bedingungen. Während sich außerhalb das Internet, das sie geöffnet haben, mit den Stimmen anderer SchülerInnen füllt (wie sich in PUMP UP THE VOLUME der Äther füllt).
Selbst wenn manches dick aufgehäuft scheint: Dass die Lehrerin am Ende allein wartet, ist ein maßvolles Happy-End, das den subtilen Ton von MR abrundet.