Nichts gegen „sperrig“ oder „experimentell“ – aber ich nehme in diesem Fall für mich in Anspruch, dass die Reaktion auf experimentelle Kunst eine sehr persönliche ist. Und damit lehne ich – ganz persönlich – „Under the Skin“ für mich ab.
Das soll niemandem den Spass an dieser Film-Installation nehmen, aber ich kann mit dem Geduldsspiel von Jonathan Glazer leider nicht ausreichend viel anfangen und die wenigen, sparsamen Keimlinge, die sich für Interpretationsansätze zu eignen scheinen, gehen bei mir nicht richtig auf.
„Under the Skin“ ist sicherlich kunstvoll und künstlerisch – im Wesentlichen der Road Trip einer geheimnisvollen und wortkargen Frau durch Schottland, die permanent nach männlichen Partnern sucht, um sie in einer Art andersdimensionalen Körper-Raum zu verdauen – aber es stellt sich letztendlich – nach Rezeption – immer die Frage nach der Relevanz des Gesehenen (auch hier rein persönlich) und da provoziert die Form mehr ein Schulterzucken des Autors als seine gesteigerte Aufmerksamkeit.
Der Interpretationsansätze gibt es so einige: da könnte es sich um die grundsätzliche Erfahrung des Humanen drehen, weil eine – eventuell Außerirdische – langsam aber sicher mit den Schwierigkeiten dealen muss, dass „Menschsein“ und „Unter-Menschen-Sein“ nicht nur mit Essen und Verdauen zu tun hat, sondern auch mit Einflüssen der Umwelt und anderer Menschen.
Dann haben wir eine feministisch-sexuelle Connection, die den Zuschauer über die Rolle der Frau in der Gesellschaft und bezüglich ihrer Emotionalität und Sexualität spekulieren lassen könnte. Der „andere“ Sex als Verdauungsprozess, als „Ineinander“-Aufgehen; dagegen die männliche Sexualität als stupider oder einzig zielgerichteter Antrieb (und Verderben).
Das Eindringen von Emotionen, das erwachende Interesse an einem „mehr“ an allem Möglichen, welches die „Frau“ schließlich ein Alltagsleben bestaunen lässt und erfolglose Versuche unternehmen lässt, menschliche Nahrung zu sich zu nehmen und menschliche Sexualität zuzulassen – das alles kann man, mehr oder weniger klar, aus dem Anderssein an Handlung erkennen.
Aber da haben wir dann auch das Symptomatische an diesem Film: „Mehr oder weniger“!
Glazer hatte das Projekt offenbar diverse Jahre auf dem Dachboden in der Entwicklung und manchmal führt das zur Reife, manchmal mutieren oder degenerieren diese Projekte auch in etwas total Anderes. Hier erlaubte die Beteiligung einer namhaften Darstellerin offenbar dazu, den experimentellen und improvisierten Charakter des Projekts auszuleben, nicht zuletzt um etwas Individuelles zu erschaffen.
Das ist Glazer auch gelungen, denn er stellt berauschende Naturaufnahmen neben Szenencollagen normalbürgerlicher Konventionalität, schottische Straßenszenen, Passantenbeobachtungen. Dazwischen immer wieder Scarlett Johansson, die gefühlte Ewigkeiten durch die Straßen kurvt, aus dem Fenster starrt, nach Männern, nach Opfern sucht, banale Gespräche rund um das Thema auslöst, ob die Gesprächspartner eventuell vermisst werden könnten.
Später wird sie nach und nach immer wieder von ihrer Beute in die „Normalität“ mitgerissen, elementare Kenntnisse fehlen ihr sowieso, wie an der Wahl des an Neurofibromatose Erkrankten erkennbar ist, an dessen anatomischer Besonderheit/Krankheit/Entstellung sie zielgerichtet vorbei redet. Später wird sie den jungen Mann verschlingen und wieder in einem Stück von sich geben (wenn man das so nennen kann) – ob aus Gründen erwachender Emotionen oder wegen seines Gendefektes bleibt wie so vieles vollkommen unklar.
Leider wird das Werk nicht interessanter, je weiter der „Human Factor“ offenbar Einfluss auf die Besucherin nimmt. Noch länger die Starrphasen, noch mehr Leere, noch mehr Fokussierung auf Schlüsselobjekte, noch weniger Dialog.
Es ist wirklich nicht schlimm, wenn ein Film größtenteils schweigend seine Bilder für sich sprechen lässt, aber so wortlos chiffriert wie UTS ist schon lange kein „Kunst“-Werk mehr gewesen. Da hält die Kamera endlos auf dem leeren Blick, dem Stück Kuchen, dem aktuellen Ausschnitt aktueller Highlands-Umgebung, einem Wald, einer Hütte.
Zum Glück kann Glazer nicht widerstehen, wenigstens in einigen wenigen Momenten – angereichert mit einer wirklich entnervenden beunruhigenden Tonspur – einige Schlüsselbrocken dem Zuschauer hinzuwerfen: der Übergang in den „Spiegelraum“, das Versinken, die Konservierung, das Verdauen, der Strom aus Fleisch. In solchen Augenblicken öffnet auch der Betrachter sein Interesse dem Interpretierbaren, das ist der Moment, in dem Glazers Film wirklich faszinieren kann.
Auch einzelne Sequenzen, speziell das „Erbeuten“ des tschechischen Windsurfers an der sturmumtosten Küste, während gleichzeitig eine Familie ertrinkt, reizen den Willen zum Dechiffrieren an, geführt von kraftvollen Bildern.
Aber sonst bleibt der Film leer, leer wie die Augen der Darstellerin, für deren Figur man nur sehr schwer irgendetwas empfinden kann aufgrund ihrer kompletten Fremdartigkeit, der Abwesenheit erschließbarer Motivation. Das beständige Treffen und Verfolgtwerden durch einen Motorradfahrer, der entweder ihr Vorgesetzter, ihr Partner oder ihr „Cleaner“ sein könnte (oder alles) gibt praktisch keine verwertbaren Hinweise, da die „Fremden“ auf nicht näher definierte Art und Weise kommunizieren – was im Film bedeutet, dass sie sich minutenlang einfach nur anstarren. Während der Zuschauer gleichzeitig gezwungenermaßen darauf wartet, einen neuen Schlüssel zur Interpretation geliefert zu bekommen und mitstarrt.
Das Ende bietet zumindest einen – längst vermuteten Identitätsansatz – einen Sinn oder ein Ziel findet sich in diesem „Projekt“ aber nicht zwangsläufig, allerdings dürfen verschiedene Szenen die Interessierten zu Endlosdiskussionen anreizen.
Man kann aber den Film auch als ein künstliches Geduldsspiel ansehen, welches scheinbar lockt und dann doch nur selten liefert, meistens nur die „Leere der Existenz“ abbildet. Anhänger des Substanziellen werden hier auf Diät gesetzt, nicht aus künstlerischer Arroganz oder Provokation, sondern mehr aus einem geheimen Kunstplan heraus, den der Regisseur nie preisgibt.
Ich würde nicht sagen, dass UTS anders sein müsste, ich erkenne die Absicht, die Vision des Künstlers hier an, aber ich kann sie weder schätzen, einordnen noch wirklich goutieren. Vielleicht ist die Teilverweigerung des Erzählerischen hier die größte Schwäche – entweder ganz oder eben komplett experimentell wäre stringenter gewesen in einem Film, der sich um Verlockungen dreht, ohne mich jemals zu sich verführen zu können. (3/10)