Review

Max Riemelt spielt den Leiter einer deutschen Einheit in einem Außenlager von Kunduz. Zusammen mit einem Jugendfreund, einer Stabsärztin und einem gebürtigen Afghanen fährt er öfters in ein nahe gelegenes Dorf, wo er sich das Vertrauen des Vorstehers, gespielt von Vedat Erincin, hart erarbeiten muss. Die Soldaten bauen hier zusammen mit einer NGO-Mitarbeiterin eine Schule wieder auf und sollen den Vorgesetzten und Verbündeten Bericht erstatten, wenn sich Taliban-Kämpfer in der Gegend sehen lassen. Beim Versuch, der einfachen Bevölkerung zu helfen, werden die Kommandostrukturen zunehmend zur Last, außerdem behindert die Soldaten die unübersichtliche Lage in der Gegend, welche teilweise von den Taliban, einem Warlord, den Deutschen und auch den Amerikanern kontrolliert wird.

„Auslandseinsatz“ ist erklärtermaßen der erste deutsche Kriegsfilm über Afghanistan, obwohl der Einsatz vor über zehn Jahren beschlossen wurde und es längst zum Alltag der Deutschen geworden ist, dass Bundeswehrsoldaten in aller Welt zum Einsatz kommen und diesen teilweise mit ihrem Leben bezahlen müssen. Produziert und gesendet wurde der Film von der ARD, also mit öffentlich-rechtlichem Bildungsauftrag, wogegen man für gewöhnlich durchaus den einen oder anderen nicht ganz unberechtigten Vorbehalt haben kann. „Auslandseinsatz“ ist aber letztendlich mehr als blutleeres Bildungsfernsehen.

„Auslandseinsatz“ wirft tatsächlich einen relativ realistischen Blick auf den deutschen Einsatz in Afghanistan, auf den Alltag der Soldaten und die Herausforderungen, vor denen sie stehen, es ist ein Film, der die alltäglichen Schwierigkeiten aufzeigt und auch die faulen Kompromisse thematisiert, die immer wieder eingegangen werden müssen. Die Amerikaner töten einen Jungen aus dem Dorf, weil der möglicherweise einen Einsatz hätte auffliegen lassen können, einen Jungen, der den deutschen Soldaten durchaus ans Herz gewachsen war. Das wird zum Entsetzen der Deutschen dann aber einfach als Kollateralschaden verbucht und auf Anweisung des Vorgesetzten zur Tagesordnung übergegangen. Die Dorfbewohner bauen statt Getreide Mohn an, weil sie anders nicht überleben können und die Deutschen sollen das absegnen, ja sogar verhindern, dass die Amerikaner den Mohn wieder verbrennen. Dafür erklärt sich der geistige Führer des Dorfes aber bereit, dass auch Mädchen die Dorfschule besuchen dürfen. Und darum ging es doch bei diesem Einsatz, oder? Um Frauenrechte, Bildung und Entwicklungshilfe. Ebenso werden aber auch die Probleme der afghanischen Bevölkerung thematisiert, etwa der schmerzhafte Deal, den der Führer des Dorfs mit den Taliban eingeht. Damit sie sein Dorf in Ruhe lassen, verspricht er einem der Steinzeitkrieger seine Tochter, obwohl die Taliban dieser früher bereits zwei Finger abgeschnitten haben. Ein weiteres Plus des Films ist die Akribie, mit der an vielen Stellen vorgegangen wird, mit der die kleinen Schwierigkeiten beim gemeinsamen Umgang subtil dargestellt werden. So müssen sich die deutschen Soldaten permanent zwingen, die verschleierten Dorfbewohnerinnen nicht anzusehen, weil das als unhöflich empfunden wird und schnell feststellen, dass man den Umgang mit einem fremden Kulturkreis auf keiner Militärakademie lernen kann.

Narrativ leistet Till Endermann, der nach „Auslandseinsatz“ unter anderem zwei „Tatort“-Folgen inszenieren sollte, gute Arbeit. Der Film ist zügig erzählt und tritt zu keinem Zeitpunkt auf der Stelle. Nachdem die Charaktere eingeführt und die Beziehungen zu den Afghanen im benachbarten Ort vertieft sind, lässt er den Film zunehmend an Fahrt aufnehmen, stellt die Protagonisten vor allerlei schwierige Entscheidungen und lässt seinen Film schließlich in einem durchaus mitreißenden Finale gipfeln, das die eine oder andere schockierende Wendung nimmt. Vor allem dank des ernüchternden Ausgangs bleibt der deutsche Kriegsfilm vermutlich zumindest mittelfristig in Erinnerung. Inszenatorisch gibt es, vor allem auch angesichts der überschaubaren finanziellen Mittel, wenig zu bemängeln. Die wenigen Actionszenen sind dynamisch und spannend inszeniert, schnell geschnitten, wenngleich sie mit den großen amerikanischen Vorbildern sicherlich nicht mithalten können. Auch das afghanische Dorf, die Requisiten und Militärfahrzeuge wirken durchaus authentisch, wenngleich hier und da ein offensichtlich deutscher Strommast in der afghanischen Einöde zu sehen ist. Das Geld hat aber eben nur zum Dreh in Deutschland gereicht. Auch darstellerisch wird dabei gute Arbeit geleistet. Max Riemelt, dessen Figur zwischen den Vorgesetzten, die ihm Befehle erteilen, und seinen Untergebenen, die diese aus guten Gründen nicht akzeptieren wollen, hin- und hergerissen ist, wirkt durchweg authentisch, spielt den nachdenklichen Soldaten ausgezeichnet, wobei auch die übrigen Darsteller keinen Grund zur Beschwerde liefern. Besonders Vedat Erincin, der den Führer des Dorfs sehr glaubhaft verkörpert und über ein ausgezeichnetes Charisma verfügt, ist auf jedem Fall noch lobend zu erwähnen.

Bildungsfernsehen ist „Auslandseinsatz“ aber eben auch und das ist letztendlich auch der größte Schwachpunkt des Films. Immer wieder wird der Afghanistan-Einsatz grundsätzlich diskutiert, wobei die Beteiligten immer klare Position einnehmen, wie man es aus gängigen Talkshow-Formaten kennt. Da wäre zum einen der Hitzkopf, der die Taliban und Warlords als größtes Übel des Landes am liebsten gleich ausschalten würde und zum anderen der besonnene Teamleiter, der Bildung zum Schlüssel für Afghanistans Zukunft erklärt. Zudem werden immer wieder die zahlreichen Grundübel des Failed States aufgezählt, um dem Zuschauer die vertrackte Lage im Land noch einmal deutlich vor Augen zu führen. Den Lagebericht und die Talkshow-Diskussion hätte man sich besser schenken sollen, zumal dem halbwegs informierten Zuschauer hier nichts wirklich Neues erzählt wird und der Film so allzu belehrend erscheint. Außerdem ist die Figurenkonstellation insgesamt etwas zu gewollt, so hätte man auf die Jugendfreunde, die ihre Querelen nun in Afghanistan austragen, besser verzichten sollen und auch der gebürtige Afghane mit der tragischen Vergangenheit im Team wirkt etwas konstruiert, genauso, wie eine kleine Liaison mit der attraktiven Entwicklungshelferin.

Fazit:
„Auslandseinsatz“ überzeugt mit einer vor allem zum Ende hin packenden Story, mit einer gelungenen Umsetzung, guten Darstellern und einigen interessanten Denkansätzen zum deutschen Engagement am Hindukusch. Dabei ist die ARD-Produktion punktuell aber auch etwas belehrend und die Figurenkonstellation zu gewollt. Dennoch ist es ein insgesamt sehenswerter Film.

70 %

Details
Ähnliche Filme